10.03.2020 Quacksalberei aus dem Mittelalter in die Neuzeit gerettet ?

Dass auch in einer Epoche, in der Wissenschaft und Technik unser Leben bestimmt und die Prosperität der Wirtschaft ausschließlich darauf aufbaut, heißt nicht, dass mit Quacksalberei noch viel Geld verdient werden kann. Dazu beispielhaft die folgende Meldung, die eine Agentur mir hat zukommen lassen, welche sich eigentlich der seriösen Wissenschaft verpflichtet hat. Es geht um einen Streit zwischen einer dubiosen Firma mit Namen ‚Neutrino Energy‘ und dem ZDF. Die Firma will unwissenden Bürgern weiß machen, man könnte mit den Milliarden von Neutrinos, die die Sonne sekündlich auf die Erde schickt, die Energieprobleme der Welt in Zukunft lösen.

Sie beschwert sich beim ZDF, dass Professor Harald Lesch in einer Sendung vor dem Kauf solcher Anteilscheine gewarnt hat. Immerhin wollte ‚Neutrino Energy‘ mit dieser Behauptung Millionen von Euro durch Verkauf dieser Anteilscheine einsammeln.

Ich stehe 100%ig zur These von Professor Lesch, inkl. der Warnung zur Kaufempfehlung der Anteile an einer dubiosen Stiftung. Hier wörtlich: „das Vorhaben, die Neutrino-Weltraumstrahlung zur Stromerzeugung zu nutzen, sei „abenteuerlich“ und „blödsinnig“, wer daran glaube, sei „nicht mehr zu retten“.

Ich persönlich habe mit Kollegen der Wissenschaftspressekonferenz (WPK.org) vor ca. 10 Jahren die bedeutendste Forschungsstätte  für Neutrinos in Europa – wenn nicht gar der ganzen Welt – in Italien besucht, im Gran Sasso-Gebirge des Apennin. Von Pescara nach Rom verläuft eine Autobahn, die den Gran Sasso mit einem langen Tunnel unterquert. Dieses Gebirge besteht vorwiegend aus Granit, mitten im Tunnel gibt es eine Abzweigung in ein Forschungsinstitut. Die Wissenschaftler nutzen dort die darüberliegenden 2.000 Meter Granitschichten  aus, um nur die Neutrinos einzufangen, die aus dem Weltraum, von der Sonne ausgehend, die Erde durchqueren. Sie schließen damit die auf irdische Radioaktivität zurückzuführenden Neutrinos aus.

Zur Erkenntnis: Ein Neutrino hat nur eine ganz minimale Masse, ähnlich wie die eines Elektrons. Weil es keine elektrische Ladung besitzt, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass es beim Durchqueren unserer Erde mit irgendeinem Atomkern kollidiert. Die Konsequenz: Die Bewegungs-Energie, die es beim Eintritt in die Erdoberfläche besitzt, bleibt nach dem Durchlauf der Erdkruste, dem flüssigen Magma und wieder Austritt, völlig erhalten. Das sind immerhin fast 13.000 km der Materie unseres Globus. Nichts von seiner kinetischen Energie hat es verloren.  Das liegt daran, dass der Zwischenraum zwischen Atomkern und Elektronenhülle enorm groß ist. Wenn man die gesamte Masse der Erde so zusammenpressen könnte, dass die Zwischenräume verschwinden, würde die Erde räumlich in einer Kaffeetasse verschwinden – oder anders gesagt – wenn man sich den Atomkern in der Größe eines kleinen Kirschkerns vorstellen würde, liegt die äußere Elektronenhülle, dass ist das, was wir rundherum mit unseren Sinnen ertasten oder sehen können, etwa 2 km vom Kirschkern entfernt. Dazwischen ist das Nichts.

Nun besteht bei der Forschung das Problem, überhaupt eines der Abermilliarden von Neutrinos, die vom Weltall auf uns eindringen, zu identifizieren. Dazu gibt es großflächige Wannen, gefüllt mit flüssigem Stickstoff. Teilweise müssen die Forscher wochenlang warten, um die Spur eines zufällig mit dem Stickstoff-Atomkern kollidierenden Neutrinos zu finden bzw. fotografieren zu können. Daraus lassen sich dann Rückschlüsse auf die Eigenschaft des Neutrinos schließen.

Nun glaubt Dr. Günther Krause, ehemaliger Staatssekretär beim letzten Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, und nach deren Auflösung Minister für besondere Aufgaben und später Verkehrsminister der neuen Bundesrepublik in Bonn, mit den Neutrinos eine großartige Entdeckung gemacht zu haben. Kurzsichtig wie er ist, und wissend, dass die Neutrinos enorme kinetische Energie besitzen, will er diese für irdische Zwecke nutzen. Dabei vergisst er völlig, wie schwierig es ist, diese einzufangen.

  1. Wie will er das bewerkstelligen, denn die sind ja fast 100%ig durchdringend, wie das Experiment der italienischen Teilchen-Forscher im Gran Sasso beweist.
  2. Aber ihm geht es sicher nicht darum, dieses zu belegen, sondern er möchte damit viel Geld verdienen. Insofern stimme ich nicht nur Professor Harald Lesch, sondern allen Physikern bei, die das als Betrug identifizieren.

Dass solche Fakenews sogar in der Wissenschaft und Technik Raum greifen können, obwohl die gesamte Science-Community der Physiker dagegenspricht, ist bezeichnet für unser ‚postfaktisches‘ Zeitalter. Mag sein, dass Sie sich über die Unverfrorenheit, wie sich diese Investorengruppe mit dem ZDF umgeht, gewundert haben. Das erinnert mich sehr stark auch an die Vorschläge für ein Perpetuum mobile, das Mittelalter lässt grüßen. Dass das ZDF auf einen solchen Blödsinn sogar noch – entgegen den Behauptungen – geantwortet hat, ist verwunderlich. Es ist Aufgabe des ZDF, ihre Zuschauer zu warnen, solche später total wertlose Anteilscheine zu zeichnen. Dass überhaupt Geld eingesammelt werden konnte, zeugt davon, dass die Schwarmintelligenz der Deutschen, was naturwissenschaftliche Grundkenntnisse anbelangt, nicht besonders groß ist. Die Idee grenzt jedenfalls an die Quacksalberei des Mittelalters.

Ihr Jean Pütz

Hier die Meldung, und das Video:

(pts) – Ein Filmbeitrag über Neutrinos im ZDF-Wissenschaftsmagazin Terra X von Harald Lesch sorgt anhaltend für Ärger. Lesch hatte sich manipulativ und interessensgeleitet über Geschäftsmodelle mit kosmischer Strahlung geäußert.

Das siebenminütige Video stammt vom 16. Oktober 2019. Darin hatte Lesch behauptet, das Vorhaben, die Neutrino-Weltraumstrahlung zur Stromerzeugung zu nutzen, sei „abenteuerlich“ und „blödsinnig“. Wer daran glaube, sei „nicht mehr zu retten“. Damit gab Lesch allerdings eine Kaufempfehlung ab, indem er vom Kauf abriet, was ihm juristisch nicht zusteht.

Leschs Ansicht wird von Prof. Dr. Günther Krause, dem stellvertretenden Vorsitzenden im Wissenschaftlichen Beirat der Neutrino-Gruppe, zerpflückt. „Herr Professor Lesch gehört zu einer Mehrheit der Physiker, die noch bis vor fünf Jahren die Neutrinos als masselose Geisterteilchen umschrieben haben“, erklärte Krause. Nur wenige Physiker seien anderer Meinung gewesen, nämlich dass Neutrinos die Masseeigenschaft besäßen.

„Wie so oft in der Wissenschaft hat sich durch genauere Messverfahren seit Oktober 2015 auch in Leschs Kosmos eine Meinungsänderung durchgesetzt. Doch von ‚keiner Masse‘ zu einer ‚viel zu kleinen Masse‘ war es ein weiter Weg!“ Ein weiter Weg der Erkenntnis, der ohne die beiden Physiknobelpreisträger von 2015, die die Masseeigenschaft der Neutrinos nachweisen konnten, wohl nicht gegangen worden wäre.

Kritische Nachfragen von Journalisten an die Redaktion des ZDF wurden nicht beantwortet, Kommentare im Netz gelöscht, die Mailadresse des Fachjournalisten Nico Wolf, der in seinen Recherchen um eine Stellungnahme angefragt hatte, auf den Sperrindex gesetzt.

Auf Kritik und Beschwerden seitens der Neutrino Energy Group über den Beitrag antwortete für das ZDF Christiane Götz-Sobel, Leiterin der Redaktion Naturwissenschaft und Technik. Erwartungsgemäß schrieb sie, das Video habe die Frage „Neutrinos als unendliche Energiequelle“ korrekt behandelt.

Dazu warf Holger Thorsten Schubart, CEO der Neutrino Energy Group, der ZDF-Redaktion vor, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. In einer Erklärung nahm Schubart Stellung: „Es ist unglaublich, wie sich das ZDF um Tatsachen windet und völlig verkennt, dass Herr Lesch eben nicht nur wissenschaftlich von Neutrinos gesprochen, sondern sich zu Geschäftsmodellen geäußert hat. Er hat sich zu Neutrino Energie, zu Patenten und Beteiligungen manipulativ und offenbar interessensgeleitet geäußert und die ergebnisoffene Zukunft gleich mal mitbewertet.“

Lesch hätte, so Schubart, zu keinem Zeitpunkt irgendeine Kaufempfehlung abgeben dürfen. „Unsere Juristen sehen den Beitrag diesbezüglich als bewusste Manipulation der Öffentlichkeit“, betonte Schubart. „Ich persönlich denke, dass das ZDF instrumentalisiert wurde.“ Eine derartige Verunglimpfung und Wertung ergebnisoffener Forschungen eines so wichtigen Themas bei einem öffentlich-rechtlichen Sender sei nicht hinzunehmen. Schubart bot an, Journalisten einen Einblick in den vertraulichen Bereich von Forschung und Nachweisen zu gewähren. Von diesem Rechercheangebot machte die ZDF-Redaktion jedoch keinen Gebrauch. „Wenn das ZDF an einer ernsthaften und wahrheitsgemäßen Darstellung eines sehr wichtigen Wissenschaftsfeldes interessiert ist, stehen wir gerne für umfassende Gespräche zur Verfügung“, bekräftigte Schubart.

„In der Polemik des Vortrages von Herrn Lesch geht es genau betrachtet nicht um ’neutrale‘ wissenschaftliche Aufklärung oder den momentanen Wissensstand von Herrn Lesch. Vielmehr wird aus einem wissenschaftlichen Beitrag plötzlich eine Diffamierung und Verleumdung, eben diese ’negative Kaufempfehlung für die Börse‘, was ganz klar eine juristisch relevante schwere Marktmanipulation darstellt“, so Schubert weiter.

In dem Zusammenhang wies Professor Günther Krause darauf hin, dass demnächst das erste Kleinstkraftwerk fertiggestellt sein werde. Unter seiner Leitung sei mit dem Bau eines Automaten zur Beschichtung von metallischen Trägern begonnen worden, „sodass in relativ kurzer Zeit davon ausgegangen werden kann, dass erste Kleinstkraftwerke bis zirka fünf Kilowattstunden als Wechselstromanlagen beziehungsweise als 24/48-Volt-Gleichstromanlagen zur Verfügung stehen“.

Im eigenen Land habe der Prophet noch nie viel getaugt, so Krause. „Aber die Anerkennung beispielsweise der Akademie der Wissenschaften Russlands für die von uns im Labor abgeschlossenen Entwicklungen oder auch der Volksrepublik China sollten eigentlich auch in Leschs Kosmos vorgedrungen sein. Verschiedene Wissenschaftler zum Beispiel im US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben das Patent inzwischen nachgebaut und bestätigen die Energieproduktion als ‚Umwandlung gemäß Energieerhaltungssatz‘.“

Die Neutrinovoltaic als Ergänzung von Wind und Sonne werde auch durch Leschs Kosmos nicht mehr aufzuhalten sein, resümierte Krause. Zukunftsfragen und deren Lösungsansätze sollten wissenschaftlich nie von vornherein ausgeschlossen werden. Insofern habe Harald Lesch noch einen weiten Weg fortzusetzen.