(Fraunhofer) – Der Schiffsverkehr gehört zu den am schnellsten wachsenden Quellen für Treibhausgase. Schiffsbauer und Betreiber suchen nach umweltfreundlichen, alternativen Antrieben. Fraunhofer-Forschende haben gemeinsam mit Partnern das Antriebskonzept »HyMethShip« entwickelt, bei dem Wasserstoff aus Methanol gewonnen wird. Die Technik benötigt keine großen Wasserstofftanks an Bord und ist daher deutlich sicherer. In Zukunft könnte sie auch für Kreuzfahrtschiffe interessant sein.
Nach Angaben der europäischen Umweltagentur sind maritime Transporte für gut drei Prozent der gesamten CO2-Emissionen der Europäischen Union verantwortlich. Allein 2019 waren es mehr als 144 Millionen Tonnen CO2. Das klingt nicht nach besonders viel. Doch durch den starken Anstieg des Handelsvolumens gehört der Schiffsverkehr seit vielen Jahren zu den am schnellsten wachsenden Quellen von Treibhausgasemissionen. Schiffsbauer und -betreiber weltweit sind daher auf der Suche nach umweltfreundlichen Alternativen zu den klassischen Schiffsmotoren, die mit Schweröl oder Diesel arbeiten. Dabei gerät auch grüner Wasserstoff als saubere Energiequelle immer mehr in den Fokus. Allerdings bringt das Mitführen großer, schwerer Spezialbehälter auf hoher See, die den Wasserstoff unter Druck speichern, immer auch ein gewisses Risiko mit sich.
Forschende des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS haben nun gemeinsam mit Partnern eine Technologie entwickelt, die Wasserstoff als emissionsfreies Antriebskonzept nutzt und gleichzeitig sehr sicher ist. Das von der EU geförderte Projekt »HyMethShip« verwendet Methanol als flüssigen Wasserstoffträger. Das Konzept sieht vor, am Hafen Methanol zu tanken. An Bord wird aus dem Methanol durch Dampfreformierung Wasserstoff für den Schiffsantrieb gewonnen. »Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Schiffsantrieb ist nahezu vollkommen emissionsfrei, zugleich benötigt man keine großen und potenziell gefährlichen Wasserstofftanks«, erklärt Dr. Benjamin Jäger von der Abteilung Katalyse und Materialsynthese am Fraunhofer IKTS.
Methanol tanken, Wasserstoff verbrennen
Technisches Herzstück des Systems ist der Reaktor. Dabei wird das Methanol zunächst mit Wasser gemischt, durch Wärme verdampft und in den vorgeheizten Reaktor eingespeist. Dort wird die Methanol-Wasser-Mischung zu Wasserstoff und CO2 umgesetzt. Bei der Abtrennung des Wasserstoffs und dem Reaktorengineering kann das Fraunhofer IKTS seine langjährige Erfahrung in der Membranverfahrenstechnik einsetzen. Die Fraunhofer-Forschenden haben eine mit Kohlenstoff beschichtete Keramikmembran entwickelt. Durch die extrem feinen Poren der Membran entweichen die Wasserstoffmoleküle, während die größeren Kohlenstoffdioxid-Gas-Moleküle zurückgehalten werden. Der Wasserstoff erreicht dabei eine Reinheit von mehr als 90 Prozent. Er wird nun in den Motor geleitet, wo er wie im klassischen Verbrennungsmotor verbrennt und den Motor antreibt. Klimaschädliche Abgase entstehen dabei nicht.
Das im Projekt genutzte Prozesskonzept setzt noch zwei weitere konstruktive Kniffe ein, um das System zu optimieren. Zum einen wird die Abwärme des Motors genutzt, um den Reaktor zu heizen, womit sich die Effizienz des Systems deutlich erhöht. Zum anderen wird das zurückbleibende Kohlenstoffdioxid im Nachgang zum Reaktor wieder verflüssigt und in die leeren Methanoltanks geleitet. Ist das Schiff am Hafen angekommen, wird das CO2 in Tanks geleitet und kann für die neuerliche Methanol-Synthese verwendet werden.
»Methanol ist ein idealer Wasserstoffträger für die Schifffahrt. Die Energiedichte ist doppelt so hoch wie bei verflüssigtem Wasserstoff, deshalb sind die Methanoltanks an Bord auch nur halb so groß. Außerdem ist es gefahrlos zu transportieren. Selbst wenn ein Tank leckt, besteht keine akute Umweltgefahr«, sagt Fraunhofer-IKTS-Experte Jäger.
Eine technische Herausforderung bei der Entwicklung bestand darin, die Keramikmembranen so zu vergrößern, dass sie auch für die nötige Antriebsleistung von Schiffsmotoren infrage kommen. Den Forschenden ist es dabei gelungen, die ursprünglich nur 105 Millimeter lange Membran auf eine Länge von 500 Millimeter zu skalieren. Damit ist bereits eine Motorleistung von bis zu 1 MW erreichbar. Angestrebt werden mittelfristig Antriebe mit 20 MW Leistung und mehr.
Ideal wäre die emissionsfreie Antriebstechnologie beispielsweise für Fähren, die fest zwischen zwei Häfen verkehren und dort jeweils eine Tankstation für Methanol zur Verfügung haben. Die Technologie wäre in Zukunft aber auch für Containerschiffe und Kreuzfahrtschiffe interessant. Eine grüne Kreuzfahrt ohne Treibhausgasemissionen und ohne große Schornsteine, die den Ruß aus der Schwerölverbrennung in die Luft blasen, würde Kreuzfahrten auch für umweltbewusste Passagiere attraktiv machen.
Bei dem von der EU geförderten-Projekt »HyMethShip« arbeitete das Fraunhofer IKTS mit mehreren Partnern zusammen. Die Gesamtkoordination des Projekts übernahm das Large Engines Competence Center (LEC) im österreichischen Graz. Das Startup SES-HyDepot e.U. in Innsbruck betrieb die Small-Scale-Testanlage zur Validierung des verfahrenstechnischen Grundprozesses. Christian Mair, CEO von SES-HyDepot, ist optimistisch: »Der Testbetrieb hat gezeigt, dass die Wasserstoffbereitstellung auf Methanol-Basis realisierbar ist und auch für Schiffe und ihre hohen Leistungsanforderungen mittelfristig eine Perspektive darstellt.«
Die Politik hat im Rahmen der Energiewende und des europäischen Green Deal begonnen, den Druck auf die Branche zu erhöhen. So forderte das EU-Parlament 2020, die Schifffahrtsunternehmen auf, ihre Emissionen deutlich zu reduzieren. Das Projekt »HyMethShip« mit seinem emissionsfreien Wasserstoffantrieb könnte hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
Zudem sind Anwendungen in anderen Branchen möglich. Das Prinzip der Wasserstofferzeugung aus Methanol lässt sich auch für verschiedenste Szenarien in der chemischen Industrie verwenden.