Stuhltests sinnlos obwohl die Darmflora sehr wichtig für die gesamte Gesundhei ist.

Berlin
– Das Darm-Mikrobiom ist in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus
der Wissenschaft geraten. Auch in der Öffentlichkeit stößt die Thematik
auf großes Interesse. Denn immer mehr Untersuchungen zeigen, dass die
Millionen Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln, nicht nur
unverzichtbare Dienste bei der Verdauung und Verwertung der Nahrung
leisten, sondern die Zusammensetzung dieser Mikroorganismen auch eine
Rolle bei der Entstehung verschiedenster Erkrankungen – von
Herz-Kreislauf-Leiden, psychischen Störungen bis hin zu
Lebererkrankungen und Adipositas – spielt. Einige Hersteller und Labore
bieten deshalb Untersuchungen von Stuhlproben zur „Analyse“ der
Darmflora an und leiten aus den Ergebnissen Ernährungs- und
Handlungsempfehlungen ab. Die Deutsche Gesellschaft für
Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) rät
davon ab, Stuhltests zur Untersuchung des Mikrobioms zu nutzen. Diesen
fehle derzeit die wissenschaftliche Grundlage, so die Experten der
Fachgesellschaft.

Stuhltests
haben in vielen Bereichen der Gastroenterologie ihren festen Platz:
Etwa in der Darmkrebsvorsorge, wo mit dem IFOB-Test verstecktes Blut im
Stuhl aufgespürt wird. Auch die DNA von Darmbakterien lässt sich aus dem
Stuhl isolieren und analysieren – dies kommt beispielsweise bei der
Diagnostik einzelner pathogener Erreger wie Clostridium difficile zum
Einsatz. „Eine Analyse des gesamten Spektrums der Mikroorganismen im
Darm ist allerdings weitgehend sinnlos, da die Zusammensetzung des
Mikrobioms und eventuelle Krankheitssymptome nicht unbedingt etwas
miteinander zu tun haben“, sagt Professor Dr. med. Stefan Schreiber,
Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Kieler
Universitätsklinikums. „Die Mikrobiom-Forschung steht noch relativ am
Anfang: Welche Korrelationen bestehen und wie sie sich im Einzelfall
auswirken, ist derzeit noch nicht ausreichend bekannt. Darüber hinaus
liefert die Analytik auch noch keine konsistenten Ergebnisse, die
zwischen verschiedenen Laboren vergleichbar wären.“

Die
bakterielle Zusammensetzung der Darmflora kann individuell höchst
unterschiedlich ausfallen und ist zudem ständig kurzzeitigen
Schwankungen unterworfen, etwa durch die Einnahme von Medikamenten,
durch bestimmte Nahrungsmittel oder auf Reisen. „Aus bakteriellen
Verschiebungen, die sich in solchen Stuhltests möglicherweise zeigen,
lässt sich deshalb noch lange kein krankhafter Zustand oder ein
Zusammenhang mit einer chronischen Erkrankung herleiten“, so Schreiber.
Dennoch würden aus den Ergebnissen von Darmflora-Stuhltests oft
Ernährungs-empfehlungen abgeleitet, die die Lebensqualität des Patienten
einschränken und im schlimmsten Fall sogar zu einer Mangelernährung
führen könnten. Die Kosten für solche Tests, die mitunter mehrere
hunderte oder tausende Euro betragen, werden von den Krankenkassen
regelmäßig nicht übernommen. Oft werden diese Tests im Internet,
manchmal auch als sogenannte IGeL, individuelle Gesundheitsleistungen,
beim Arzt angeboten.

„Die
Erkenntnisse, die wir in den letzten Jahren über das Mikrobiom gewonnen
haben, zeigen, dass in seiner Erforschung ein riesiges Potenzial
liegt“, ist Professor Dr. med. Christian Trautwein, Direktor der
Medizinischen Klinik III der RWTH Aachen und Mediensprecher der DGVS,
überzeugt. Die genauen Zusammenhänge zwischen Ernährung, Mikrobiom,
Darmgesundheit und dem Zustand anderer Organe seien bislang jedoch nur
unzureichend verstanden. Vor allem die mit dem Mikrobiom in Verbindung
gebrachten molekularen Prozesse, die zur Entstehung so unterschiedlicher
Krankheiten wie Entzündungen, Leberzirrhosen, Krebserkrankungen oder
koronarer Herzkrankheit beitragen, müssten genauer erforscht werden. „Um
die wissenschaftlichen Bemühungen in der Mikrobiom- und Genomforschung
stärker zu bündeln, plädiert die DGVS deshalb für die Einrichtung eines
Deutschen Zentrums für Gastroenterologische Gesundheit“, so Professor
Trautwein. Dieses soll die bestehenden Gastro-Zentren in Deutschland
vernetzen und so die Entwicklung von Präventions-, Früherkennungs- und
Behandlungsstrategien erleichtern. Weitere Informationen hierzu finden
Interessierte unter
https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2018/07/DGVS_Positionspapier-Stand-19.07.2018.pdf

Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)

Die
Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche
Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute
vereint sie mehr als 5500 Ärzte und Wissenschaftler aus der
Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich
wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und
Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und
Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen
der Verdauungsorgane – zum Wohle des Patienten.