Problematik bei E-Mobilität. Verspricht sie viel zu viel?

INTERVIEW
MIT NIEDERSACHSENMETALL-HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER:Schmidt: "E-Mobilität
klimaschädlichste Antriebsart"

 Niedersachsenmetall

Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer
Volker Schmidt.

Der deutsche Streit um Dieselgrenzwerte von Autos ist von
"Hysterien und Angstpsychosen" geprägt, findet
Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt. Im Interview warnt der
Vertreter des Arbeitgeberverbands vor fatalen Folgen des Umstiegs auf
E-Mobilität.

von Klaus
Wieschemeyer
 

02. Januar 2019, 10:21 Uhr

HANNOVER | Herr
Schmidt, die EU hat sich auf eine deutliche Senkung der CO2-Grenzwerte für
Autos bis 2030 geeinigt…
 …

…und
es ist heute völlig fraglich, wie wir das erreichen sollen. Die EU versucht,
Elektromobilität mit der Brechstange einzuführen und zwar unabhängig davon, ob
E-Fahrzeuge überhaupt vom Verbraucher angenommen werden. Vor allem aber ist es
ein gigantischer EU-amtlicher Selbstbetrug in Sachen CO2, denn
E-Mobilität ist derzeit die klimaschädlichste Antriebsart. Doch wie sagt man so
schön: Wenn alle dran glauben, ist das die schönste Form von Selbstbetrug.

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Wie meinen Sie das?

Die
Produktion von Elektromobilen ist äußerst CO2-intensiv. Allein die
Herstellung des Akkus setzt bei Mittelklassefahrzeugen um die 17 Tonnen CO2 in
die Luft. Dafür muss ein Diesel oder ein Benziner erst einmal 200.000 km
fahren, um auf diese Menge CO2 zu kommen. Und auch das ist nur
ein Teil der Wahrheit, denn beim heutigen Strommix mit rund 55 Prozent aus
fossilen Energieträgern tankt das E-Auto überwiegend Kohle. Dann können es
sogar über 500 000 Kilometer sein, die der Verbrenner klimafreundlicher ist als
der reine Elektroantrieb.

Das sind ja nur aktuelle Werte. Mit mehr und besseren E-Fahrzeugen
dürfte sich die Bilanz ja bessern.

Diesen
Optimismus teile ich nicht. Wenn wirklich im prognostizierten Umfang E-Autos
gekauft werden, steigt der Stromverbrauch bei uns exorbitant an. Diese Rechnung
macht interessanterweise derzeit niemand auf. Dann kann es passieren, dass wir
unser Ziel von 50 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 gar nicht erst
erreichen und stattdessen mehr Kohle- oder importierten Atomstrom benötigen.
Diese Einführung der E-Mobilität mit der Brechstange ist vorne und hinten nicht
zu Ende gedacht.

Jetzt malen Sie aber schwarz.

Wenn
diese CO2-Grenzwerte 2030 in Kraft treten, bedeutet das je nach
Hersteller einen E-Auto-Anteil von bis zu 70 Prozent. Und das, obwohl die
Elektromobilität unter CO2-Gesichtspunkten alles andere als eine
akzeptable Zukunftstechnologie ist. Das gilt sowohl für die Herstellung der
Akkus als auch für den Strommix.

Aber der CO2-Ausstoß der Autoflotte ist ein Problem…


weil viele Kunden wegen des Dieselbashings auf Benziner umsteigen und so die CO2-Bilanz
verschlechtern. Unter Klimagesichtspunkten ist der Feldzug der so genannten
Deutschen Umwelthilfe gegen den Diesel geradezu verwerflich und im höchsten
Maße widersprüchlich.

Moment, die Stickstoffdioxidwerte sind nun mal wirklich dank der
Diesel vielerorts zu hoch.

Eine
Scheindebatte. Es gibt bis heute kein einziges Beispiel dafür, dass durch
Stickstoffdioxid im Straßenverkehr ein Mensch zu Tode gekommen ist. Selbst das
Bundesumweltamt räumt ein, dass es sich nur um politisch gesetzte Grenzwerte
handelt. Sie sind toxikologisch nicht zu begründen.

Das heißt?

Es
ist eine große Selbsttäuschung, der wir unterliegen. Vielleicht gehört es zum
Merkmal saturierter Gesellschaften wie der bundesdeutschen, dass wir besonders
für Hysterien und Angstpsychosen anfällig sind. Viele machen sich offenbar
überhaupt keine Gedanken darüber, wie viele Arbeitsplätze durch diesen Feldzug
gegen das Automobil auf der Kippe stehen.

Hysterie?

Es
handelt sich um eine hysterisch aufgeladene Debatte, die ausschließlich in
Deutschland geführt wird, nirgendwo sonst. Offenkundig steht die Hälfte der 500
europäischen Messstellen hier in Deutschland, die andere Hälfte teilen sich die
übrigen 27 EU-Staaten. Und die Werte verändern sich fundamental, wenn man die
Messstellen nur einige, wenige Meter versetzt.

Sie wollen den Diesel erhalten?

Wir
leisten uns als einziges Land der Welt den Luxus, eine Spitzentechnologie wie
den Diesel nach allen Regeln der Kunst kurz und klein zu schlagen. Wir
ignorieren zudem, dass gerade die deutsche Zulieferindustrie in hohem Maße
abhängig ist vom anspruchsvollen Dieselaggregat. Ein Dieselmotor beispielsweise
hat ungefähr 2200 Teile. Ein Elektromotor hat 150. Alleine das wird unsere
Zulieferindustrie vor große Herausforderungen stellen.

Was denn noch?

Nehmen
Sie allein den neuen WLTP-Standard bei der Abgasmessung. Der wird in 14 Monaten
in der EU durchgepeitscht, und gilt nicht nur für neue Modelle, sondern auch
für bestehende Baureihen. So einen Eingriff in eine laufende Produktion hat es
noch nie zuvor gegeben. Als Folge der Einführung von WLTP und Dieselbashing haben
wir verunsicherte Käufer, entwertete Fahrzeugbestände und eine grassierende
Unsicherheit über die gesamte Produktionskette. Die Zulieferer befinden sich in
einer Sandwichposition zwischen steigenden staatlichen Regulierungen,immer
neuen Anforderungen, die auf die Automobilkonzerne einprasseln und extremer
Planungsunsicherheit. Und ganz nebenbei sollen sie in Digitalisierung und
Elektromobilität investieren. Nicht nur ich frage mich: Wie soll das gehen bei
weg brechenden Umsätzen?

Ihr Verband wirft Deutschland vor, in einem Dornröschenschlaf zu
dämmern.

Deutschland
muss aufpassen, dass es nicht dem Mantra saturierter Gesellschaften verfällt,
das da lautet: Es geht uns gut. Wir müssen uns nicht anstrengen Der Wohlstand
ist in Stein gemeißelt. Das ist er eben nicht. Das Verständnis dafür, was
Wirtschaft und Industrie brauchen, ist in unserer Gesellschaft deutlich
geschwunden. Das hat bestimmt auch mit einer mehrjährigen moderaten
Aufwärtsbewegung zu tun…

… die man auch Aufschwung nennen kann…

Wir
haben seit acht Jahren ein Wachstum, dass sich um ein Prozent bewegt und das
sich vor allem aus privatem Konsum und höheren Staatsausgaben speist. Aber
leider kaum aus Investitionen, die wir aber bräuchten, um langfristig
wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Gegenteil: Seit Jahren bauen wir Kapazitäten
ab. Die Abschreibungen in den Unternehmen sind seit 2008 durchweg höher als die
Nettoinvestitionen. Wir dümpeln bei den Investitionen um die Nulllinie, obwohl
wir eigentlich massiv in die Digitalisierung investieren müssten.

So schlimm kann es doch nicht sein: 2017 verzeichnete allein
Niedersachsen ein sattes Wachstum von 2,5 Prozent!

Wenn
wir die Ausgaben des Staates für die Flüchtlingsintegration abziehen, liegen
wir seit 2015 streckenweise bei etwas mehr als einem Prozent Wachtum pro Jahr.
Das ist entschieden zu wenig. Wir bräuchten Anreize für mehr Investitionen wie
degressive Abschreibungen oder Steuervorteile bei Forschungsausgaben. Aber in
Berlin tut sich kaum etwas. Ich befürchte, das wird uns noch kräftig auf die
Füße fallen.

Begrüßen Sie die Ankündigung von Niedersachsens Wirtschaftsminister
Althusmann, 5G-Internet an jede Milchkanne bringen zu wollen?

Das
tut dringend not. Mich erinnert es an die Zeit von 2003 bis 2008, wo wir uns in
Niedersachsen das Ziel gesetzt hatten, im Standortwettbewerb der Bundesländer
aufzuholen. Wir holen heute übrigens nur das auf, was anderswo schon längst
gang und gäbe ist. In China gibt es flächendeckendes 5G. Aber immerhin, es tut
sich was, das Problem ist erkannt.

Die Bundesminister Altmaier und Karliczek finden nicht, dass wir 5G
bis in jeden Winkel brauchen.

Zwei
Drittel aller Niedersachsen leben jenseits der Ballungsräume. Wenn wir eine
gesunde wirtschaftliche Entwicklung in der Fläche wollen, müssen wir zwingend
5G an der letzten Milchkanne installieren.

Warum braucht denn jemand im tiefsten Harz 5G?

Wir
müssen heute schon aufpassen, dass der Harz nicht das Mezzogiorno Deutschlands
wird. Wir haben im Harz auch Industrie, die im globalen Standortwettbewerb
steht. Wenn bei einem bedeutenden Autozulieferer zwei volle Tage das Netz
lahmgelegt ist, weil er eine Produktkonfiguration von VW herunterladen muss,
wird das zur Standortfrage.


Quelle: https://www.nnn.de/22121627
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