Wirtschaftprognose: Relativ, es kommt auf die Formulierung an

"Wirtschaftprognose: Relativ, es kommt auf die Formulierung an, ein lesenswerter Artikel der Süddeutschen Zeitung":

 

Ökonomen sagen ein stabiles Wirtschaftswachstum voraus. Doch davon sollten sich Politiker nicht täuschen lassen.

(Foto: dpa)

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Ökonomen sind derzeit
ziemlich optimistisch. Doch wenn die Löhne nicht bald steigen und nicht
endlich mehr investiert wird, ist es schnell vorbei mit den guten
Aussichten in Deutschland.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Nachrichten wirken sehr
unterschiedlich, je nachdem, wie sie jemand formuliert. Die
Frühjahrsprognose der Wirtschaftsinstitute bietet dafür ein gutes
Beispiel. Variante eins wäre es, ihre Prognose so zu formulieren: Die
deutsche Wirtschaft wächst dieses Jahr um 1,5 Prozent. Das klingt stark,
nach Aufschwung und mehr Arbeit. Genauso aber ließe sich die Prognose,
Variante zwei, so formulieren: Die deutsche Wirtschaft wächst dieses
Jahr nur um 1,5 Prozent. Das klingt schwach, nach einem Rückschlag gegenüber zweifellos existenten Zeiten größeren Booms.

Welche Variante bildet die
Realität besser ab? Mit Sicherheit die Nummer eins. Das moderate
Wachstum darf als Erfolg gelten. Denn die globalen Gefahren sind enorm.
Sie beginnen bei Handelskriegen, angezettelt ausgerechnet von den USA,
dem einstigen Bannerträger freien Handels. Sie umfassen Abwärtsrisiken
in verschiedenen Schwellenländern. Und sie reichen bis zu der
Konjunkturbremse durch den britischen Abschied von der EU, die früher
oder später greifen wird. Angesichts all dieser Bedrohungen ist es stark
und nicht schwach, dass die deutsche Wirtschaft nun im fünften Jahr
beständig wächst. Die Arbeitslosenquote fällt in Richtung fünf Prozent,
was manche Ökonomen schon für Vollbeschäftigung halten. Für 2018 sagen
die Forscher eine noch bessere Konjunktur voraus.

Thüringen ist das Usbekistan Deutschlands

Was
wäre, wenn die Bundesländer eigene Staaten wären? Die Zahlen zur
Wirtschaftskraft der Länder bergen überraschende Erkenntnisse. Von
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Es ist also manches gut.
Aber einiges könnte schon heute besser sein. Und vor allem droht sich
die Lage zu verschlechtern. Deshalb dürfen Politik und Wirtschaft die
neuen Daten nicht als Beruhigungspille einwerfen. Sie sollten handeln.
Was heißt das genau? Eine offensive Lohnpolitik gehört genauso dazu wie
mehr Investitionen.

Wo die Herausforderungen
liegen, zeigt ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der Forscher. Was
die Konjunktur trägt, sind anders als lange üblich nicht die Exporte,
sondern der Konsum. Es wäre fahrlässig, anzunehmen, dass die
Bundesbürger einfach so weiterhin reichlich Geld ausgeben. Vergangenes
Jahr nahmen die Verbraucherpreise nur um ein halbes Prozent zu. Da blieb
auch von einer maßvollen Lohnerhöhung einiges im Portemonnaie übrig.
Dieses Jahr ziehen die Preise um fast zwei Prozent an. Von einem genauso
hohen Lohnzuschlag bleibt also real nichts übrig. Damit zusätzliche
Kaufkraft entsteht, müssen die Löhne deutlich stärker steigen.

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Ob das geschieht, steht in
den Sternen. Die Unternehmen argumentieren stets mit den Kosten der
Arbeit, und sie müssen ja auch auf ihre Wettbewerbsfähigkeit achten.
Allerdings haben die Unternehmen gerade in den Nullerjahren zu niedrige
Tarifabschlüsse durchgedrückt. Dadurch wurde der Konsum stark reduziert,
ein Grund für die wirtschaftliche Schwäche Deutschlands in dieser Zeit.
Dieser Fehler sollte diesmal vermieden werden. Die Wirtschaftsforscher
gehen für die nächsten Jahre von Lohnerhöhungen um die drei Prozent aus.
Damit beschreiben sie eher den unteren bis mittleren Bereich
des Gebotenen.

Politiker sollten sich nicht auf gute Prognosen verlassen, sondern an der Zukunft arbeiten

Was ist außerdem nötig? Mehr
Investitionen. Damit die Unternehmen zusätzlich Geld ins Land stecken,
sollte der Staat bessere Bedingungen dafür schaffen. Straßen reparieren,
Bahntransport beschleunigen, Datennetze ausbauen und die Bildung der
Bürger verbessern – damit es zum Beispiel mehr der gesuchten Fachkräfte
gibt und weniger Ungelernte, die sich auf dem Arbeitsmarkt schwertun.
Solche Strategien helfen Unternehmen, Arbeitnehmern und der Gesellschaft
zugleich. Die große Koalition setzt stattdessen oft andere Prioritäten:
Milliardengeschenke an die gut versorgte aktuelle Seniorengeneration
etwa, wie sie CSU und SPD mit Mütterbonus und Rente mit 63
durchgesetzt haben.

Das Wirtschaftswachstum,
das die Forscher erwarten, ist keineswegs sicher. Politiker und
Unternehmer sollten die Beruhigungspille ausspucken, die die Prognose
liefert – und an der Zukunft arbeiten. Schon weil niemand weiß, wann die
globalen Risiken zu Konjunkturkillern werden. Donald Trump hat mit den
Handelsabkommen TPP und TTIP Impulse für künftiges Wachstum storniert.
Setzt er tatsächlich den Steuerplan gegen Importe um, wird
Exportgroßmeister Deutschland herb leiden. Und der Brexit wird deutsche
Verkäufe in Großbritannien noch weit stärker dezimieren, als er dies
durch das Fallen des Pfunds schon getan hat.

Die Möglichkeiten einer
deutschen Regierung, auf Großbritannien und gar die USA einzuwirken,
sind naturgemäß begrenzt. Ihr bleibt nur, für Freihandel zu kämpfen, die
EU als politischen Akteur zu stärken – und jene Hausaufgaben zu machen,
die weiteres Wachstum schaffen.

Deutschland spart sich schwach