Wie der Magnetismus ins Universum kommt
Strömungen
flüssiger Metalle sind in der Lage, Magnetfelder zu generieren. Dieser
sogenannte Dynamo-Effekt lässt kosmische Magnetfelder entstehen, wie sie
bei Planeten, Monden oder auch Asteroiden vorkommen. Ein weltweit
einmaliges Experiment, in dem eine Stahltrommel mit mehreren Tonnen
flüssigem Natrium um zwei Achsen rotiert, soll diesen Effekt in den
nächsten Jahren am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) im Labor
belegen. Eine Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift „Physical
Review Letters“ veröffentlicht wurde, bestätigt die Erfolgsaussichten
für das Experiment.
Ähnlich wie ein
Fahrraddynamo Bewegung in Strom umwandelt, können bewegte leitfähige
Flüssigkeiten Magnetfelder erzeugen. Ob dabei tatsächlich ein Magnetfeld
generiert wird, darüber entscheidet vor allem die sogenannte
magnetische Reynoldszahl (das Produkt aus Strömungsgeschwindigkeit sowie
Ausdehnung und Leitfähigkeit der Flüssigkeit). Wissenschaftler im Team
um Dr. Frank Stefani vom Institut für Fluiddynamik des HZDR wollen in
einem spektakulären Experiment den kritischen Wert erreichen, der für
das Auftreten des Dynamo-Effekts erforderlich ist. Hierfür werden sich
acht Tonnen flüssiges Natrium in einem Stahlzylinder mit zwei Metern
Durchmesser bis zu zehnmal pro Sekunde um eine Achse und einmal pro
Sekunde um eine zweite, dazu geneigte Achse drehen. Der Fachbegriff für
diese Bewegung, die häufig mit einem gekippten, sich drehenden
Kinderkreisel verglichen wird, lautet Präzession.
„Unser Experiment an
der neuen DRESDYN-Anlage soll den Nachweis liefern, dass die Präzession
als natürlicher Antrieb einer Strömung ausreicht, um ein Magnetfeld zu
erzeugen“, sagt Dr. André Giesecke, Erstautor der Studie. In den von ihm
erstellten Simulationen sowie in begleitenden Wasserexperimenten – die
Modellanlage war im Vergleich zum großen Dynamo um den Faktor sechs
kleiner – untersuchten die Wissenschaftler die Struktur der durch
Präzession getriebenen Strömung. „Zu unserer Überraschung konnten wir in
einem gewissen Bereich der Präzessionsrate eine symmetrische
Doppelrolle beobachten, die schon bei einer magnetischen Reynoldszahl
von 430 einen Dynamo liefern sollte“, so der Physiker.
Ungelöst: Die Rolle der Präzession für den Geodynamo
Das Zentrum der Erde
besteht aus einem festen Kern, der von einer Schicht aus flüssigem Eisen
umgeben ist. „Das strömende Metall induziert einen elektrischen Strom,
der wiederum das Magnetfeld hervorruft“, erklärt André Giesecke. Die
gängige Meinung lautet, dass auftriebsgetriebene Konvektion, zusammen
mit der Rotation der Erde, für diesen Geodynamo verantwortlich ist.
Welche Rolle die Präzession für die Entstehung des Erdmagnetfeldes
spielt, ist jedoch noch völlig ungeklärt. Die Rotationsachse der Erde
ist um etwa 23 Grad gegenüber ihrer Bahnebene geneigt. Mit einer Periode
von rund 26.000 Jahren ändert die Rotationsachse ihre Lage. Diese
Taumelbewegung im All, die Präzession, wird als eine der möglichen
Energiequellen für den Geodynamo diskutiert. Auch der Mond hatte vor
vielen Millionen Jahren ein starkes Magnetfeld. Darauf weisen
Gesteinsproben früherer Apollo-Missionen hin. Experten zufolge könnte
die Präzession hierfür die hauptsächliche Ursache gewesen sein.
2020 sollen die
Experimente mit flüssigem Natrium am HZDR starten. Im Unterschied zu
früheren Laborexperimenten zum Geodynamo wird es im Inneren der
Stahltrommel keinen Propeller geben, wie er noch im ersten erfolgreichen
Dynamo-Experiment im Jahr 1999 in Riga verwendet wurde, an dem die
Wissenschaftler des HZDR maßgeblich beteiligt waren. Dieses und weitere
Experimente in Karlsruhe und Cadarache in Frankreich waren
Pionierarbeiten auf dem Weg zum besseren Verständnis des Geodynamos.
„Prinzipiell können wir
für die Experimente an DRESDYN drei unterschiedliche Parameter
einstellen: Rotation, Präzession und den Winkel zwischen den beiden
Achsen“, erläutert Giesecke. Er und seine Kollegen erwarten zum einen
Antworten auf die fundamentale Frage, ob Präzession tatsächlich ein
Magnetfeld in einem leitfähigen Fluid erzeugt. Zum anderen interessieren
sie sich dafür, welche Komponenten der Strömung ursächlich für die
Entstehung des Magnetfeldes sind oder wann die Sättigung eintritt.
Doppelte Rollen im Behälter
„In Simulationen
hatten wir festgestellt, dass in weiten Parameterbereichen stehende
Trägheitswellen auftreten. In einem bestimmten Bereich haben wir nun
aber eine charakteristische Doppelrollenstruktur beobachtet, die sich
für den Dynamoeffekt als extrem effizient erweist. Eine solche
Geschwindigkeitsstruktur kennt man prinzipiell auch vom französischen
Dynamo-Experiment, bei dem sie allerdings durch zwei Propeller künstlich
erzeugt wird, während sie sich in unserem Präzessionsexperiment von
selbst einstellt.“
Für die Vermessung der
Strömungsstruktur verwendeten die HZDR-Forscher eine spezielle
Ultraschall-Technik. „Wir waren sehr überrascht, wie gut die Daten aus
Experiment und Simulation übereinstimmen. Damit haben wir eine sehr
robuste Vorhersage für das große DRESDYN-Experiment. Wir wissen
beispielsweise, bei welchen Rotationsraten der Dynamo-Effekt eintritt
und welche Magnetfeld-Strukturen wir erwarten können“, sagt Giesecke.
Die
Wissenschaftsgemeinde, die sich mit Dynamos beschäftigt, wartet
jedenfalls schon gespannt auf die Ergebnisse des geplanten Experiments,
welches sich in vielerlei Hinsicht am Rand des technisch Machbaren
bewegt. „Wir versprechen uns aber auch detaillierte Einblicke in die
generelle Dynamik von Flüssigmetall-Strömungen unter dem Einfluss von
Magnetfeldern. Damit werden Rückschlüsse auf Strömungen im industriellen
Bereich möglich sein“, so Giesecke. Nicht zuletzt ist die am HZDR im
Rahmen der Dynamo-Forschung entwickelte magnetische Strömungstomographie
für unterschiedlichste Bereiche im Stahlguss und der Kristallzüchtung
interessant. Die Arbeiten wurden teilweise durch die Helmholtz-Allianz
LIMTECH gefördert.