Sichelzellkrankheit früh erkennen

Sichelzellkrankheit früh erkennen

Neugeborenen-Screening auf Blutkrankheit verhindert Todesfälle

Wiesbaden
– Jährlich sterben weltweit etwa eine viertel Million Kleinkinder an
der Sichelzellkrankheit – in Deutschland leiden rund 3000 Menschen an
der seltenen angeborenen Blutkrankheit. Auch hierzulande beeinträchtigt
die Sichelzellkrankheit Betroffene gesundheitlich schwer und endet meist
sogar tödlich. In drei Modell-Projekten in Berlin, Hamburg und
Heidelberg haben Mediziner ein Screening von Neugeborenen nun
erfolgreich angewendet. Ziel ist es, von Sichelzellkrankheit betroffene
Kinder früh zu erkennen und bestmöglich zu behandeln. In anderen Ländern
wie den USA, den Niederlanden und Frankreich ist eine solch frühzeitige
Untersuchung bereits üblich. Das Projekt stellen Experten bei einer
Pressekonferenz über seltene Erkrankungen vor. Diese findet am 14.
Oktober 2015 anlässlich des Herbstsymposiums der Deutschen Gesellschaft
für Innere Medizin e.V. (DGIM) mit ihren Korporativen Mitgliedern in
Wiesbaden statt.

Die
Sichelzellkrankheit ist Folge einer erblich bedingten Veränderung des
roten Blutfarbstoffs Hämoglobin in den roten Blutzellen. Dessen
wichtigste Aufgabe ist der Sauerstofftransport. Bei Menschen mit
Sichelzellkrankheit verklumpt das Hämoglobin. So schädigt es die roten
Blutkörperchen, die dadurch die Form einer Sichel annehmen. Folge sind
Durchblutungsstörungen und Blutarmut. Jeder neunte Patient erleidet noch
vor dem 18. Lebensjahr einen Schlaganfall, insgesamt reduziert die
Krankheit die Lebenserwartung auf rund 50 Jahre. Patienten, bei denen
die Krankheit unerkannt bleibt, sterben häufig noch im Kindes- und
Jugendalter. „Dabei können schon sehr einfache Maßnahmen die schweren
gesundheitlichen Folgen der Krankheit und die frühe Sterblichkeit
drastisch reduzieren“, sagt Dr. med. Stephan Lobitz von der Klinik für
Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie der Charité in
Berlin. „Durch die Schulung der Eltern, eine akute Blutarmut zu erkennen
und bei Fieber des Kindes sofort einen Arzt aufzusuchen, sowie durch
eine Prophylaxe mit Penicillin und Impfungen lassen sich fast alle
Todesfälle im Kindes- und Jugendalter verhindern.“

Voraussetzung
sei jedoch, dass den Eltern die Blutkrankheit bekannt sei. Deshalb
wären Reihenuntersuchungen von Neugeborenen wichtig, meint Lobitz. In
Deutschland gibt es ein solches Screening jedoch nicht, weil die
Krankheit hier mit schätzungsweise 3000 Patienten selten ist. Doch bei
Untersuchungen mit der international etablierten Methode des Screenings
waren in Deutschland von 51 000 Neugeborenen 22 Kinder betroffen. Damit
war es die Sichelzellkrankheit, die Mediziner beim
Neugeborenen-Screening am zweithäufigsten nachwiesen. Deshalb startete
Lobitz ein Projekt, in dem er prüft, ob eine Untersuchung auf die
Sichelzellkrankheit im Rahmen der bei uns üblichen Untersuchungsmethoden
einfach möglich wäre. In Ländern wie den USA, England, Frankreich und
den Niederlanden sind Neugeborenen-Screenings auf die Blutkrankheit
bereits üblich. „International werden dafür Geräte verwendet, mit denen
deutsche Labore in der Regel nicht ausgestattet sind“, sagt Lobitz. Doch
auch mit der in Deutschland im Rahmen des Screenings üblichen
Tandem-Massenspektrometrie können Mediziner die Sichelzellkrankheit
diagnostizieren. Ziel des aktuellen Projekts ist es deshalb,
festzustellen, ob sich diese Methode für die reguläre Diagnose eignet.
„Dabei muss sichergestellt werden, dass rasch zuverlässige Befunde
vorliegen und dass betroffene Neugeborene schnell von einer
Spezialabteilung für Bluterkrankungen versorgt werden“, sagt Lobitz.

„Wichtiges
Anliegen der DGIM und ihrer Korporativen Mitglieder ist es, auch bei
Erkrankungen, von denen nur sehr wenige Menschen betroffen sind,
Lösungsansätze für eine optimale Diagnose und Behandlung zu finden“,
sagt Professor Dr. med. Dr. h.c. Ulrich Fölsch, Generalsekretär der DGIM
aus Kiel. Daher begrüße die DGIM den Vorstoß der Forschergruppe. Lobitz
stellt das Projekt auf der Pressekonferenz zum diesjährigen
Herbstsymposium der DGIM detailliert vor. Bei dem Symposium diskutieren
Experten aus der Arzt- und Patientenperspektive über Fallanalysen und
moderne Therapieansätze, wie die Behandlungsqualität bei seltenen
Erkrankungen verbessert werden und was die Medizin von ihnen lernen
kann.