Der Schokokuss im Weltall

Neustadt-Glewe

„Boahh“, „cool“, ähh, wie geht das denn?“ – Ausrufe wie diese flogen am Sonnabend im Hörsaal der ibu Neustadt-Glewe nur so über Tische und Bänke. Hier lief die erste Veranstaltung der Kinder- und Jugendakademie Neustadt-Glewe. Die Mädchen und Jungen, die sich dahin aufgemacht hatten, kamen bei der „Pützmunter-Experimente-Show“ mit Jean Pütz aus dem Staunen nicht heraus, und sie hatten ihren Spaß dabei.
NEUSTADT-GLEWE – Jean Pütz, 72 Jahre alter Kölner Bub mit Luxemburger Wurzeln, hatte den von Beginn an den Hörsaal, in dem er am Sonnabend gleich drei Vorlesungen hielt, fest im Griff. Viel brauchte er dazu nicht. Sein verschmitztes Lächeln, die lockeren Sprüche, ein großes Herz für die kindliche Neugier, ein brechend volles Pult mit Experimenten-Zutaten und natürlich seinen Assistenten Horst.
Spannende Experimente am laufenden Band
Wie viele Experimente er vorführte, bei denen er sich immer wieder von den Kindern assistieren ließ und in die er sie mit Fragen einband? Wir haben nicht gezählt. Aber – es waren seeeehr viele. Zum Beispiel das mit dem Schokokuss im Weltall. „Was?“, fragen Sie. Genau. Eine Käseglocke, darunter ein Grabower Küsschen und ein Schlauch zum Luft absaugen. Mit so einfachen Mitteln demonstrierte Pütz, wie es einem Kosmonauten ergehen würde, der ohne Spezialanzug in den Orbit aussteigen würde. Keine schöne Vorstellung. Aber, der wie ein Hefekloß aufgegangene Schokokuss schmeckte Kevin trotzdem.
Pütz hatte die Magdeburger Halbkugeln im Miniformat dabei, ließ eine einen Meter lange Styropor-Stange in einer winzigen Vase verschwinden, er lüftete das Pampers-Phänomen, erklärte die Blutgerinnung anhand von Schweineblut und konzentriertem Sauerstoff, was hinterher lecker wie ein Erdbeereis aussah, zeigte, wie Zitronen eine Lampe zum Leuchten bringen, ließ Mehl explodieren, eine Rakete durch den Hörsaal fliegen…
Nach jeweils einer Stunde beendete er seine Vorlesungen und entließ die verblüfften und frischgebackenen Studenten – alle wurden richtig immatrikuliert und erhielten am Sonnabend auch richtige Studentenausweise – ins Wochenende. Mit der Gewissheit, dass Physik nicht trocken und Chemie schon gar nicht langweilig ist.
„Ich fand alle seine Experimente so cool“, sagt Janno Beckmann. „Wenn wieder so eine Vorlesung ist, bin ich auf jeden Fall dabei.“ Auch Adrian Wittmann ist begeistert: „Von mir aus hätte es noch weitergehen können.“ Aber irgendwann ist eben auch die „Pützmunter-Show“ zu Ende.
In der Pause erzählt Jean Pütz, dass er in jungen Jahren Journalist werden wollen. „Als ich dann aber ,Walter von der Vogelweide‘ auswendig lernen sollte, verlor die Medienwelt auf Schlag ihren Reiz.“
Knochenjob gegen Gehirnjogging getauscht
Er habe dann Mathematik und Physik studiert, schrieb sich nach bestandener Hochbegabtenprüfung an der Kölner Ingenieurschule ein, arbeitete später auch als Lehrer. „Ganz zuerst war ich Elektromechaniker und Handwerker. Aber irgendwann beschloss ich, die Knochenjobs mit Gehirnjogging zu vertauschen. “ Das ist 40 Jahre her. Seitdem macht Pütz, den man aus den WDR-Sendungen „Hobbythek“ und „Dschungel – leben und leben lassen“ sowie der ARD-Sendereihe „Bilder der Wissenschaft“ kennt, das was er heute macht: Wissen und Bildung durch verblüffende und magische Experimente der jungen Generation näher bringen.
Und da schließt sich der Neustädter Kreis. Kindern im Städtedreieck einen kreativen Zugang zu Technik, Natur, Gesellschaft, Kunst, Kultur, Wissenschaft und Forschung zu bieten und sie zu motivieren, sich schon frühzeitig für deren komplexe Inhalte und Fragen zu begeistern, war für den ortsansässigen Gewerbeverein und das Bündnis im Städtedreieck die Intention, die erste Kinder- und Jugendakademie der Region ins Leben zu rufen. Und auch dieses Experiment scheint geglückt. „Nach den Sommerferien gibt es die nächste Veranstaltung“, kündigt Christian Rosenkranz an. Und der Vorsitzende des Gewerbevereins verhehlt seine Freude über die gelungene Premiere nicht.