Hormontherapie in der Ära nach der Hormontherapie

fzm – Die Empfehlungen der Ärzte zur Hormontherapie in den
Wechseljahren haben sich radikal verändert. Aus dem dauerhaften
Östrogen-"Ersatz" mit "Wellness-Faktor", der jahrelang propagiert
wurde, ist eine kurzfristige und gezielte Therapie von
Wechseljahresbeschwerden geworden. Nur wenn Hitzewallungen,
Nachtschweiß oder vaginale Trockenheit das Leben zur Qual machen,
dürfen die Hormone eingenommen werden. Dann jedoch sind sie nach wie
vor die "wirksamste derzeit verfügbare Therapie", wie der Hormonexperte
Prof. Hendrik Lehnert von der Universität Magdeburg in der DMW Deutsche
Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005)
betont.

In einer Übersicht fasst Prof. Lehnert die stürmischen
Studienergebnisse der letzten Jahre zusammen, die zum Ende einer "Ära"
führten: In den 1990er-Jahren waren den Östrogenen immer mehr günstige
Wirkungen nachgesagt worden. Die Hormone sollten nicht nur die
Wechseljahre erträglicher machen. Auch Herzkreislauferkrankungen würden
verhindert und der Knochenabbau im Alter (Osteoporose) gestoppt,
versprachen die Ärzte ihren Patientinnen, wenn sie die Hormone über
viele Jahre einnahmen. Doch dann zeigte die Women´s Health Initiative
(WHI), dass die Risiken größer waren als die Schutzwirkung.

Schon vor der WHI habe es Hinweise auf das Gefahrenpotenzial der
Östrogene gegeben, erinnert sich Prof. Lehnert. Dazu gehöre das erhöhte
Brustkrebsrisiko und die Gefahr von Thrombosen und Lungenembolien.
Einzig die erhöhte Zahl von Schlaganfällen und – bei der Kombination
mit Gestagenen – von Herzkreislauferkrankungen sei auch für Experten
überraschend gewesen.

Heute müssen vor der Therapie die Vorteile und Risiken sehr sorgfältig
abgewogen werden. Lehnert empfiehlt eine halbjährige Nutzen- und
Risikoabwägung bei allen Frauen, die wegen starker
Wechseljahresbeschwerden eine Behandlung wünschen. Die Therapie sollte
mit einer geringen Dosis "einschleichend" begonnen werden und so kurz
wie möglich dauern. Frauen mit Herzkreislauferkrankungen oder früheren
Thrombosen dürfen Östrogene nicht anwenden.

Trotz der Risiken ist Prof. Lehnert überzeugt: Wenn die Bedingungen
genau beachtet werden, haben die Frauen einen Nutzen von der
Behandlung, der sich auch in einer Steigerung der "qualitätsangepassten
Lebenserwartung" äußert. Mit diesem Begriff umschreiben Mediziner die
Tatsache, dass Jahre in einem guten Gesundheitszustand die Risiken
einer Therapie unter Umständen aufwiegen.

D. Heutling, H. Lehnert:

Hormontherapie und Menopause

Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (13): 829-834