Renaissance der Rille: Schallplatten digital konservieren

Wiedergeburt der Schallplatte

Kaum zu glauben. Während CD-Verkäufe weltweit sinken, hat das altehrwürdige Vinyl zu einem neuen Höhenflug angesetzt. Viele kramen ihre alten Schätzchen hervor und auch der Verkauf von Plattenspielern hat in den letzten Jahren stetig zugenommen.

Hinzu kommt, dass Mega-Stars, wie z.B. Madonna, ihre Musik wieder, bzw. immer noch, auf Schallplatte veröffentlichen. Und auch die sog. Techno-Musik wäre ohne das „Scratchen“, also das rhythmische Hin- und Herbewegen einer laufenden Schallplatte, völlig undenkbar.

Da wundert’s also nicht, dass der 12. August 2007 sogar als „Welttag der Schallplatte“ gefeiert wurde.

Vom Trichter zur Platte

Wer kennt sie nicht, die „Wunderbaren Reisen des Barons von Münchhausen“. Aus dem Jahre 1777 stammt die Geschichte vom „eingefrorenen Posthorn“. Dieses Instrument gab erst beim Auftauen in der warmen Herberge diejenigen Melodien ab, die zuvor bei eisiger Kälte vergeblich hineingeblasen wurden.

Doch diese Art der Tonaufzeichnung ist selbstverständlich ein Lügenmärchen.

Denn erst 100 Jahre später, also im Jahre 1877, gelang es dem US-amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison erstmals die menschliche Stimme einzufangen und wiederzugeben. Sein sogenannter Phonograph bestand aus einer Walze mit aufgespannter Zinnfolie. Sprach man in einen Trichter hinein, drückte eine Nadel eine Punktschrift in die Walze, die sich dann wieder abtasten und abspielen ließ.

Das Prinzip ähnelte einer sog. Spieluhr. Hierbei werden – statt einer Nadel – Metallzinken durch eine Walze melodisch angeregt. Anstatt Vertiefungen, ist die Walze mit kleinen Stiften besetzt.

Übrigens, das Edison eine wahrhaftige Leuchte war, zeigt sich auch am Beispiel der Glühbirne, die er maßgeblich mitentwickelt hat. Die heutige Bezeichnung der Gewindegröße E 27, steht für Edison.

Auf den Trichter kam man 1896, als die Walze durch einen flachen Tonträger ersetzt wurde. Nach anfänglichen Versuchen mit Hartgummi entdeckte man schließlich sog. Schellack als verschleißfestes Bindemittel – die Schellack-Platte war geboren.

Schellack wird aus den harzigen Ausscheidungen – dem sog. Körnerlack – der in Südostasien beheimateten Lackschildlaus gewonnen.

Als Abspielgerät diente damals das Grammophon. Hierbei wurde die Schallplatte zunächst über eine Kurbel und ein Federwerk auf schnelle 78 Umdrehungen pro Minute gebracht. Eine Stahlnadel übertrug die Schwingungen auf eine Metall-Membran. An einer geöffneten Schalldose kann man gut die Hebelverlängerung der Nadel und die Membran erkennen. Als Schall-Verstärkung diente ein Trichter.

Nachteil: Die Stahlnadel war meist schon nach einer Plattenlänge verschlissen und musste gewechselt werden. Und auch die Lautstärke konnte nur umständlich über dicke oder dünne Nadeln oder über die Form des Trichters eingestellt werden.

Übrigens, das Modell aus unserer Sendung stammte aus dem Jahre 1915 und war eine Leihgabe des Grammophon-Museums in Krefeld. Das private Museum mit über 300 Exponaten ist ein Geheimtipp für Liebhaber des Grammophons und der Schallplatte (Bezugsquellen).

Seit den 30er Jahren gehören schließlich die elektrisch betriebenen Plattenspieler zum guten Ton. Am technischen Prinzip hat sich bis heute nichts geändert: Die Umdrehungszahl wurde auf  33 1/3 bzw. 45 reduziert und ein verschleißfreier Saphir oder Diamant dient als Nadelspitze. Eine Spule (Wandler) im Tonabnehmer wandelt die Schwingungen der Nadel in schwache elektrische Ströme um. Das nennt man „Induktion“.

Durch eine Entzerrung bzw. Verstärkung wird das Tonsignal schließlich über eine HiFi-Anlage und Lautsprechern wieder gegeben.

Es lebe die „Rille“
Die Rille einer „modernen“ Schallplatte hat eine Breite von ca. 40 Mikrometern. Das ist der 25. Teil eines Millimeters. Das Besondere daran ist, dass die Schallinformationen für den linken und rechten Stereokanal jeweils in die seitlichen Flanken der Rille eingeprägt sind.

In der vergrößerten Draufsicht (s. Bild) kann man schön die wellenförmigen Flanken sehen, die ein analoges d.h. direktes Bild der Tonschwingung wieder geben. Zu sehen ist auch die Spitze einer Diamantnadel.

Bei der riesigen Menge an zwei-kanaligen Toninformationen und den engen Rillenabständen musste schließlich nach Alternativen zum spröden Schellack gesucht werden. Am besten geeignet war das preiswerte und strapazierfähige PVC, also Polyvinylchlorid oder kurz: Vinyl.

Von der Tonaufnahme zur Pressung – Zeitreise in die 1960er Jahre

Bis Ende der 1980er Jahre war die Sonopress GmbH in Gütersloh die größte Schallplatten-Produktion Europas. Seinerzeit erfolgte die Fertigung nach einer nahezu unveränderten Technologie. Deshalb darf man bei der Schallplattenproduktion auch kein Hightech erwarten, da die neuesten Maschinen aus dem Jahre 1983 stammen:

1. Ausgehend von der Tonaufnahme entstand das Masterband, die Vorlage für die Vinylplatten-Herstellung.

2. Für die Herstellung einer Schallplatte in großer Stückzahl wird das gemasterte Programmmaterial zunächst mit einem beheizten Schneidstichel in den Lack einer beschichteten Folie geschnitten.

3. Diese Lackplatte wird zunächst mit Silber beschichtet, damit sie elektrisch leitend ist, und dann galvanisch verkupfert oder vernickelt. Diese Metallschicht bildet ein etwa 0,5 mm dickes Negativ, den „Vater“.

4. Von diesem werden in einem weiteren galvanischen Verfahren mehrere Positive, die „Mütter“, abgezogen. Diese können zur Kontrolle der Aufnahme abgespielt werden.

5. Die eigentlichen Pressmatrizen („Söhne“) werden wiederum durch einen galvanischen Prozess aus den Mutterplatten gefertigt. Um die Haltbarkeit der Pressmatrizen für größere Stückzahlen zu erhöhen, werden diese verchromt. Dieser Vorgang muss für beide Seiten der Schallplatte wiederholt werden.

Um dem Umweg über „Väter“ und „Mütter“ zu entgehen, wurde zu Beginn der 1980er das sogenannte DMM-Verfahren („direct metal mastering“ ersonnen. Hierbei erfolgt der Schnitt direkt in eine auf einer Edelstahlplatte aufgebrachte Kupferschicht, von welcher dann unmittelbar die „Söhne“ erstellt werden.

6. Als Rohstoff für die gepressten Schallplatten wird Polyvinylchlorid (PVC) verwendet, dem etwa 20 % Polyvinylacetat (PVAc) und weitere Additive zugesetzt werden. Der Pressvorgang einer Schallplatte dauert etwa 30 Sekunden: Eine dosierte Menge Rohmaterial (150 bis 180 g) wird zusammen mit den Etiketten zwischen die beiden Pressmatrizen gebracht und bei einem Druck von etwa 8·106 Pa (etwa 80 kg/cm2) und einer Temperatur von etwa 150 °C gepresst – wie in einem „Waffeleisen“.

7. Nach einer kurzen Abkühlphase, in der die Matrizen mit Wasser gekühlt werden, wird die Presse geöffnet und die Schallplatte entnommen. Ein Messer trennt den beim Pressvorgang entstandenen Quetschrand ab.

8. Anschließend wird die Schallplatte mittels eines Transportarms vom Teller entnommen und bis zum Verpacken auf einer Spindel zwischengelagert, dabei wird die Schallplatte etwa 10 Sekunden von der Umgebungsluft gekühlt.

Neben der Standardplatte gab und gibt es auch noch diverse Varianten: Z.B. farbige Platten oder eine Picture-Disc mit Bildern.

Flexible Schallfolien aus Polyethylen dienten oft als Gratis-Beigaben zu Zeitschriften etc.

Auch der Lachsack und viele Puppen besitzen im Innern eine Mini-Schallplatte.

Eine moderne Erfindung ist die Vinyl-Disc. Auf der einen Seite befindet sich eine analoge Plattenrille, auf der anderen Seite sind digitale Informationen als CD unter gebracht.

Schallplatten digitalisieren, aber wie ?

Apropos „digital“. In vielen Haushalten schlummern noch jede Menge analoge „Schätzchen“ und der Plattenspieler verstaubt auf dem Dachboden. Doch schon mit wenig Aufwand lässt sich die Vinyl-Musik ins digitale Zeitalter retten. Den teuren Überspiel-Service können Sie sich getrost sparen.

Abraten möchte ich zunächst von sog. Kombigeräten, wie sie zur Zeit vielfach angeboten werden. Die Geräte enthalten meist nicht nur den Plattenspieler, sondern gleichzeitig einen CD-Brenner, einen Speicherkarten-Slot, einen MP3-Player, Radio, Verstärker, Stereo-Lautsprecher, usw. Und das alles zum Spottpreis.

Schwächen gibt’s hier vor allem bei der Analog-Digital-Wandlung und der Qualität des Tonabnehmers. Außerdem hat man kaum Möglichkeiten zur Restaurierung.

Was aber tun? Wie sooft empfehle ich den Weg über den PC. Als Abspielgerät eignet sich zunächst ein sog. USB-Plattenspieler. Gute Modelle gibt’s bereits ab ca. 100 Euro.

Die Geräte sind mit einem justierbaren Tonabnehmer und einem Vorverstärker ausgestattet. Außerdem mit einem passablen Analog-Digital-Wandler, sowie einer USB-Schnittstelle zum Anschluss an den PC.

Günstiger wird’s, wenn man noch seinen alten Plattenspieler hat. Da diese reinen Abspielgeräte nur eine geringe Spannung erzeugen, könnte man die Geräte zunächst über die Stereoanlage oder über einen externen Vorverstärker an die Soundkarte des PCs anschließen.

Beste Ergebnisse liefert jedoch ein sog. „USB-Vorverstärker“ (TERRATEC „PhonoPreAmp iVinyl ML“ oder Magix „Music Cleaning Lab 2008 XXL“, ). Der enthält zusätzlich einen Analog-Digital-Wandler, der für die Schallplatten-Digitalisierung optimiert ist.

Bei der Digitalisierung werden die kontinuierlichen, also analogen Tonfrequenzen in bestimmten Zeitabständen abgetastet. Die so gewonnenen Einzelsignale bilden einen treppenförmigen Verlauf und können schließlich in digitale Datenpakete übertragen werden. Man spricht dann auch vom WAV-Format.

Schritt für Schritt von Analog zu Digital

Als Überspielsoftware empfehle ich die beiden etablierten Programme TERRATEC „PhonoPreAmp iVinyl ML“ oder Magix „Music Cleaning Lab 2008 XXL“. Beide wurden auch von der Stiftung Warentest als ideal eingestuft.

Nachfolgend die Schritt-für-Schritt-Anleitung für das Magix „Music Cleaning Lab 2008 XXL“:

1. Verbinden Sie zunächst den USB-Vorverstärker mit dem Plattenspieler und Ihrem PC.

2. Programm aufrufen und Plattenspieler starten.

3. Auf „Aufnehmen“ klicken. Der Aufnahmepegel sollte jetzt nicht über gelb hinaus gehen.

4. Auf „Aufnahme“ klicken. Die Musik wird nun digitalisiert und ins WAV-Format übertragen.

Oben kann man erkennen, wie die Aufnahme-Kurve langsam anwächst. Da wir in Stereo aufzeichnen, gibt’s oben und unten eine Kurve.

5. Ist das Ende des Titels oder der Platte erreicht, auf „Stop“ klicken und das Fenster schließen. Plattenspieler ausschalten.

6. Zum Entfernen von Störgeräuschen jetzt auf „Cleaning“ klicken.

7. Auf „Automatisch einstellen“ klicken.

8. Dann auf „Analysieren“, etwas warten und schließlich auf „OK“. Je nach Zustand der Platte werden Knistern, Kratzer und Rauschen effektiv entfernt.

9. Zur Probe auf’s Exempel auf „Original“ und schließlich auf „Ergebnis“ klicken.

10. Auf „Übernehmen“ klicken.

Weitere Features entnehmen Sie bitte der beiliegenden Bedienungsanleitung.

CD, MP3 oder beides ?

Die aufgefrischte Musik lässt sich nun auf  eine CD brennen. Dazu auf „Exportieren“ klicken, auf „Audio CD“ usw.

Grundsätzlich lässt sich 1 Schallplatte immer auf 1 CD-Rohling unterbringen. Rund 74 Minuten haben auf den Silberlingen Platz. Ansonsten muss eine DVD ran.

Für Fans der Unterhaltungselektronik dürfte die Möglichkeit interessant sein, die Musik gleich ins komprimierte MP3-Format zu verwandeln. Die Titel sind dann auf ca. 8 Prozent ihrer ursprünglichen Datenmenge reduziert.

Dazu Fenster schließen und auf „Dateien“ klicken. Einfach entsprechenden Titel mit WAV-Endung markieren und als Dateityp „MP3-Datei“ wählen. Mit „Exportieren“ wird der Konvertierungs-Vorgang gestartet. Anschließend Programm schließen und „Projekt speichern“.

Die so gewonnene MP3-Musik lässt sich nun ganz einfach auf diversen Geräten abspielen. Das geht bei TechniSat besonders einfach über eine Speicherkarte.

Auf den „TechniPlayer 4“ passt so unter Umständen Ihre komplette Plattensammlung. Außer MP3-Musik kann man mit dem kleinen Wunderding aber noch Fotos angucken und Videos abspielen. Gleichzeitig ist es auch Radio und Diktiergerät.

Über ein USB-Kabel kann der „TechniPlayer 4“ auch direkt am Flachbildfernseher HD-Vision angeschlossen werden.

Mit dem „TechniMax-Mediaplayer“ können Sie neben MP3-Musik auch terrestrisches Digitalfernsehen „DVB-T“ empfangen.

Oder wie wär’s mit dem Navigationsgerät „MobilNavigator“ ? Karte rein und los geht’s.

Der TechniTipp: Alles eine Frage der Justierung und Reinigung

Bevor Sie Ihre alten Schätzchen konservieren, empfiehlt sich zunächst den Plattenspieler zu justieren.

Für einen horizontalen Stand hilft zunächst eine gewöhnliche Wasserwaage.

Um Abtastverzerrungen zu minimieren, muss außerdem die Geometrie des Tonarmes überprüft werden. Dabei hilft die sog. „Justier-Schablone nach Schön“. Unter Plattenfreaks bis heute ein absoluter Klassiker.

Die wird einfach auf den Plattenteller gelegt. Mit Hilfe des genormten Linien-Musters und eines Spiegels kann z.B. die Tonarmlänge oder die tangentiale Lage des Tonabnehmers zur Rille, und noch vieles mehr, eingestellt werden.

Eine Justierung übers Gehör bietet eine Testplatte. Über spezielle Signaltöne kann hier z.B. die Kanalgleichheit und die Abtastfähigkeit eingestellt werden. (clearaudio, Bezugsquellen)

Fehlt noch die Überprüfung der exakten Drehzahl von 33 1/3 bzw. 45 Umdrehungen pro Minute. Dazu dienen Kalibrierungspunkte am Plattenteller-Rand. Alternativ geht’s auch mit einer sog. Stroboskop-Platte sowie einer 300 Hz-Stroboskop-Lampe. (clearaudio, Bezugsquellen)

Der Abstand der Punkte bzw. Striche ist so gewählt, dass bei korrekter Umdrehungszahl die Striche stehen bleiben.

Was nützt aber der beste Plattenspieler, wenn die Platten völlig verdreckt sind ? Man denke nur an Fingerabdrücke, Staub- und Nikotinablagerungen. Die üblichen Antistatiktücher und Carbon-Bürsten reichen da nicht mehr aus.

Eine sinnvolle Möglichkeit sind Platten-Waschmaschinen von Clearaudio (Bezugsquellen). Hierbei wird eine spezielle Reinigungsflüssigkeit auf die Platte gebracht und durch ein Absaugsystem wieder entfernt. Die Platte dreht sich dabei in beide Richtungen.

Keine Frage, die Wirkung solcher Systeme ist unbestritten. Leider liegen die Preise bei 600 Euro Minimum.

Günstiger sind da schon Patente, bei denen die Platte per Hand durch eine Reinigungsflüssigkeit und entlang einer Bürste gedreht wird.

Machen Sie sich doch Ihr Reinigungssystem einfach selbst.

Bereits 1975 habe ich dazu ein Rezept entwickelt.

Befüllen Sie einfach eine Plastik-Schüssel mit ausreichend destilliertem, also kalkfreiem Wasser. Natürlich können Sie auch abgekochtes Wasser nehmen.

Da hinein geben Sie nun 10 Tropfen eines klaren Spülmittels und die gleiche Menge Spiritus. Der Alkohol sorgt dafür, dass die Platten ohne Rückstände trocknen.

Mit einem Schwamm werden die Platten vorsichtig abgewaschen. Keine Angst, dabei löst sich nicht das Plattenetikett, da es fest eingepresst ist.

Anschließend Platte aufrecht trocknen lassen. Fertig.

Übrigens, das Abspielen von nassen Platten, z.B. mit einem Nassläufer, ist eher nicht zu empfehlen, da sich hierbei Salze der Lotion in den Rillen absetzen können. Einmal „nass“ heißt also immer „nass“.

Text, Idee & Fotos: Horst Minge