Schlafstörungen begünstigen Übergewicht und Herzkreislauf-Erkrankungen
fzm, Stuttgart, September 2015 – Menschen, die
unter Schlafstörungen leiden, haben ein erhöhtes Risiko für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Stoffwechselstörungen wie Typ
2-Diabetes, warnen Experten in der Fachzeitschrift „DMW Deutsche
Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015).
Schlafstörungen sind häufig. In Umfragen klagen 30 Prozent
der Erwachsenen, dass sie dreimal oder häufiger pro Woche schlecht
schlafen. Oft liegt der Störung ein sogenanntes obstruktives
Schlaf-Apnoe-Syndrom (OSA) zugrunde. Der Muskelkollaps im Rachen löst
nicht nur laute Schnarchgeräusche aus. Zwischendurch kommt es immer
wieder zu kurzen Atemaussetzern, den Apnoen. Der Versuch, Luft in die
Lungen zu befördern, verursacht einen starken Unterdruck im Brustkorb,
der auch den Herzmuskel angreift, erläutert Professor Michael Arzt, der
Leiter des Schlafmedizinischen Zentrums am Universitätsklinikum
Regensburg. Viele Menschen mit OSA leiden deshalb auch unter
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Neben einem Bluthochdruck drohen auch
Herzrhythmusstörungen oder eine Koronare Herzkrankheit, die jederzeit
einen Herzinfarkt auslösen können.
Der „Somnologe“ Professor Arzt rät deshalb allen Menschen mit
Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Störungen zu einer
Schlafuntersuchung. Oft reiche eine „Polygraphie“. Die Untersuchung, die
die Patienten zuhause durchführen können, misst Atemfluss,
Atmungsbewegungen, Sauerstoffsättigung im Blut und die Herz- oder
Pulsfrequenz während des Schlafes. Bei einer OSA raten die
Schlafmediziner zur nächtlichen Maskenbeatmung. Sie lindert nicht nur
die Schlafstörungen. Eine effektive Therapie der OSA kann den Blutdruck
reduzieren und die Wirksamkeit einer antiarrhythmischen Therapie
deutlich verbessern, schreibt Professor Arzt in der DMW.
Ein zu kurzer oder gestörter Schlaf greift aber auch in den
Stoffwechsel ein. Menschen, die im Schichtbetrieb arbeiten oder
beruflich häufig Fernreisen unternehmen, sind davon besonders betroffen.
Experimente zeigen, dass die Störung der natürlichen Schlafarchitektur
Blutzucker und Insulin ansteigen lässt. Diese Kombination, die
Endokrinologen wie Professor Sebastian M. Schmid von Campus Lübeck des
Universitätsklinikums Schleswig als Insulinresistenz bezeichnen, ist
Ursache des Typ 2-Diabetes. Zuckererkrankungen im Alter haben parallel
zum Schlafmangel in der „24-Stunden-Gesellschaft“ zugenommen. Gestiegen
ist auch die Zahl der Übergewichtigen Menschen. Professor Schmid, der
eine Abteilung für Adipositasmedizin leitet, sieht hier ebenfalls einen
Zusammenhang. Schlafmangel macht nämlich hungrig. In Experimenten
steigert der Schlafentzug die Kalorienaufnahme. Auch Diäten
funktionieren laut Professor Schmid schlechter, wenn der nötige Schlaf
fehle. Die Ursachen sind nicht klar. Der Endokrinologe Professor Schmid
vermutet, dass Schlafmangel die Wirkung des Appetithormons Gherlin im
Gehirn steigert.
Eine verbesserte Schlafhygiene mit ausreichenden nächtlichen
Ruhezeiten ist für Professor Schmid ein vielversprechender Ansatz für
die Prävention und Therapie des metabolischen Syndroms. Diese
Kombination aus Diabetes, Übergewicht, Bluthochdruck und hohen
Fettwerten nimmt in Deutschland zu. Aber auch die Gesellschaft müsse
sich verändern. Die Entwicklung optimierter Arbeitszeitmodelle wäre
wünschenswert. Maßgeschneiderte Beleuchtungs-, Bewegungs- und
Ernährungsprogramme könnten nach Ansicht der Experten ebenfalls
helfen, Störungen der Tag-Nacht-Rhythmik entgegenzuwirken und das
Gleichgewicht im Stoffwechsel zu stabilisieren.
M. Gerlach und B. Sanner