Mediziner: „Burnout ist keine Krankheit“
fzm, Stuttgart, September 2014 – In Deutschland ist
es modern geworden, über Burnout zu klagen. Doch das Leiden der
Tüchtigen ist keine Krankheit im eigentlichen Sinn. Ein Mediziner
bezeichnet den Burnout in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014) als
„Risiko-Zustand“ für die Gesundheit. Ohne eine Intervention kann er
allerdings zu psychischen Erkrankungen wie Depressionen und
Angsterkrankungen oder körperlichen Störungen wie Bluthochdruck führen,
die in der Öffentlichkeit – fälschlicherweise – mit „Versagen“ oder
„Schwäche“ verbunden werden.
Burnout ist keine medizinische Diagnose, sondern eher ein
„arbeitsphysiologisches Konstrukt“, schreibt Professor Ulrich Koehler,
der am Schlafmedizinischen Zentrum des Universitätsklinikums Marburg
häufig mit Burnout-Patienten konfrontiert wird. Schlafstörungen sind
nämlich eine typische Folge der emotionalen Erschöpfung, die eine der
drei Dimensionen des Burnouts ist. Die anderen beiden Dimensionen sind
eine „Depersonalisation“, die sich durch einen zunehmenden Zynismus des
Betroffenen bemerkbar macht, und eine verminderte Leistungsfähigkeit,
die dann nicht selten zum Karriereknick führt.
Klagen über einen Burnout sind häufig. In Umfragen geben
zwölf Prozent der Erwerbstätigen an, dass sie unter einer „psychischen
Belastung“ am Arbeitsplatz leiden. Wie hoch der Anteil des Burnouts
daran ist, sei unklar, berichtet Professor Koehler. Unbekannt sei auch,
ob die Zunahme von Krankheitstagen und früher Erwerbsunfähigkeit durch
psychische Erkrankungen, zu denen es in den letzten Jahren in
Deutschland gekommen ist, eine Folge des arbeitsbedingten Burnout ist.
Kein Zweifel besteht für Professor Koehler dagegen an den
Ursachen für den Burnout. Die wirtschaftliche Globalisierung habe die
Arbeitswelt im letzten Jahrzehnt drastisch gewandelt, schreibt der
Mediziner. Als Stichworte nennt er: Arbeitsverdichtung, Beschleunigung
der Arbeitsabläufe, zunehmender Leistungsdruck, Steigerung der
Produktivität bei reduzierter Erwerbstätigenzahl, computerbasiertes
Controlling, mangelnde Anerkennung und fehlende Wertschätzung der
geleisteten Arbeit.
Zum Burnout kommt es, wenn diese arbeitsplatzbedingten
Faktoren auf bestimmte individuelle Faktoren treffen. Besonders anfällig
für ein Burnout sind laut Professor Koehler nicht nur Menschen mit
Multipler Sklerose, Krebs, Psychose oder einer beginnenden Demenz, die
krankheitsbedingt dem Berufsstress nicht standhalten. Betroffen seien
oft auch gesunde Menschen mit übersteigertem Ehrgeiz, Perfektionismus,
überhöhtem Anspruch und Pflichtgefühl sowie einer speziellen „deutschen“
Leistungsethik.
Wie können die Ärzte den Patienten helfen? Auf eine
angemessene Gestaltung der Arbeitsbedingungen und eine Optimierung der
Arbeitsabläufe, die einem Burnout vorbeugen könnten, haben die
Mediziner meistens keinen Einfluss. In größeren Firmen könnten aber
Betriebsärzte eine Schlüsselrolle in der Früherkennung psychosozialer
Probleme am Arbeitsplatz spielen. Die Haus- und Fachärzte könnten die
direkten Folgen des Burnouts wie Schlafstörungen behandeln. In der
Pflicht stehen für Professor Koehler aber auch Sozialpartner und
Politik, die sich der Burnout-Problematik verantwortungsvoll annehmen
sollten.
U. Koehler und Y. L. Koehler:
„Burnout“ – Krankheit oder Folge von Stress?
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2014; 139 (34/35); S.1731-1734