Schädlinge, die uns in den Wein spucken

IN VIVO VERITAS:  SCHÄDLING VON WEINPFLANZEN IN ÖSTERREICH GENETISCH VARIABEL

Gleich 14 verschiedene Varianten eines sehr speziellen Bakteriums, das
Weinstöcke schädigt, kommen in Österreich vor. Dies ist eines der
herausragenden Ergebnisse eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF, das
sich mit der Schädigung von Weinpflanzen durch sogenannte Phytoplasmen
beschäftigte.

Phytoplasmen sind das „Gott-Sei-Bei-Uns“ der Pflanzenpathologen: Sie
stehen mit über 100 Pflanzenkrankheiten im Zusammenhang, können aber bis
heute nicht im Labor gezüchtet werden. Genaue Untersuchungen der
zellwandlosen Bakterien sind daher kaum möglich. Einem Team am Health
& Environment Department des AIT Austrian Institute of Technology
ist es nun in Zusammenarbeit mit der Höheren Bundeslehranstalt und dem
Bundesamt für Wein- und Obstbau, Klosterneuburg, gelungen, ein in
österreichischen Weingärten verbreitetes Phytoplasma näher
zu analysieren – und dabei konnte es Überraschendes feststellen.

VON TYP ZU TYP

Ein wesentlicher Aspekt des von Günter Brader geleiteten Projekts war
dabei die Isolierung und Charakterisierung der DNA von ganz bestimmten
Phytoplasmen: Jene, die für eine als Schwarzholzkrankheit (Bois Noir)
bezeichnete Vergilbungserkrankung von Weinreben verantwortlich sind. Die
spezielle Herausforderung dabei erläutert Brader so: „Da es ja keine
Laborkulturen der Phytoplasmen gibt, isolierten wir zunächst die gesamte
DNA von befallenen Wirtspflanzen. Damit erhielten wir ein Gemisch von
Pflanzen- und Bakterien-DNA. Dank einer speziellen Zusammensetzung der
Phytoplasmen-DNA konnten wir diese dann mit besonderen
Methoden abtrennen.“ Einmal isoliert, konnte das Team mit der
Charakterisierung der DNA beginnen. Anschließende Vergleiche bestimmter
DNA-Sequenzen zeigten dann überraschenderweise, dass es in Österreich
mindestens 14 Genotypen – also genetisch unterschiedliche –
Phytoplasmen gibt.

VON DER BRENNNESSEL AUF DEN WEIN

Weitere Untersuchungen ergaben dann, dass eine aktuell in Österreich
grassierende Ausbreitungswelle der Schwarzholzkrankheit hauptsächlich
durch einen einzigen dieser 14 Genotypen verursacht wird. „Zwei Drittel
aller Erkrankungen sind allein auf diesen einen Genotyp zurückzuführen“,
erklärt Brader. Verbreitet wird dieser Typ durch eine spezielle Zikade
(die Windenglasflügelzikade), wobei die Brennnessel als Zwischenwirt
dient. Die Klärung dieses Verbreitungsweges war insofern
überraschend, als bisherige Arbeiten andere Routen identifiziert hatten.
„Die Verbreitung könnte sich in den letzten Jahren geändert haben“,
meint Brader, dessen Erkenntnisse nun wesentlich zu den Möglichkeiten
der Bekämpfung beitragen.

INFEKTIONSVERGLEICH 

In einem zweiten Teil des Projekts wurden Modellpflanzen (Tomaten und
Immergrün) mit insgesamt sechs Genotypen des Phytoplasmas infiziert.
Ziel dieser Arbeit war es, zu untersuchen, ob die unterschiedlichen
Genotypen gleiche oder verschiedene Symptome in den Pflanzen verursachen
würden. Tatsächlich zeigten die Stämme markant
unterschiedliche Symptome. Dazu Brader: „Wir vermuten, dass sogenannte
Effektoren für diese unterschiedlichen Symptome zuständig sind. Das sind
Proteine, die von den Bakterien in die Wirtzelle abgegeben werden und
so den Infektionsprozess unterstützen.“

VERTEIDIGUNGSMECHANISMEN

Auch die Verteidigungsmechanismen der Pflanze interessierte das Team. So
untersuchte man die Wirkung der als Abwehrstoff bekannten Salicylsäure
in den Modellpflanzen. Dabei zeigte sich, dass diese scheinbar wenig
Einfluss auf die Anfälligkeit der Pflanzen hatte. So
wurden Tomatenpflanzen infiziert, die keine Salicylsäure akkumulieren
konnten. Würde diese Säure im Kampf gegen Phytoplasmen eine wichtige
Rolle spielen, so hätten diese Pflanzen deutlich anfälliger für eine
Infektion sein sollen – doch tatsächlich zeigten sie kaum Unterschiede
zu den unveränderten Formen. Zusätzlich wurde analysiert, ob eine
vorherige Behandlung mit anderen Bakterien sich in irgendeiner Form auf
die Infektion auswirken würde – und sich somit ein Weg
zur biologischen Schädlingsbekämpfung anbieten würde. Doch hier waren
die Ergebnisse ernüchternd: Eine einzige Bakterienart („Bacillus
atrophaeus“) verzögerte die Entstehung von Erkrankungssymptomen und
reduzierte die Anzahl von Phytoplasmen in der Pflanze – die Intensität
der Symptome blieb jedoch gleich.

Diese Erkenntnisse der Grundlagenforschung über Verbreitungswege und
Infektionsverläufe bieten wichtige Einblicke in die Möglichkeit für die
Schädlingsbekämpfung und bilden die notwendige Grundlage, um Eingriffe
zielgerichtet und effizient zu machen.

Zur Person

Günter Brader forscht am AIT Austrian Institute of Technology im Health & Environment Department  und ist Experte für die Wechselwirkungen von Pflanzen mit Mikroben sowie für die Nutzung von bakteriell produzierten Wertstoffen.