Zoff um Glaubwürdigkeit der Schwarmintelligenz bei Wikipedia

pte20181108001 Medien/Kommunikation, Bildung/Karriere

Zoff auf Wikipedia: Ein Drittel bleibt ungelöst

MIT-Erhebung: "Unter Autoren werden oft regelrechte Kriege ausgefochten"

(pte001/08.11.2018/06:00) – Das System der Streitschlichtung auf Wikipedia http://wikipedia.org funktioniert in der Praxis nur bedingt, wie eine Analyse des Massachusetts Institute of Technology (MIT) http://mit.edu zeigt. Demnach bleibt rund ein Drittel aller sogenannten "Requests for Comment" (RfCs) auf der Plattform ungelöst.

Interessen und Ansichten

"Es war schon sehr überraschend zu sehen, dass ein ganzes Drittel dieser
Probleme einfach nicht gelöst werden kann", meint Amy Zhang,
PhD-Studentin am Computer Science and Artificial Intelligence Laboratory
(CSAIL) http://csail.mit.edu des MIT. Wikipedia sei eigentlich von seinem groß angelegten
Community-Ansatz her eines der absoluten Paradebeispiele für das
Funktionieren kollaborativer Zusammenarbeit im Netz. Aber, wie bei so
vielen anderen derartigen Projekten, die auf die Kooperation vieler
Personen setzen, werde auch hier die Schattenseite sichtbar.

"Bei Wikipedia machen alle freiwillig mit. Die Leute stecken viel Zeit
in ihre Arbeit an den Artikeln. Sie haben aber auch eigene Interessen
und Ansichten zu bestimmten Dingen", erklärt Zhang. Insofern sei es nur
verständlich, wenn es zu Streitigkeiten käme, wenn unterschiedliche
Meinungen aufeinanderprallen. "Unsere Untersuchung zeigt, dass unter den
Autoren oft regelrechte Kriege ausgefochten werden. Auch die Vorgabe
konkreter Regeln kann dann anscheinend nicht verhindern, dass kein
Konsens gefunden werden kann", so der Wissenschaftler.

"Exzessives Rumgemeckere"

Für ihre Studie haben Zhang und sein Team erstmals eine umfassende
Analyse von RfC-Prozessen und entsprechenden Forendiskussionen innerhalb
der Wikipedia-Community durchgeführt, die in einem Zeitraum von
insgesamt acht Jahren aufgetreten sind. Um herauszufinden, warum derart
viele Streitereien ungelöst bleiben, haben die Forscher zudem auch
mehrere Redakteure der Online-Plattform befragt, die finale
Entscheidungen treffen können. Aus den erhaltenen Daten entwickelten sie
mithilfe von Ansätzen des maschinellen Lernens sogar ein Modell, das
die Wahrscheinlichkeit von Zankereien vorhersagt.

Den Ergebnissen ihrer Untersuchung zufolge konnten zwar 57 Prozent der
RfCs zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Von den übrigen
43 Prozent blieben allerdings 78 Prozent (rund 2.300 Problemfälle)
ungelöst – das entspricht etwa 33 Prozent der gesamten
Autorendiskussionen. Als Hauptgründe für unlösbare Streitereien wurden
"schwache Formulierungen der eigenen Argumentation", "exzessives
Rumgemeckere" und "einfacher Mangel an Interesse an einer
Konfliktlösung" seitens der Redakteure ausgemacht.