Der Hoeneß-Effekt: Wie der Fiskus von prominenten Steuersündern profitiert
Medienberichte über Steuerdelikte
berühmter Persönlichkeiten inspirieren gewöhnliche Steuerzahler zu mehr
Ehrlichkeit. Die Finanzämter registrieren deutlich mehr Selbstanzeigen,
wenn sich Promis wie Uli Hoeneß, Nadja Auermann oder Thomas Middelhoff
vor Gericht wegen Steuerhinterziehung verantworten müssen. Eine Studie
der Hamburg Media School (HMS) und der Universität Hamburg liefert
erstmals wissenschaftliche Belege für diesen sogenannten Hoeneß-Effekt.
Hamburg, 14. August 2018. Laut der Studie:
„Cautionary Tales – Celebrities, the News Media, and Participation in
Tax Amnesties“ ist die Berichterstattung über Gerichtsprozesse
prominenter Steuersünder von entscheidender Bedeutung für die Anzahl der
Selbstanzeigen insgesamt. Für die Untersuchung haben der Forscher, Dr.
Marcel Garz von der Hamburg Media School und die Forscherin Verena
Pagels von der Universität Hamburg, die Berichterstattung über
prominente Steuersünder in 60 deutschen Tageszeitungen seit 2010
ausgewertet.
„Es hat uns sehr überrascht, wie stark der
Zusammenhang zwischen dem Umfang dieser Berichterstattung und der Anzahl
der Selbstanzeigen ist. Der sogenannte Hoeneß-Effekt lässt sich
regelmäßig auch bei anderen prominenten Fällen von Steuerhinterziehung
messen, sofern die Öffentlichkeit zum Zeitpunkt der Prozesseröffnung
oder Urteilsverkündung nicht durch andere Ereignisse abgelenkt ist“,
erläutert Dr. Marcel Garz, Leiter der Media Bias Forschungsgruppe an der
HMS. Das Besondere an der Studie ist, dass sie nicht nur den
statistischen Zusammenhang von Berichterstattung und Selbstanzeigen
aufdeckt, sondern klare Aussagen zur Kausalität ermöglicht. Dazu
erläutert Garz: „Wir sind durch eine sogenannte
Instrumenten-Variablen-Schätzung sehr sicher, dass es tatsächlich die
Berichterstattung ist, die Steuerhinterzieher zum Umdenken bewegt.
Berichten Medien nicht oder nur wenig über prominente
Steuerhinterzieher, weil ihre Aufmerksamkeit und Ressourcen durch
zeitgleich stattfindende Geschehnisse gebunden ist – sie also mehr über
eine Naturkatastrophe oder einen Terroranschlag berichten – steigt die
Zahl der Selbstanzeigen nicht an.“
Das Ausmaß der Beeinflussung ist erheblich.
Vergleicht man Quartale ohne Berichterstattung über prominente
Steuersünder mit der durchschnittlich gemessenen Berichterstattung,
lässt sich ein Anstieg der Selbstanzeigen von rund 32% feststellen.
„Unsere Studie verdeutlicht, dass Prominente und Medien eine wichtige
Rolle für die Steuerehrlichkeit der Bürger spielen“, so Garz. „Für den
Fiskus lohnt es sich, wenn Prominente vor Gericht zur Rechenschaft
gezogen werden. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Staatsanwälte
und Richter berühmte Persönlichkeiten strenger verfolgen und bestrafen
als gewöhnliche Steuerhinterzieher.“