Wirkstoffe aus Pflanzen: Arbeitsteilung im Bioreaktor

Pflanzen produzieren zahlreiche
Substanzen, die sich bei der Behandlung von Krebs, Alzheimer oder
Parkinson einsetzen lassen. Doch häufig sind die Stoffwechselwege zur
Zielsubstanz so komplex, dass ihre biotechnologische Herstellung wenig
effektiv und kostenintensiv ist. In einem Forschungsprojekt kombinieren
Wissenschaftler des KIT ihre Expertise mit dem technologischen Know-how
der Phyton Biotech GmbH, dem größten Produzenten pharmazeutischer
Inhaltsstoffe mit Pflanzenzellen. Mithilfe eines mikrofluidischen
Bioreaktors aus miteinander gekoppelten Modulen ahmen die
Wissenschaftler komplexes Pflanzengewebe technisch nach, um Wirkstoffe
gegen Krebs oder Alzheimer effektiver und günstiger zu gewinnen als
bislang.

Nach neuesten Schätzungen bilden Pflanzen
etwa eine Million chemische Stoffe, sogenannte Sekundärmetabolite, die
nicht wie etwa Aminosäuren oder Zucker absolut lebensnotwendig sind. In
diesem gewaltigen Pool aus pflanzlicher Produktion schlummert ein wahrer
Schatz aus pharmazeutisch aktiven Substanzen, die zum Beispiel das
Wachstum von Krebszellen hemmen oder die Bildung der für Alzheimer
typischen Plaques im Gehirn verringern. 

Viele dieser kostbaren Inhaltsstoffe können
jedoch nicht synthetisch hergestellt werden. Häufig müssen sie deshalb
direkt aus Wildpflanzen extrahiert und kostenintensiv aufgereinigt
werden. Zudem sind viele dieser Pflanzen selten und bedroht:
Beispielsweise wurde die Pazifische Eibe durch die Entdeckung, dass
Taxol® Krebszellen hemmt, an den Rand der Ausrottung gebracht. „Deshalb
sind biotechnologische Ansätze zur Gewinnung entsprechender Wirkstoffe
von großem Interesse“, sagt Peter Nick, Professor für Molekulare
Zellbiologie am Botanischen Institut des KIT.

Häufig sind die zugrunde liegenden
Stoffwechselwege sehr komplex: Die Substanz von Interesse ist in der
natürlichen Pflanze meist das Produkt einer langen Kette von
Zwischenschritten mit ebenso vielen immer wieder umgewandelten
Zwischenprodukten. Die dafür nötigen chemischen Prozesse finden zudem
auch nicht unbedingt in einer einzigen Pflanzenzelle statt, sondern
können von der Wurzel bis zum Blatt über das gesamte Pflanzengewebe auf
spezialisierte Zelltypen verteilt sein. Phyton konnte vor vielen Jahren
zeigen, dass sich pflanzliche Arzneistoffe wie Taxol® auch
ressourcenschonend und nachhaltig – durch Kultivierung von
Pflanzenzellen im Labor – herstellen lassen.

„Für bestimmte Substanzen gilt jedoch, dass
sie sich weder in einer einfachen Zellkultur noch in gentechnisch
manipulierten Mikroorganismen abbilden lassen, weil die Stoffwechselwege
zu komplex sind“, sagt Peter Nick. „In einem neuen Forschungsprojekt
wollen wir deshalb ein Pflanzengewebe mit unterschiedlichen Zelltypen
technisch nachbilden – mit einem sogenannten mikrofluidischen
Bioreaktor. Dieser besteht aus einer Reihe von Modulen, in denen je ein
Zelltyp kultiviert wird. Die Module sollen über Kanäle miteinander
verbunden sein. Ziel ist es, dass Stoffwechselprodukte eines Zelltyps in
das nächste Modul gelangen und dort weiterverarbeitet werden, ohne dass
sich die unterschiedlichen Zelltypen vermischen. Die Zielsubstanz
könnte dann zum Beispiel aus dem Durchfluss extrahiert und somit
‚geerntet‘ werden.“

Das Projekt wird vom Projektträger Jülich
(PtJ) betreut und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über
zwei Jahre mit 750.000 Euro gefördert. Projektpartner sind das
Botanische Institut, das Institut für Mikrostrukturtechnik (beide KIT)
und das Unternehmen Phyton Biotech GmbH. Zusammen decken die drei
Partner die für das Projekt nötige Expertise komplett ab. Während das
Botanische Institut seine Erfahrung in der molekularen Zellbiologie
pflanzlicher Zellkulturen einbringt, ist das Institut für
Mikrostrukturtechnik für die Entwicklung und Fertigung der
Teilkomponenten der mikrofluidischen Bioreaktoren sowie deren
Mikro-Montage und Verschaltung zu einem funktionsfähigen Gesamtsystem
zuständig. Die Phyton Biotech GmbH als Industriepartner ist weltweit
führend im Bereich Pflanzenzellfermentation und liefert die nötige
Expertise und Infrastruktur, um die Anwendungsmöglichkeiten auf
industriellem Maßstab auszuloten.

„Wir glauben, dass wir in dieser Kooperation
mit den Experten des KIT die Nutzung von kontrolliert kultivierten
Pflanzenzellen auf eine neue Ebene stellen können“, sagt Dr. Gilbert
Gorr, Leiter für Forschung und Entwicklung bei Phyton. „Die
Zugänglichkeit zu weiteren Naturstoffen zu ermöglichen, die bisher nur
unter größten Schwierigkeiten und Kosten produziert werden können, ist
unser gemeinsames Ziel“.

Phyton Biotech ist als Hersteller von
qualitativ hochwertigen aktiven pharmazeutischen Inhaltsstoffen durch
Pflanzenzellfermentation (PCF®)ein weltweiter Lieferant für Paclitaxel
und Docetaxel. Das Unternehmen ist erfolgreich von Behörden wie EDQM,
EMA, FDA, KFDA und TGA inspiziert worden. Neben der Produktion bietet
Phyton auch Entwicklungsdienste für Kunden an. Diese umfassen die
Entwicklung von pflanzlichen Zelllinien und Fermentationsprozessen für
pflanzliche Inhaltsstoffe, aber auch die Entwicklung von
Syntheseprozessen komplexer Substanzen.