rastische Energieeinsparung, geräumige Kernspintomografen oder agile
und wendige Schiffe: Der Einsatzbereich von Hochtemperatur-Supraleitern
ist vielfältig. Inzwischen scheinen auch die Probleme gelöst, die
bisher noch einer industriellen Herstellung der Leiter im Wege standen.
Einen wichtigen Beitrag in diesem Bereich haben Prof. Dr. Ludwig
Schultz und Dr. Bernhard Holzapfel vom Leibniz-Institut für Festkörper-
und Werkstoffforschung Dresden (IFW) geleistet.
Eine Panne an einer Höchstspannungsleitung im Emsland – und halb Europa
liegt im Dunkeln. Vermieden werden könnten derartige Zwischenfälle mit
dem Einsatz von Hochtemperatur-Supraleitern. Diese verfügen nicht nur
über eine wesentlich höhere Kapazität als herkömmliche Leitungen,
sondern würden auch den Einsatz von Strombegrenzern ermöglichen und so
Kettenreaktionen innerhalb des Verbundnetzes verhindern.
Energietechnik: Stromfluss ohne Verluste
Hochtemperatur-Supraleiter transportieren bei gleichem Kabelquerschnitt
etwa das Dreifache an Strom. Anders als Metalldrähte verlieren sie
unterwegs keine Energie. Ein Problem ist jedoch die Herstellung der
Leiter. Für den Einsatz im Stromnetz müssen sie in die Form von Drähten
gebracht werden; da das Material sehr spröde ist, können sie jedoch
nicht wie Metalldrähte gezogen und gewalzt werden. Eine Möglichkeit
besteht darin, die supraleitende Phase Yttrium-Barium-Kupfer-Oxid
(YBCO) auf Trägerbänder aufzubringen. Bei dem Verfahren, das die
Dresdner Wissenschaftler entwickelt haben, wird hierzu ein Trägerband
in eine chemische Lösung getaucht. Die Oberflächenatome des
Trägerbandes müssen ein einheitliches Muster bilden, um zu
gewährleisten, dass auch die Beschichtung gleichmäßig erfolgt. „Erlaubt
ist eine Abweichung der zentralen Ausrichtung von bis zu 5 Grad“,
erklärt Holzapfel, „alles andere behindert den Energiefluss“. Um die
industrielle Herstellung hochtemperatursupraleitender Drähte zu fördern
hat das IFW die Firma evico GmbH gegründet, die die Technologie in
Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen vermarktet. Weitere
Kooperationen, unter anderem mit einem der führenden europäischen
Kabelhersteller, sind in Vorbereitung.
Medizin: Mehr Platz im Kernspintomografen
Eine zentrale Rolle spielen Supraleiter in der Kernspintomografie,
einem bildgebenden Verfahren, das Strukturen im Körperinneren sichtbar
macht, und häufig zur Diagnose schwerer Krankheiten herangezogen wird.
Wenn jemand wiederholt die Tasse neben den Tisch stellt, an
Sehstörungen oder unerklärlichen Lähmungen leidet, handelt es sich um
Symptome, die auf Multiple Sklerose hindeuten können. In einem solchen
Fall wird der Patient mit dem Kernspintomografen untersucht. Zur
Durchleuchtung wird ein starkes Magnetfeld verwendet, das von einer
supraleitenden Spule erzeugt wird. Der Patient befindet sich dabei
innerhalb dieser Spule. Die Wasserstoffatome im menschlichen Körper
reagieren auf das Magnetfeld, indem sie ihre magnetischen Momente alle
in die gleiche Richtung ausrichten. Wird dann ein Hochfrequenzimpuls in
Form eines Radiosignals eingestrahlt, lassen sich die Teilchen
kurzfristig ablenken, um nach Ausschalten des Impulses wieder in die
ursprüngliche Richtung zurückzukehren. Dabei geben sie Energie ab, die
gemessen werden kann und Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung
der durchleuchteten Körperteile erlaubt.
„In den gegenwärtig verwendeten Geräten, in denen
Niedertemperatur-Supraleiter eingesetzt werden, ist es wirklich eng“,
erläutert Schultz, „für jemanden, der mit dem Schlimmsten rechnet, kann
das sehr belastend sein. Mit Hochtemperatur-Supraleitern könnte man die
Röhre dank dünnerer Isolationsschichten weiter machen“.
Während Niedrigtemperatur-Supraleiter auf minus 269 Grad
heruntergekühlt werden müssen, funktionieren Hochtemperatur-Supraleiter
bereits bei minus 196 Grad. Damit ist der Aufwand, der für die Kühlung
betrieben werden muss, deutlich geringer als bei den herkömmlichen
Verfahren. Im Gegensatz zu Niedrigtemperatur-Supraleitern, die mit
flüssigem Helium gekühlt werden, kann für die
Hochtemperatur-Supraleiter flüssiger Stickstoff verwendet werden. Die
Kühlkosten gehen um einen Faktor 100 zurück; damit werden die Geräte
entsprechend billiger und sind für Ärzte und Krankenschwestern auch
einfacher zu bedienen.
Schiffbau: Motor im Steuerruder
Motoren, die bei gleicher Leistung ein Drittel des gegenwärtigen
Volumens haben, sind ein weiteres Einsatzgebiet von
Hochtemperatur-Supraleitern. In Schiffen können solche Motoren
beispielsweise direkt im Steuerruder eingesetzt werden, womit sehr viel
größere Ausschläge möglich wären. Schiffe hätten damit eine größere
Beweglichkeit und Wendigkeit. Möglich wäre ebenfalls, dass sowohl
hinten als auch vorne ein solches Ruder eingebaut wird, damit könnte
das Schiff dann auch quer anlegen.
Kontakt:
Prof. Dr. Ludwig Schultz
Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung
Helmholtzstr. 20
01069 Dresden
Tel: 0351/4659-460
E-Mail: l.schultz@ifw-dresden.de