Protein-Aggregate in Hefezellen sind auflösbar

Protein-Aggregate in Hefezellen sind auflösbar

Ansätze gegen Alzheimer, Parkinson oder Amyotrophe Lateralsklerose

Hefezellen ohne Proteinaggregate (links) und solche mit (Bild: M. Peter/ethz.ch)
Hefezellen ohne Proteinaggregate (links) und solche mit (Bild: M. Peter/ethz.ch)

Zürich (pte013/03.10.2017/10:31) –

Die Bildung von Protein-Aggregaten in Hefezellen ist umkehrbar, wie Wissenschaftler der ETH Zürich http://ethz.ch entdeckt haben. Diese Erkenntnis wirft auch ein neues Licht auf
Krankheiten des Menschen, die auf solche Aggregate zurückgeführt werden,
wie zum Beispiel Alzheimer, Parkinson oder die durch die "Ice Bucket
Challenge" in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Amyotrophe
Lateralsklerose (ALS).

Enzym Cdc19 im Blick

Die ETH-Wissenschaftler zeigen in ihrer im Fachjournal
"Nature Cell Biology" publizierten Studie auf, dass sich solche
Proteinklumpen in Hefezellen bei Stressfaktoren wie Nahrungsentzug oder
Hitze bilden. Nach überstandenem Stress können die Zellen die Aggregate
wieder auflösen und die einzelnen Bestandteile rasch rezyklieren und im
Zellstoffwechsel einsetzen. Als Beispiel für ein Protein, das bei Stress
zusammenklumpt, wurde das Enzym Cdc19 identifiziert. Es stellt für die
Zelle Energie bereit.

Wenn Cdc19 nun Glucose entzogen bekommt, zerfällt es in
seine vier identischen Untereinheiten. Diese verändern dann ihre
ursprüngliche Form und lagern sich mit weiteren Molekülen wie
Ribonukleinsäuren oder anderen Enzymen in Aggregaten zusammen. Die
Forscher nennen solche Klumpen Stresskörperchen. Einmal in ein solches
Aggregat eingebunden, wird Cdc19 inaktiv, und es ist nicht mehr in der
Lage, Brennstoff für die Zelle zu erzeugen. Während dieser Zeit kann die
Zelle weder wachsen noch sich vermehren.

Der Vorgang ist aber umkehrbar. Sobald der Stress
vorbei ist, lösen sich die Stresskörperchen auf, die vier Untereinheiten
von Cdc19 lagern sich zusammen, sodass das Enzym seine Arbeit im
Zuckerstoffwechsel wiederaufnehmen kann. Die Klumpen haben also einen
klaren Zweck, sagt ETHZ-Forscher Matthias Peter: "Die Hefezelle benutzt
Aggregate als eine Art Lagerstätte für wichtige Enzyme, damit diese in
Stresssituationen nicht abgebaut und nach überlebtem Stress sofort
reaktiviert werden können."

Bildung der Aggregate

Aggregate schützen Moleküle vor dem Abbau durch die
zelleigene Entsorgungsmaschinerie. Müsste die Zelle diese Verbindungen
nach jeder Stresssituation von neuem aufbauen, würde dies die Zelle viel
Zeit und Energie kosten. Die Forscher fanden zudem heraus, wie und
weshalb Cdc19 verklumpen kann. Sie identifizierten in der Struktur einer
Cdc19-Untereinheit einen kurzen, ungefalteten und einfach aufgebauten
Teilbereich.

Solche Bereiche sind sogenannte "Low Complexity
Regions" (LCR). Sie kommen ebenso in anderen aggregatbildenden Proteinen
weiterer Organismen vor, auch beim Menschen. "Die LCR werden durch den
Zerfall des Enzymkomplexes exponiert und lösen die Aggregation aus",
weiß Peter. "Für uns war es deshalb wichtig, eine solche Sequenz bei
Cdc19 ausfindig zu machen. Das bestätigt einen allgemeinen Mechanismus."
Bei der Hefe sei die LCR von Cdc19 im Normalzustand versteckt oder
trage mehrere Phosphatgruppen, welche die LCR "handlungsunfähig" machen.
Erst bei Ernährungsstress tritt die LCR hervor und die Phosphatgruppen
werden entfernt. Erst dann können sich Aggregate bilden.