Methan, 20mal klimaschädlicher als CO2 geht mit Meeresströmung auf Wanderschaft

Klimamodelle sollten auch das Wechselspiel zwischen Methan, Nordpolarmeer und Eis berücksichtigen

Mikroorganismen produzieren im Grund der flachen Meeresregionen nördlich
von Sibirien aus Pflanzenresten Methan. Gelangt dieses Treibhausgas ins
Wasser, kann es im Meereis eingeschlossen werden, das sich auf diesen
Küstengewässern bildet. Damit kann Methan über Tausende von Kilometern
durch das Nordpolarmeer transportiert und Monate später in völlig
anderen Regionen wieder freigesetzt werden. Darüber berichten
Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts in der aktuellen Ausgabe
des Online-Journals Scientific Reports. Auch wenn der Klimawandel dieses
Wechselspiel zwischen Methan, Meer und Eis stark beeinflusst, ist es in
den Modellen der Klimaforscher bisher noch nicht berücksichtigt.

Nur ein paar hundert Kilometer entfernt vom Nordpol bahnt sich der
Eisbrecher Polarstern vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für
Polar- und Meeresforschung (AWI) im August 2011 seinen Weg durch das
eisbedeckte Nordpolarmeer. Im Wasser dort im hohen Norden untersucht die
AWI-Geochemikerin Dr. Ellen Damm das Treibhausgas Methan. Bei einer
Expedition ins gleiche Gebiet findet die Forscherin vier Jahre später
erheblich weniger Methan in den Wasserproben, und kann so die Messungen
vom gleichen Ort zu verschiedenen Zeiten vergleichen.

Diese Proben hat Ellen Damm gemeinsam mit Dr. Dorothea Bauch vom GEOMAR
Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und weiteren Kollegen
analysiert. Ziel war es, die Methanmengen regional zu erfassen und ihre
Herkunft zu bestimmen. Indem sie Sauerstoff-Isotopen im Meereis messen,
können die Wissenschaftlerinnen rückschließen, wann und wo das Eis
entstanden ist. Dafür hatten sie an Orten der Wasserproben zusätzlich
auch Meereisproben genommen. Ihr Ergebnis: Das Eis transportiert das
Methan offensichtlich quer durch das Nordpolarmeer. Und das anscheinend
von Jahr zu Jahr anders, berichten die beiden Forscherinnen gemeinsam
mit Kollegen vom AWI, vom Finnischen Meteorologischen Institut in
Helsinki und von der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau in
der Online-Zeitschrift Scientific Reports.

So stammten die Proben aus dem Jahr 2011 aus Meereis, das knapp zwei
Jahre vorher, im Oktober 2009, in den Küstengewässern der Laptewsee weit
im Osten Sibiriens seine lange Reise nach Norden begonnen hatte. Die
deutlich geringeren Mengen an Treibhausgas der Proben aus dem Jahr 2015
waren gerade einmal halb so lang im Arktischen Ozean unterwegs. Dieses
Eis hatte sich viel weiter draußen in tieferem Wasser auf dem Meer
gebildet, wie die Analysen zeigten. In den Modellen der Klimaforscher
aber spielt dieses Wechselspiel von Methan, dem Nordpolarmeer und dem
dort schwimmenden Eis bisher keine Rolle.

Jedes Molekül Methan in der Luft treibt die Temperaturen 25-mal stärker
in die Höhe als Kohlendioxid, das bei der Nutzung von Kohle, Erdöl und
Erdgas in die Atmosphäre gelangt. Auch in der Arktis trägt daher Methan
erheblich zur starken Erwärmung hoher nördlicher Breiten bei und
verstärkt die globale Klimaerwärmung weiter. Es gibt also gute Gründe,
sich den Methankreislauf im hohen Norden genauer anzuschauen.

Methan entsteht bei der Rinderzucht oder dem Anbau von Reis, aber auch
in vielen anderen natürlichen Prozessen. So sammeln sich im Boden der
flachen Laptewsee nördlich von Sibirien wie auch in anderen flachen
Gewässern vor den arktischen Küsten Reste von Algen und anderem
Pflanzenmaterial. Fehlt dort Sauerstoff, verdauen Mikroorganismen diese
Biomasse und produzieren dabei Methan. Bisher berücksichtigen die
Modellrechnungen noch zu wenig die Wege von Kohlenstoff und die
Methanfreisetzung aus arktischen Regionen.

Wenn im Herbst die Temperaturen in der Luft sinken, kühlt auch das an
vielen Stellen offene Wasser ab. „An der Oberfläche der russischen
Schelfmeere bildet sich jetzt Meereis, das von starken Winden Richtung
Norden getrieben wird“, erklärt AWI-Meereisphysiker Dr. Thomas Krumpen,
der ebenfalls an der Studie mitgearbeitet hat. Durch Eisbildung und
ablandige Winde entsteht dann auf den flachen Randmeeren eine kräftige
Strömung, die die Sedimente aufwirbelt und das dort gebildete Methan in
die Wassersäule trägt. Das Methan aber kann im Eis eingeschlossen
werden, das sich auf einer solchen Polynja genannten offenen
Wasserfläche im Winter rasch wieder bildet.

„An diesem Eis friert weiteres Wasser fest und kann dabei die enthaltene
Salz-Lake ausstoßen, die große Mengen des im Eis eingeschlossen Methans
mitreißen kann“, erklärt AWI-Forscherin Ellen Damm. Dadurch bildet sich
unter dem Wasser eine Schicht, die nicht nur sehr viel Salz, sondern
auch größere Mengen Methan enthält. Das Eis auf dem Meer und das dichte
Salzwasser darunter aber wird mitsamt dem darin enthaltenen Treibhausgas
vom Wind und den Strömungen weiter getragen. „Es dauert ungefähr
zweieinhalb Jahre, bis das Eis, das sich an den Küsten der Laptewsee
gebildet hat, quer über das Nordpolarmeer und am Nordpol vorbei bis in
die Framstraße zwischen der Ostküste Grönlands und Spitzbergen getrieben
wird“, erklärt Thomas Krumpen. Das im Eis und im Salzwasser darunter
enthaltene Methan macht diese Wanderung natürlich mit.

Die steigenden Temperaturen im Klimawandel schmelzen dieses Eis
zunehmend. Sowohl die vom Meereis bedeckte Fläche wie auch die Dicke des
Eises nehmen daher in den letzten Jahren weiter ab. Dünneres Eis aber
wird vom Wind schneller weiter geschoben. „Tatsächlich beobachten wir,
dass in den vergangenen Jahren das Eis immer schneller über das
Nordpolarmeer getragen wird“, erklärt Thomas Krumpen. Dadurch ändert
sich natürlich auch der Methan-Umsatz in der Arktis kräftig. Quellen,
Senken und Transportwege von Methan in der Arktis zu quantifizieren,
bleibt eine große Herausforderung für die Wissenschaft.