Engpass in der Antibiotika-Versorgung – kaum zu glauben, aber lösbar

Engpass in der Antibiotika-Versorgung – kaum zu glauben, aber lösbar

Im Oktober 2016 kam es bei
einem ostchinesischen Arzneimittelhersteller zu einer folgenschweren
Explosion. Danach fehlte weltweit ein Grundstoff, der für die
Herstellung von Piperacillin/Tazobactam benötigt wird, einem vor allem
bei schweren Infektionen unverzichtbaren Antibiotikum. Lieferengpässe
waren die Folge.

Zu den Betroffenen gehörte
auch das Universitätsklinikum Frankfurt. An der Klinik mit 1300 Betten
wurde das Medikament monatlich etwa 5400 Mal eingesetzt. Als der
Hersteller mitteilte, dass er die Lieferungen um ein Drittel
einschränken müsse, informierte die Klinikapotheke das Antibiotic
Stewardship (ABS)-Team, das seit 2016 Ärzte beim Antibiotika-Einsatz in
der Klinik berät. Es erstellte daraufhin einen Notfallplan.

Piperacillin/Tazobactam war
fortan für die Klinikärzte nur noch auf Sonderrezept erhältlich. Der
Einsatz des Antibiotikums wurde auf bestimmte Infektionen beschränkt,
bei denen es kaum Alternativen gab. Dies waren schwere
Lungenentzündungen und komplizierte Infektionen. Darüber hinaus
erhielten Kinder im Rahmen einer empirischen Antibiotikatherapie bei
einer Chemotherapie-bedingten Abwehrschwäche den Wirkstoff weiterhin.
Auch bei Nachweis bestimmter Problemerreger konnten die Ärzte weiterhin
auf Piperacillin/Tazobactam zurückgreifen.

Der Notfallplan ging auf –
sogar besser als erwartet. Wie das ABS-Team um Professor Christoph
Stephan in der DMW berichtet, wurde der Einsatz von
Piperacillin/Tazobactam schon in der ersten Woche um 71 Prozent gesenkt.
Der Einspareffekt blieb in den folgenden Wochen erhalten, sodass das
ABS-Team die Restriktionen lockern konnte.

Nachteile für die Patienten
haben sich im Rahmen der Maßnahmen nicht ergeben. So blieb laut
Professor Stephan der befürchtete Anstieg von Darminfektionen mit
Clostridium difficile aus. Dazu hätte es kommen können, weil viele
Patienten statt mit Piperacillin/Tazobactam mit sogenannten
Breitband-Antibiotika behandelt wurden. Diese können bei der
Wirkstoffaufnahme über den Darm die dort befindlichen Darmbakterien
zerstören und eine anschließende Vermehrung von Clostridium difficile
begünstigen. Dieser Keim kann durch Bildung von Toxinen
lebensgefährliche Komplikationen auslösen. Das Ausbleiben solcher
Darminfektionen könnte laut Professor Stephan auf den insgesamt
überlegten und maßvollen Einsatz der Antibiotika zurückzuführen sein.

Auch die Zahl
lebensbedrohlicher Blutinfektionen ist laut Professor Stephan nicht
angestiegen. Bei einigen Infektionen kam es durch den überlegteren
Einsatz von Antibiotika sogar zu einem leichten Rückgang.

Darüber hinaus wirkten sich
die Maßnahmen des ABS-Teams finanziell positiv aus: Obwohl die Preise
für Piperacillin/Tazobactam durch den Mangel um 67 Prozent gestiegen
waren, konnte die Klinik ihre Antibiotika-Ausgaben insgesamt um 13
Prozent senken. Dies war laut Stephan zum einen dem Rückgang des
Antibiotika-Einsatzes um fast sechs Prozent zu verdanken. Zum anderen
lagen die Preise einiger alternativer Antibiotika unter dem von
Piperacillin/Tazobactam. Das positive Fazit: Trotz der leicht
angestiegenen Personalkosten hat die Klinik unter dem Strich
Einsparungen erzielt.

Professor Stephan rechnet
damit, dass in Zukunft ähnliche Maßnahmen notwendig werden. Die Zahl der
Lieferengpässe bei Arzneimitteln habe in den letzten Jahren weltweit
zugenommen. Die Ursachen sieht der Infektiologe in der zunehmenden
Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer. Zudem werde die
Herstellung wichtiger Medikamente immer häufiger auf wenige Standorte
konzentriert, sodass bei plötzlichen Produktionsschwierigkeiten
alternative Anbieter fehlen könnten.

  1. Kessel, B. Dolff, T. Wichelhaus, N. Keiner, M. Hogardt, C.
    Reinheimer, I. Wieters, S. Harder, V. A. J. Kempf, C. Stephan, für das
    Antibiotic-Stewardship-Team (UKF):
    Piperacillin/Tazobactam-Lieferengpass: Zentrale Restriktion und
    Alternativempfehlungen als effektive Antibiotic-Stewardship-Maßnahme an
    einem Klinikum der Maximalversorgung. DMW Deutsche Medizinische
    Wochenschrift 2018; 143 (8); e59-e67