"Wer über Toleranz spricht, muss über Menschenrechte sprechen"
Diskutanten in Fresach |
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Fresach (pte024/22.05.2015/18:15) –
"Das, was wir brauchen, ist keine passive Toleranz, sondern eine, die
stark und aktiv ist. Wir brauchen ein lebendiges Interesse, Anteilnahme
und die Anerkennung der Andersheit", erläuterte Bischof Michael Bünker,
das Oberhaupt der Evangelischen Kirche A.B., heute, Freitag, bei den
Europäischen Toleranzgespräche in Fresach. Mit seinem Statement führte
Bünker die Gäste des Denk.Raum.Fresach in eine Podiumsdiskussion mit dem
Titel "Modernität, Menschenrechte und Islam". http://fresach.org
Toleranz als Privileg der Mächtigen
"Das, was wir gegenwärtig erleben, ist eine wahre
Inflation des Kulturbegriff", erklärte Sama Maani zu Beginn der
Diskussion. Der österreichische Autor mit iranischen Wurzeln
kritisierte, dass Kultur und Natur immer öfter gleichgesetzt würden.
Sigmund Freud habe hingegen noch klar unterschieden zwischen diesen
beiden Begriffen, indem er von der Kultur sprach als etwas, das die
Natur des Menschen "unterdrückt". Der Philosoph Pravu Mazumdar knüpfte
mit seinen darauffolgenden Ausführungen an jene von Maani an und sprach
von Kultur als etwas, das "von uns fabriziert wird". "Kultur erfinden
ist wichtig, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir sie erfunden
haben", so Mazumdar.
Der Kulturbegriff ist in aller Munde – "Leitkultur",
"fremde Kultur", "Kampf der Kulturen" -, und gerade deswegen muss er
detailliert analysiert und kritisch betrachtet werden, ebenso wie die
Toleranz. Sozialwissenschaftlerin Claudia Brunner zeichnet ihr
skeptischer bis kritischer Blick auf den Toleranzbegriff besonders aus.
Sie legt den Fokus auf die Machtverhältnisse, die sich hinter der
Toleranz verstecken und fragt, wer spricht wann, wo, wie, und mit wem
über Toleranz. "Toleranz tritt erst dann zu Tage, wenn Konflikte
auftreten. Und diese sind wiederum asymmetrisch", erläuterte Brunner.
Sie kritisierte, dass Politisches immer öfter kulturalisiert werde
anstatt sozioökonomische Ungleichheiten zu hinterfragen.
Verantwortung im Umgang mit Religion
Während Brunner die Kulturalisierung des Politischen
kritisiert, beobachtet Bünker die zunehmende "Religionisierung" von
gesellschaftlichen Konflikten mit Sorge. "Wir brauchen nicht ein Mehr an
Religion, sondern mehr Verantwortung im Umgang mit ihr", erklärte der
Bischof. In Hinblick auf Toleranz und religiös motivierte Gewalt werfen
vor allem die jüngsten Geschehnisse in Syrien und im Irak große Fragen
auf.
Nahost-Expertin Karin Kneissl skizzierte in ihrem
Statement die historische Entwicklung des politischen Islam und sieht
den Grund für die in Arabien zunehmende Islamisierung im dortigen
Scheitern aller politischen Ideen der vergangenen 50 Jahre. Sie warnt
davor, die Welt in Gläubige und Ungläubige einzuteilen und rät, sich
nicht in interreligiösen Dialogen zu verstricken, sondern für politische
Probleme auch politische Lösungen zu suchen.
Im Anschluss an die Diskussion erzählte Danica Purg,
Professorin an der Bled School of Management, was die Politik und
Gesellschaft von modernen Managementmethoden lernen kann.