Rheuma birgt hohes Risiko für Begleiterkrankungen
Aktuelle Studie belegt Gefahr der Unterversorgung
Berlin,
Januar 2019 – Menschen mit Gelenkrheuma haben oft auch ein erhöhtes
Risiko für eine Reihe anderer Erkrankungen. Das ist das Ergebnis einer
auf deutschen Krankenkassendaten basierenden Studie, die in der
aktuellen Ausgabe des „Journal of Rheumatology“ erschienen ist. Sowohl
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, als auch Erkrankungen des
Bewegungsapparats, der Lunge oder der Psyche sind demnach unter
Rheumapatienten häufiger als unter gleichaltrigen Vergleichspersonen
ohne rheumatoide Arthritis. Mit Sorge betrachtet die Deutsche
Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) zudem, dass Rheumapatienten
weniger gut rheumatologisch versorgt sind, je mehr Begleiterkrankungen
sie haben. Die DGRh setzt sich deshalb intensiv dafür ein, dass alle
Patienten mit einem Verdacht auf Rheuma umgehend an einen Rheumatologen
überwiesen und dort mitbetreut werden.
Für
ihre Studie haben Mediziner und Statistiker vom Department für
Versorgungsforschung der Universität Oldenburg und dem Deutschen
Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) die Krankenkassendaten von
insgesamt knapp 97.000 Rheumapatienten und 484.000 Vergleichspersonen
mit ähnlichem Alters- und Geschlechtsprofil analysiert und 26
Begleiterkrankungen – sogenannte Komorbiditäten – erfasst. Wie sich
zeigte, leiden Patienten mit einer Rheumadiagnose besonders häufig auch
unter Bluthochdruck (62,5 Prozent), Arthrose (44 Prozent), hohen
Blutfettwerten (40 Prozent) und Depressionen (31,8 Prozent). „Diese
Krankheiten sind zwar auch bei den Vergleichspatienten die häufigsten“,
sagt Dr. med. Katinka Albrecht vom Programmbereich Epidemiologie und
Versorgungsforschung des DRFZ, wo das Verbundprojekt koordiniert wurde.
Die absoluten Zahlen seien jedoch in der Vergleichsgruppe viel
niedriger: So sei etwa das Arthroserisiko in der Normalbevölkerung nur
rund halb so hoch wie bei Rheumapatienten, Depressionen seien um rund
ein Drittel seltener. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich auch bei der
Osteoporose: Während rund jeder vierte Rheumapatient unter dem Verlust
an Knochensubstanz leidet, ist es bei den Vergleichspatienten nur knapp
jeder zehnte.
Die
Krankenkassendaten wurden ergänzt um eine Befragung einer
Zufallsstichprobe betroffener Versicherter. Es zeigte sich, dass die
zusätzliche Krankheitslast nicht ohne Folgen bleibt: Je mehr
Begleiterkrankungen die Patienten aufweisen, desto höher sind ihre
gesundheitlichen Einschränkungen und desto seltener befinden sie sich in
Behandlung bei einem spezialisierten Rheumatologen. „Es ist
naheliegend, dass bei vielen Begleiterkrankungen der Hausarzt die
führende Rolle übernimmt und gerade ältere Patienten nicht mehr für jede
Komorbidität einen Spezialisten aufsuchen“, mutmaßt Albrecht.
Gerade
multimorbide Patienten sollten jedoch besonders intensiv
rheumatologisch betreut werden. Denn mit der Zahl der Krankheiten und
der eingenommenen Medikamente steigt das Risiko von medikamentösen
Wechselwirkungen und anderen Komplikationen deutlich an. „Dass gerade
diese Patientengruppe eine schlechtere rheumatologische Behandlung
erhält, ist absurd und muss geändert werden“, sagt Prof. Dr. med.
Hanns-Martin Lorenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Rheumatologie, Leiter der Sektion Rheumatologie am Universitätsklinikum
Heidelberg und medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des
ACURA-Rheumazentrums Baden Baden. Als zentrale Ansprechpartner sei es
vor allem Aufgabe der Hausärzte, Patienten mit Verdacht auf Rheuma auf
die Möglichkeiten und die Notwendigkeit einer gezielten Therapie
aufmerksam zu machen und an einen internistischen Rheumatologen zu
überweisen. Denn bei frühzeitiger Diagnose und konsequenter
anti-entzündlicher Therapie ließen sich die Symptome in vielen Fällen
beherrschen und Folgeschäden wie dauerhafte Bewegungseinschränkungen
vermeiden.