Realistische
Computergrafiken: Technologie aus Saarbrücken kam in kürzester Zeit zu Walt
Disney
Naturgetreu am Computer zu
simulieren, wie Licht einen Raum durchdringt, ist nicht nur für Animationsfilme
wie „Toy Story“ oder „Cars“ entscheidend. Auch die Automobilindustrie will
virtuelle Prototypen möglichst realistisch am Bildschirm designen. Spezielle
Rechenverfahren sollen dies sicherstellen, erfordern jedoch einen hohen
Aufwand. Saarbrücker Informatiker haben nun einen neuen Ansatz entwickelt, der
so vielversprechend ist, dass er in Rekordzeit von Unternehmen übernommen wurde
– unter anderem von Pixar, einem renommierten Spezial-Unternehmen der
Filmindustrie aus dem Hause Walt Disney.
Bei der Produktion von computergenerierten Filmen ist es wichtig, die
Beleuchtung in einem Raum realistisch darzustellen. Funktioniert dies nicht,
ist der Eindruck einer dreidimensionalen Anmutung schnell zerstört. Die
digitalen Lichtexperten der Filmindustrie setzen dazu auf spezielle
Rechenverfahren, die bisher aber noch einen großen Rechenaufwand erforderten,
was die Produktionskosten in die Höhe getrieben hat. Doch nicht nur die
Filmbranche, auch die Autoindustrie investiert viel, um Lichtverhältnisse für
ein per Computer generiertes Bild möglichst realitätsgetreu darzustellen.
Komplette Rechenzentren werden genutzt, um realistische Bilder der
hoch-komplexen Automodelle schon im Entstehungsprozess in Echtzeit berechnen
und darstellen zu können. Nur so können die Verantwortlichen das Design und
andere Produkteigenschaften schon frühzeitig bewerten und noch während der
Planung optimieren. „Es werden ja kaum noch reale Prototypen angefertigt. Daher
wollen die Designer sicher sein, dass die Karosserie auf dem Bildschirm genauso
aussieht wie später am realen Wagen“, erklärt Philipp Slusallek, Professor für
Computergrafik an der Universität des Saarlandes. Er ist auch
wissenschaftlicher Direktor am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche
Intelligenz (DFKI) und am Intel Visual Computing Institute der Saar-Uni.
Bisherige Rechenverfahren konnten jedoch nicht alle Beleuchtungseffekte
effizient berechnen. Das sogenannte „Monte-Carlo Path-Tracing-Verfahren“ konnte
sehr gut für den direkten Lichteinfall und die indirekte Beleuchtung durch
Lichtreflexion an den Oberflächen in einem Raum eingesetzt werden. Es versagte
jedoch bei der Beleuchtung rund um transparente Gegenstände wie beispielsweise
den halbtransparenten Schatten von gläsernen Gegenständen oder der Beleuchtung
über spiegelnden Oberflächen (sogenannte Kaustiken). Genau das war die Stärke
des sogenannten Photon-Mapping, das aber wiederum bei der direkten Beleuchtung
von Oberflächen enttäuschte. Da jedoch beide Verfahren mathematisch
inkompatibel waren (Monte-Carlo-Integration gegenüber Dichteschätzverfahren),
konnte man sie nicht zusammenführen und musste sie unabhängig voneinander für
das jeweilige Bild berechnen. Diese Doppelarbeit verursachte hohe Kosten bei
computeranimierten Filmen wie „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“, bei denen
bis zu 48 Bilder pro Sekunde berechnet werden müssen – bei einer Gesamtdauer
von rund 160 Minuten.
Zusammen mit Iliyan Georgiev, Doktorand an der Saarbrücker Graduate School of
Computer Science, Jaroslav Krivanek von der Karls-Universität in Prag und
Thomas Davidovic vom Intel Visual Computing Institute hat Professor Slusallek
Ende 2012 einen neuen mathematischen Ansatz entwickelt, der beide Verfahren auf
geschickte Art miteinander kombiniert. Die Forscher formulierten Photon-Mapping
mathematisch als einen Monte-Carlo-Prozess und konnten es damit direkt in das
Monte-Carlo Path-Tracing-Verfahren integrieren. Pro Pixel eines Bildes
entscheidet das neue Verfahren jetzt automatisch (über sogenanntes
Multiple-Importance-Sampling), welche der beiden Strategien am besten geeignet
ist, die Beleuchtung an dieser Stelle zu berechnen. Slusallek und seine
Kollegen wiesen zudem nach, dass das neue Rechenverfahren das korrekte Ergebnis
liefert und dieses viel schneller berechnen kann. Das auf den Namen „Vertex
Connection and Merging“ getaufte und mit VCM abgekürzte Verfahren wurde 2012
nicht nur auf der für Computergrafik international wichtigsten Konferenz, der
„Siggraph“, weltweit anerkannt, sondern erhielt auch aus der Wirtschaft einen
besonderen Ritterschlag. „Wir wissen von vier Firmen, die VCM teilweise bereits
wenige Monate nach der Veröffentlichung unseres Papers in ihre kommerziellen
Produkte integriert haben“, so Slusallek. Jüngstes Beispiel sei die gerade
vorgestellte, neue Version der Software Renderman aus dem Hause Pixar. „Das ist
seit Jahrzehnten das wichtigste Werkzeug der Filmindustrie. Dass darin VCM
arbeitet, darauf sind wir sehr stolz“, sagt Slusallek. Das kalifornische
Unternehmen Pixar, bekannt für Filme wie „Toy Story“, „Oben“, „Findet Nemo“,
„Die Monster AG“, gehört zum Medienkonzern Walt Disney Company. Seinen Namen
erhielt es ursprünglich von Apple-Mitgründer Steve Jobs. Das Unternehmen hat
bereits zwölf Oscars für seine Filme erhalten.
In ihrer neuesten Publikation, die ebenfalls von der gerade im kanadischen
Vancouver stattfindenden Konferenz „Siggraph“ akzeptiert wurde, zeigt die
Forschergruppe um Philipp Slusallek, dass sich das neue VCM-Verfahren sehr
effizient auf hoch-parallelen Grafikprozessoren implementieren lässt. Diese
Forschungsarbeiten wurden unter anderem durch den US-amerikanischen
Halbleiterkonzern Intel finanziert, auf deren Siggraph-Stand sie jetzt auch
erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Weitere Informationen:
https://graphics.cg.uni-saarland.de/2012/vertex-connection-and-merging/