Untergang der Marktwirtschaft? – Corona treibt staatliche Interventionen in ungeahnte Höhen

(Morning Briefing) – Das bösartige Virus greift nicht nur die Atemwege der Menschen an, sondern auch den Denkapparat vieler Politiker. Offenbar hält man den Bürger und auch das Unternehmertum für unfähig, in Eigenverantwortung das Schicksal gestalten zu können. Der Arbeiter soll den Verlust seines Arbeitsplatzes nicht spüren, so wie der Insolvente die Insolvenz nicht. Überall dort, wo der Wind des Wettbewerbs weht, will man schützen und retten und falls das nicht funktioniert, dann will man die Betroffenen zumindest narkotisieren.

Die Erkenntnis, dass der Staat nie mehr leisten kann als die Summe seiner Bürger, scheint in Vergessenheit geraten. Die schlichte Wahrheit, dass am Ende jeder die Hand in der Tasche seines Nachbarn hält, wird auch von bürgerlichen Politikern derzeit ignoriert.

Der moderne Populist ist ein Interventionist, weshalb er den Bürger mit reduzierter Mehrwertsteuer erst zum Einkauf stimuliert, um den Kaufwütigen im Zuge seiner Lockdown-Politik schließlich in die Arme amerikanischer Online-Kaufhäuser zu treiben. Kaum dass dem Retter dieser Irrsinn auffällt, will er eine Online-Steuer kassieren, die er nach Abzug der Bürokratiekosten an den stillgelegten Einzelhändler weiterzuleiten verspricht. Am Ende dieses geldpolitischen Kreisverkehrs, soviel darf schon verraten werden, steht eine Steuererhöhung oder die bewusste Inflationierung unserer Währung – oder beides.

Ludwig Erhard war womöglich der letzte konservative Politiker, der die Fragwürdigkeit einer derartigen Politik durchdrungen hatte. In „Wohlstand für alle” heißt es:

Ich bin in der letzten Zeit allenthalben erschrocken, wie übermächtig der Ruf nach kollektiver Sicherheit erschallte. Wo aber sollen wir hinkommen, und wie wollen wir den Fortschritt aufrechterhalten, wenn wir uns immer immer mehr in eine Form des Zusammenlebens von Menschen begeben, in der niemand mehr die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen bereit ist und schließlich jeder die Hand in der Tasche des anderen hat. “

Ludwig Erhard hatte als Wirtschaftsminister und später als Kanzler keine Pandemie zu bekämpfen, wohl aber die ökonomischen und sozialen Folgen eines Weltkrieges. Hitler hatte stärker gewütet als COVID19. Erhards Frage von damals ist daher heute nicht minder aktuell:

Haben sich die Verfechter solcher Thesen denn wirklich einmal überlegt, woher der Staat die Kraft und die Mittel nehmen könnte, solchen im Einzelnen vielleicht sogar berechtigten Forderungen zu entsprechen? “

Der Retterstaat ignoriert sehr bewusst den Impuls des Marktes, zum Beispiel den Impuls der Beschäftigten von Tui und ThyssenKrupp, sich nach einem zukunftsfesteren Arbeitsplatz umzuschauen. Oder die Botschaft an den stationären Einzelhandel, sich selbst zu digitalisieren. Oder den Hinweis an die vielen Insolventen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. So wie überhaupt der Generalimpuls an die Gesellschaft unterdrückt wird, die abgegrasten Wiesen der Industriegesellschaft 1.0 zu verlassen und sich – vermittelt durch Weiterbildung und Tarifverträge, die diese fördern – auf die höheren Weiden der Industrie 4.0 zu begeben.

Doch diese Lehren, die man aus der Pandemie eben auch ziehen kann, will in Berlin keiner ziehen. Die Marktwirtschaft wird nicht erneuert, sie wird verformt.

1. Die Strafsteuer für den Onlinehandel ist derart innovationsfeindlich, dass selbst die Lobbyorganisation der Einzelhändler dagegen ist. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands, ist zu schlau, als dass er auf diesen Trick der Klientelpolitik noch reinfällt:

Das wäre ein Bärendienst gegenüber dem Drittel der stationären Händler, die sich ein Online-Standbein aufgebaut haben. “

2. Selbst Firmen, die nach allen Regeln der Marktwirtschaft schachmatt gesetzt wurden, müssen keine Insolvenz mehr fürchten. Die große Koalition hat damit die Zombiefizierung der Volkswirtschaft beschlossen. DIHK-Präsident Eric Schweitzer weiß, was das mittelfristig bedeutet:

Die Antragspflicht hat eine ganz wichtige Funktion als Signal für Überschuldung oder gar Zahlungsunfähigkeit, die wir nicht aufgeben dürfen. Ansonsten droht immer häufiger Vorkasse, Lieferketten könnten reißen und das wechselseitige Vertrauen schwindet. “

3. Was als Übergangsfinanzierung für in Not geratene Betriebe gedacht war, die Kurzarbeit, ist laut Schätzungen des ifo-Instituts zu einer Langzeitfinanzierung für mittlerweile rund zwei Millionen Arbeitnehmer geworden. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit rund 19 Milliarden Euro Kosten allein für das Jahr 2020. Die Folge: In den Reisebüros und am Hochofen drehen die Menschen Däumchen, in der EDV fehlen Systemadministratoren und Programmierer. Es kommt zu millionenfacher Fehlallokation menschlicher Arbeitskraft.

Fazit: China und die USA werden nach den Prognosen des ifo-Präsidenten Clemens Fuest digitaler, vitaler und wohlhabender aus dieser Krise hervorgehen. In Europa dagegen setzt sich der relative Abstieg fort. Oder anders ausgedrückt: Die Rettungspolitik rettet nicht. Sie verschärft die deutsche Krankheit.