10 Jahre Antarktisstation – sehr wichtig für die Klimaforschung

10 Jahre Neumayer-Station III

Wissenschaft und Politik betonen Bedeutung der deutschen Antarktisforschung

Die Antarktis ist ein eisiger, nur von Forschenden bewohnter Kontinent
jenseits des Südpolarkreises. Hier betreibt das Alfred-Wegener-Institut,
Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) unter extremen
Bedingungen eine Forschungsstation, in der ganzjährig Menschen leben und
arbeiten. Seit 2009 dient die Neumayer-Station III auf dem
Ekström-Schelfeis an der Küste des östlichen Weddellmeeres als Basis für
die deutsche Antarktisforschung. In diesen Tagen feiert die
Stationscrew zusammen mit einer Delegation aus Wissenschaft und Politik
das zehnjährige Jubiläum.

Extreme Kälte, tobende Stürme und eine scheinbar endlose Polarnacht. Die
Antarktis zählt zu den faszinierendsten Lebensräumen der Welt.
Gleichzeitig bestimmt sie maßgeblich unser Klima. Seit zehn Jahren
ermöglicht die Neumayer-Station III deutsche und internationale
Forschungsprojekte in der Antarktis. Nur wenige Kilometer entfernt von
den beiden Vorgängerstationen wurde sie über zwei Sommersaisons
errichtet und Anfang 2009 fertiggestellt. In einer Region, die selbst
nach antarktischen Verhältnissen noch als dünn besiedelt gilt, führen
die Observatorien an der Neumayer-Station III einzigartige Messreihen
fort, die bis in die 1980er Jahre zurückgehen. Gleichzeitig kommen Jahr
für Jahr neue Forschungsfragen hinzu. Dabei dient die Station auch als
Ausgangspunkt für Expeditionen ins antarktische Hinterland, auf denen
unter anderem Raupenkettenfahrzeuge und Polarforschungsflugzeuge des AWI
zum Einsatz kommen.

„Der antarktische Kontinent trägt die größten Eismassen der Erde, das
Südpolarmeer nimmt erhebliche Mengen von CO2 und Wärme auf, daher ist
die Forschung in dieser Region von elementarer Bedeutung. Um die
globalen Veränderungen zu verstehen, sammeln wir an der Neumayer-Station
III Daten über lange Zeiträume – von minutengenauen Wetterbeobachtungen
bis hin zur Erforschung der Klimageschichte anhand von Eisbohrkernen.
Zudem unterstützen wir Beobachtungen der antarktischen Lebensvielfalt,
von Pinguinkolonien bis zu den Kaltwasserkorallen unter dem dicken
Schelfeis“, betont AWI-Direktorin Antje Boetius.

Im Meteorologie-Observatorium der Station werden zum Beispiel regelmäßig
Sonden an einem Wetterballon gestartet, um Temperatur, Luftfeuchte,
Luftdruck, Wind und die Verteilung von Ozon in der Atmosphäre zu messen.
Weitere Schwerpunkte bilden Forschungen zur Luftchemie, zum Magnetfeld
der Erde, zum Meereis und zu einer Kolonie von Kaiserpinguinen. Seit
2017 wird an der Neumayer-Station III unter Projektleitung des Deutschen
Zentrums für Luft- und Raumfahrt das Gewächshaus EDEN-ISS getestet. Es
soll neue Wege bereiten, um Nutzpflanzen auch im All und in klimatisch
ungünstigen Regionen anbauen zu können. So gab es diesen Winter erstmals
regelmäßig frischen Salat für das Überwinterungsteam. Außerdem betreibt
die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hier eine von
weltweit 60 Infraschallstationen, die einen Beitrag zur Kontrolle des
Kernwaffenteststopp-Vertrags bildet. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist
ebenfalls an der Neumayer-Station angesiedelt und ermöglicht mit seinen
Vorhersagen sicheres Arbeiten auch außerhalb der Station. Darüber
hinaus berät der DWD im Dronning Maud Land genannten Teil der Antarktis
internationale Partner beispielsweise aus Russland, Norwegen und
Südafrika mit Flugwettervorhersagen.

Derzeit führt eine vierzehnköpfige Delegation unter der Leitung des
Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und
Forschung, Dr. Michael Meister, eine Inspektionsreise zur
Neumayer-Station III durch.

„Von der Notwendigkeit und der Relevanz der Polarforschung für uns alle
können wir uns in diesen Tagen persönlich überzeugen. Wir brauchen
vertiefte Kenntnisse über polare Prozesse, um das globale Klima und
seine Veränderungen besser zu verstehen und Handlungsempfehlungen daraus
abzuleiten. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eine wesentliche
Voraussetzung für nachhaltige politische Entscheidungen. Ich danke
allen Expertinnen und Experten aus Forschung, Technik und Logistik für
ihren Einsatz unter diesen unwirtlichen Bedingungen“, betont der
Parlamentarische Staatssekretär Meister.

„Helmholtz leistet mit seinen interdisziplinär ausgerichteten Zentren
und seinen beeindruckenden Forschungsinfrastrukturen wichtige Beiträge
zur Lösung großer Herausforderungen unserer Zeit“, sagt Otmar D.
Wiestler, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. „Die langfristige
Forschung der Neumayer-Station III in der Antarktis ist ein
eindrucksvolles Beispiel dafür. Von den einmaligen Möglichkeiten, die
diese Station bietet, profitieren zahlreiche wissenschaftliche
Disziplinen, etwa die Wetter- und Klimaforschung, die Weltraumforschung,
Biologie, Geologie und viele weitere. Sie alle tragen letztlich dazu
bei, unsere Lebensgrundlagen zu schützen oder zu verbessern. Ich freue
mich, die Arbeit auf dieser außerordentlichen Forschungsstation jetzt
persönlich erleben zu können.“

Hintergrund Neumayer-Station:

Seit 1981 betreibt das AWI ganzjährig eine Forschungsstation in der
Antarktis. Benannt nach dem deutschen Polarforscher Georg von Neumayer
wurde 1981 die Georg-von-Neumayer-Station in Betrieb genommen. 1992
wurde sie durch die Neumayer-Station ersetzt, die wie ihre
Vorgängerstation eine Röhrenkonstruktion war. Die jetzige
Neumayer-Station III ist die größte und komfortabelste Station in der
Geschichte der deutschen Antarktisforschung. In den Sommermonaten finden
hier rund 50 Personen Platz. Die Überwinterungsteams setzen sich in der
Regel aus neun Personen zusammen. Im Gegensatz zu den meisten anderen
Forschungsstationen in der Antarktis beherbergt sie so gut wie alle
Arbeitsflächen, Aufenthaltsräume und Vorräte zentral unter einem Dach.
Sowohl beim Bau als auch beim Betrieb wurden höchste
Umweltschutz-Standards berücksichtigt. Die erzeugte Energie bleibt
soweit wie möglich in einem geschlossenen System und wird somit optimal
genutzt. Wenn die Station ihr vorgesehenes Alter erreicht hat, kann sie
zudem bis auf die letzte Schraube rückgebaut werden, sodass die Spuren
der Forschung in dieser schützenswerten Region so gering wie möglich
bleiben.

Die Lage verlangt dem Bauwerk allerdings harte Bedingungen ab. Rund 40
Zentimeter schiebt sich das Schelfeis jeden Tag in Richtung Küste und
gibt damit ein natürliches Verfallsdatum vor. So wird auch der
Untergrund, auf dem die Station steht, in der Zukunft als Eisberg
abbrechen – bei gleichbleibender Fließgeschwindigkeit des Eises dauert
dies aber noch über 100 Jahre. Außerdem müssen Gebäude in der Antarktis
einen endlosen Zutrag an Schnee aushalten. Die Neumayer-Station III
passt sich in dieser Hinsicht jedoch optimal ihrer Umgebung an. Im
Gegensatz zu den beiden Vorgängerstationen droht sie nicht, im Laufe der
Zeit von den Schneemassen zerdrückt zu werden. Stattdessen wird die
Station von 16 hydraulischen Stützen getragen. Regelmäßig heben
Techniker damit das gesamte Gebäude an. So wächst es mit der Schneedecke
und die Plattform liegt immer circa sechs Meter über dem Eis. Diese
ausgefeilte Technik beschert der Station eine deutlich längere
Lebenszeit als die beiden Vorgänger – mindestens bis 2035 soll sie noch
im Einsatz bleiben.