Pneumokokken – Für wen die Impfung sinnvoll ist – Mit einer Einführung von jean Pütz

Schon vor drei Jahren habe ich mich gegen diesen Erreger der Lungentzündung (Pneumokokken) impfen lassen und bin dadurch weitgehend aus der Risikogruppe Corona-Viren rausgerutscht. Gleichzeitig aber auch dadurch, dass ich nicht adipös geworden bin. Fettleibige Menschen sind besonders gefährdet, was die Todesfolge anbelangt

Jean Pütz

(Stiftung Warentest) – Eine Impfung gegen das Coronavirus gibt es noch nicht. Das Bundesgesundheitsministerium hat aber Senioren empfohlen, sich gegen Pneumokokken impfen zu lassen. Aktuell berichten Behörden von Versorgungsengpässen bei Pneumokokken-Impfstoffen. Um die Ressourcen bestmöglich zu nutzen, raten die Impfexperten der Stiftung Warentest derzeit vorrangig Senioren mit Erkrankungen der Atmungsorgane, des Herzkreislaufsystems oder Diabetes sowie Menschen mit Immunschwäche und kleinen Kinder bis 2 Jahre zur Impfung.

Der Impfstoff Prevenar ist derzeit laut Behördenangaben nur begrenzt verfügbar, der Impfstoff Pneumovax voraussichtlich Anfang Mai 2020 wieder vom Hersteller lieferbar. Bereits im April seien Pneumovax-Chargen aus Japan importiert worden. Wegen der Engpässe hat die Ständige Impfkommission (Stiko) Hinweise veröffentlicht, wer vorrangig geimpft werden sollte. Auch die Experten der Stiftung Warentest haben sich aktuell mit dem Thema beschäftigt. Grundsätzlich ist der Nutzen bei kleinen Kindern demnach am besten belegt. Die Pneumokokken-Impfung für sie stufen die Experten daher als sinnvoll ein; die Impfung anderer Risikogruppen als voraussichtlich sinnvoll. Oberste Priorität für Senioren und chronisch Kranke habe im Moment die „Kontaktreduzierung“, betont das Robert-Koch-Institut – etwa, indem man zu Hause bleibe. Wer sich zusätzlich etwa beim Hausarzt impfen lassen möchte, kann sich vor der Terminvereinbarung auf der Website des Paul-Ehrlich-Instituts informieren, ob der Impfstoff grundsätzlich verfügbar ist (pei.de, Rubrik „Lieferengpässe von Impfstoffen“).

Pneumokokken? Noch vor ein paar Monaten kannte wohl kaum jemand diese Erreger. Das hat sich seit Beginn der Corona-Krise geändert. Im Zuge steigender Infektions­raten hatten Behörden, darunter das Bundes­gesund­heits­ministerium, Senioren aufgerufen, sich gegen Pneumokokken impfen zu lassen. Das biete zusätzlichen Schutz. Viele Menschen folgten dem Rat; schnell über­stieg die Nach­frage das Angebot. Auch kurz vor Redak­tions­schluss Mitte April 2020 war der Impf­stoff Prevenar laut Behörden­angaben „begrenzt verfügbar“. Ein anderer namens Pneumovax sei „voraus­sicht­lich Anfang Mai wieder liefer­bar“, wobei bereits im April Chargen aus Japan einge­führt worden seien.

„Unerwartet stark gestiegene Nach­frage“
Der Pneumovax-Hersteller, das Unternehmen MSD, erklärte die Engpässe gegen­über test mit „unerwartet stark gestiegener Nach­frage“ – welt­weit. Wegen der komplexen biotechnologischen Herstellung lasse sich Impf­stoff nicht kurz­fristig nach­produzieren.

Welche Personen­gruppen sollten vorrangig geimpft werden?
Das sagt die Stiko. Um die Ressourcen best­möglich zu nutzen, hat die Ständige Impf­kommis­sion (Stiko) aktuelle Hinweise veröffent­licht, wer vorrangig geimpft werden sollte (ebenfalls Stand Mitte April):

  • Babys und Klein­kinder bis 2 Jahre,
  • Personen mit Immun­schwäche oder chro­nischen Atemwegs­erkrankungen,
  • Senioren ab 70 Jahre.

Das sagen die Impf-Experten der Stiftung Warentest. Unsere Experten fassen ihre Empfehlung für die Zeit der wegen Covid-19 knappen Impf­stoffe sogar noch enger und beziehen nicht alle Älteren mit ein: „In der derzeitigen Situation ist zu erwarten, dass vor allem Senioren mit Krankheiten, etwa Diabetes, chro­nischen Lungen- oder Herz-Kreis­lauf-Erkrankungen, sowie Menschen mit Immun­schwäche und kleine Kinder von der Pneumokokken-Impfung profitieren“, sagt Dr. Judith Günther, Fach­apothekerin für Arznei­mittel­information und Mitglied unseres Expertenkreises zum Thema Impfen. „Die Impfung schützt Risiko­gruppen zwar nicht vor den Coronaviren selbst, aber möglicher­weise vor zusätzlichen Lungen­entzündungen durch Pneumokokken, die den Krank­heits­verlauf erschweren können.“

Nutzen bei kleinen Kindern am besten belegt
Grund­sätzlich sei der Nutzen bei kleinen Kindern am besten belegt. Die Pneumokokken-Impfung für sie stufen unsere Experten daher als sinn­voll ein; die Impfung anderer Risiko­gruppen als voraus­sicht­lich sinn­voll (siehe Tabelle unten). Die allgemeine Einschät­zung zur Pneumokokken-Impfung haben wir Ende 2018 veröffent­licht; wegen der aktuellen Situation haben unsere Experten sich nochmals mit dem Thema beschäftigt.

Für wen die Impfung gegen Pneumokokken sinn­voll ist
Die Tabelle zeigt die Einschät­zung der Stiftung Warentest zur Impfung von Personen­gruppen, die durch eine Infektion mit Pneumokokken gefährdet sind.

Wann die Keime riskant sind
Pneumokokken sind Bakterien und werden per Tröpf­chen­infektion über­tragen, etwa beim Husten oder Niesen. Sie siedeln sich bei vielen Menschen im Nasen-Rachen-Raum an, meist ohne sie krank zu machen. Ist das Immun­system aber geschwächt, können sie etwa Blut­vergiftungen, Entzündungen des Mittel­ohrs oder der Hirnhaut verursachen – und vergleichs­weise häufig Lungen­entzündungen. Zur Behand­lung dienen Antibiotika, die aber nicht immer ausreichend wirken.

Wem die Kasse die Impfung zahlt
Für alle, denen die Ständige Impf­kommis­sion die Pneumokokken-Impfung empfiehlt, tragen Krankenkassen die Kosten: Kinder bis zwei Jahre, Patienten mit bestimmten chro­nischen Krankheiten, Ältere ab 60. Das gilt auch in der aktuellen Zeit der Liefer­engpässe, für die die Stiko enger gefasste Hinweise zum Impfen gibt.

Auf den Impf­stoff kommt es an
Es gibt zwei Impf­stoff­typen: Poly­saccharid aus den Zuckern der Bakterienhülle sowie Konjugat – bei ihm sind die Poly­saccharide an ein Eiweiß­molekül gebunden. Da Poly­saccharid-Impf­stoffe bei Kindern bis zwei Jahre nicht ausreichend wirken, sind für sie zwei Konjugat-Impf­stoffe zugelassen: Prevenar schützt vor 13 verschiedenen Unterformen der Pneumokokken, Synflorix nur vor 10. Wir empfehlen nach Möglich­keit Prevenar. Senioren und Risikopatienten bekommen in der Regel Pneumovax. Das ist ein Poly­saccharid-Impf­stoff, der 23 Erregertypen umfasst.

Komplikationen sind selten
Komplikationen durch die Impfung sind sehr selten. Es kann zu Neben­wirkungen kommen, die aber meist inner­halb weniger Tage vergehen: Oft rötet sich die Einstich­stelle, schwillt an oder schmerzt. Auch allgemeine Krank­heits­zeichen wie Fieber treten möglicher­weise auf.

Der richtige Zeit­punkt für den Pikser
Pneumokokken-Erkrankungen haben vor allem in den kalten Monaten Saison. Daher werden Erwachsene häufig im Herbst geimpft, etwa parallel mit der Grippeimpfung. Alle sechs Jahre kann eine Auffrischung sinn­voll sein – am besten mit dem Arzt besprechen. Impf­stoffe für kleine Kinder werden dreimalig in bestimmten Lebens­monaten gespritzt, zum ersten Mal möglichst mit zwei Monaten. Auch das kann zeitgleich mit einem anderen Piks wie der Sechs­fach­impfung erfolgen.

Tipp: Oberste Priorität für Senioren und chro­nisch Kranke habe zu Corona-Zeiten die „Kontakt­reduzierung“, schreibt das Robert-Koch-Institut – etwa indem sie zu Hause bleiben. Das schützt vor Covid-19 ebenso wie vor der Über­tragung anderer Infektionen wie Pneumokokken.