Wechseljahre des Mannes gibt es nicht: Altersbedingter Testosteronmangel betrifft nur wenige
Lübeck
� Wenn ältere Männer über Antriebsschwäche, Müdigkeit oder
Libidoverlust klagen, wird häufig ein altersbedingter Testosteronmangel
vermutet. Doch tatsächlich sind in Deutschland nur drei bis fünf Prozent
der Männer über 60 von einem echten Testosteronmangel betroffen. Es
gebe keine �Wechseljahre� beim Mann, erklärt
die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Wann eine
Testosteronbehandlung angezeigt ist, erläutern Experten auf der
Pressekonferenz anlässlich des 58. Symposiums der Deutschen Gesellschaft
für Endokrinologie (DGE) am 18. März 2015 in Lübeck.
Ab
etwa dem 40. Lebensjahr sinkt der Testosteronspiegel des Mannes jedes
Jahr um ein bis zwei Prozent, was zumeist keine spürbaren Auswirkungen
hat. Männer über 60 Jahre leiden häufiger an depressiven Verstimmungen,
Gewichtszunahme, Müdigkeit, Nervosität und Libidoverlust, seltener auch
an einer Art Hitzewallungen. �Diese Beschwerden können vielfältige
Ursachen haben, auch das Absinken des Testosteronspiegels kann mit ein
Grund sein�, erklärt Professor Dr. med. Sven Diederich, Ärztlicher
Leiter ENDOKRINOLOGIKUM Berlin am Gendarmenmarkt, Zentrum für Hormon-
und Stoffwechselerkrankungen, und Vize-Präsident der DGE. �Jedoch haben
die meisten Männer keinen behandlungsbedürftigen Testosteronmangel. Ein
solcher kann etwa dann auftreten, wenn Erkrankungen des Hodens oder ein
großer Tumor der Hirnanhangdrüse, die die Testosteronproduktion
reguliert, vorliegen. �In diesem Fall behandeln wir die Patienten sehr
erfolgreich mit Testosteronpräparaten�, so Professor Diederich.
Denn
liegt ein wirklicher Hormonmangel vor, ist eine Testosteronbehandlung
begründet. Aber in der Altersgruppe der 60- bis 79-Ja�hrigen haben nur
drei bis fünf Prozent einen Testosteronmangel, der den Libidomangel und
andere Symptome wie erektile Dysfunktion erklärt. Dieser Gruppe, zu
denen auch stark übergewichtige Männer mit erhöhtem Blutdruck, erhöhten
Blutfetten und/oder erhöhtem Blutzucker gehören, könne durch eine
Hormontherapie geholfen werden, betont Professor Dr. med. Dr. h. c.
Helmut Schatz, Mediensprecher der DGE aus Bochum.
Beim
Mann sinke der Testosteronspiegel sehr langsam und kontinuierlich ab.
Erst wenn der Testosteronspiegel einen bestimmten Grenzwert
unterschreite, träten Beschwerden auf � und dies auch nicht bei jedem
Mann. �Man kann nicht von einem männlichen Klimakterium sprechen�, sagt
Professor Schatz.
Nichtsdestoweniger
sind die vermeintlichen �Wechseljahre des Mannes� eine �Modeerkrankung�
und daher ein viel diskutiertes Thema in der Bevölkerung und in den
Medien. Unabhängig von den Kontroversen unter Fachleuten wird mit
Hormonprodukten Geld verdient.
Kontrovers
diskutiert und weiter erforscht wird, ob und welche Risiken, etwa
kardiovaskuläre Erkrankungen, die Testosterontherapie bei älteren
Männern hat. Die Arzneimittelbehörde in den Vereinigten Staaten (FDA),
nicht aber die in Europa (EMA), fordert von den Herstellern,
Warnhinweise in die Beipackzettel aufzunehmen.
Professor
Schatz bilanziert: �Wir warnen davor, Testosteron kritiklos zu
verschreiben, nur wenn manche Anzeichen für einen Testosteronmangel
sprechen, insbesondere ohne Bestimmung des Hormonspiegels. Jeder Fall
muss auch individuell entschieden und der Patient muss regelmäßig
kontrolliert werden.�