Bei Vorhofflimmern: Marcumar und Co. senken Schlaganfall- und Demenzrisiko
Früh einsetzende Therapie erhält kognitive Leistungsfähigkeit
30. November 2017 – Menschen
mit Vorhofflimmern entwickeln seltener eine Demenz, wenn sie
gerinnungshemmende Medikamente einnehmen. Dies zeigt eine schwedische
Studie mit fast einer halben Million Patienten. Vorhofflimmern ist eine
der häufigsten Herzrhythmusstörungen – rund 1,8 Millionen Menschen in
Deutschland sind davon betroffen. Diese Patienten haben ein erhöhtes
Risiko für Schlaganfall oder Demenz. Eine frühzeitige Behandlung mit
oralen Antikoagulanzien, wozu beispielsweise in Deutschland das
Medikament Marcumar (Wirkstoff: Phenprocoumon) und die neueren,
sogenannten NOAKs zählen, senkt nicht nur das Schlaganfallrisiko dieser
Patienten, sondern kann auch ihre kognitive Leistungsfähigkeit bewahren
und sie vor Demenz schützen, betonen die Deutsche
Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für
Neurologie (DGN).
„Vorhofflimmern
erhöht das Schlaganfallrisiko immens“, sagt Professor Dr. Wolf-Rüdiger
Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
und Chefarzt der Klinik für Neurologie am Evangelischen Klinikum Bethel
in Bielefeld. „Zudem erkranken Patienten mit Vorhofflimmern häufiger an
Demenz als Menschen ohne diese Form von Herzrhythmusstörung.“ Behandelt
wird Vorhofflimmern mit Gerinnungshemmern, den sogenannten
Antikoagulanzien, zu denen Marcumar und auch die Nicht-Vitamin-K oralen
Antikoagulanzien (NOAK) wie Dabigatran, Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban
gehören. Diese Medikamente verhindern, dass sich Blutgerinnsel im Herz
bilden und zu Schlaganfällen führen. „Wissenschaftler haben sich nun
gefragt, ob durch diese Antikoagulanzien auch winzig kleine Schäden im
Gehirn vermieden werden, die zu kognitiven Leitungseinbußen führen
könnten“, so Professor Dr. Martin Dichgans, 1. Vorsitzender der DSG und
Direktor am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung (ISD) am
Klinikum der Universität München.
Die
Wissenschaftler aus Stockholm werteten Patientendaten aus zwei
schwedischen Registern aus den Jahren 2006 bis 2014 aus und
veröffentlichten ihre Ergebnisse kürzlich im „European Heart Journal“.
Insgesamt 444.106 Patientendaten wurden für diese Studie analysiert. Der
überwiegende Teil der Patienten (43 Prozent) war auf die klassischen
Vitamin-K-Antagonisten eingestellt, ein kleiner Teil wurde mit einem
NOAK behandelt (2,9 Prozent). Etwas mehr als 50 Prozent waren nicht mit
Antikoagulanzien behandelt worden.
„Patienten
unter einer Antikoagulanzientherapie entwickelten deutlich weniger
kognitive Funktions-störungen“, berichtet Professor Dr. Hans-Christoph
Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
und Seniorprofessor für Neurologie des Universitätsklinikums Essen.
Beim
Vergleich von Patienten mit ähnlichem medizinischem Hintergrund wurde
in der Studie deutlich, dass das Risiko für eine Demenz durch
Antikoagulanzien um insgesamt 29 Prozent reduziert werden kann. Eine
sorgfältige und möglichst kontinuierliche Einnahme der Medikation im
Beobachtungszeitraum senkt das Risiko noch deutlicher (um 48 Prozent).
Die Wirkstoffklasse, also die Frage danach, ob alte oder neue
Antikoagulanzien eingenommen wurden, hatte dabei keinen erwähnenswerten
Einfluss auf den antidementen Effekt.
„Um
das Risiko für eine Demenz bei Patienten mit Vorhofflimmern zu
reduzieren, ist eine frühe und konsequente Therapie mit Antikoagulanzien
hilfreich “, fasst Diener die Publikation der schwedischen
Wissenschaftler zusammen. Der Schlaganfall-Experte Schäbitz fügt hinzu:
„Diese Daten sind bemerkenswert, denn sie unterstreichen die Bedeutung
einer Antikoagulation bei Vorhofflimmern, die offenbar über die
allgemein bekannte Verhinderung von Schlaganfällen hinausgeht.“
Quelle
·Friberg
L, Rosenqvist M. Less dementia with oral anticoagulation in atrial
fibrillation. European Heart Journal (2017) Oct 24. doi:
10.1093/eurheartj/ehx579
Fachlicher Kontakt bei Rückfragen:
Professor Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz