Berlin. Nachdem die Stromwirtschaft wegen der Höhe der Strompreise seit etlichen Monaten in der Kritik von Politik und Öffentlichkeit steht, bot das Energieforum des Forum für Zukunftsenergien eine Plattform für dieses Thema. Die Preisbildungsmechanismen wurden erläutert sowie unter gesellschaftsrelevanten und rechtlichen Aspekten bewertet.
Einleitend zeigte der Kuratoriumsvorsitzende des Forum für Zukunftsenergien und ehemalige Vorstand der Deutsche Bank AG, Dr. Tessen von Heydebreck, anhand der jüngsten politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen die Brisanz des Themas auf. Zugleich formulierte er seine Sorge um die Vorgänge rund um den Ausbau von Stromerzeugungskapazitäten. Er mahnte mehr Augenmaß und Rationalität im Umgang mit den Stromerzeugungsstrukturen an.
Prof. Dr. Axel Ockenfels (Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Universität zu Köln) stellte seinen Vortrag unter die Überschrift "Ökonomik versus Intuition". Die Tatsache, dass Strom nicht effizient speicherbar sei und das Angebot der Nachfrage angepasst werden müsse, mache den Strommarkt zu einem besonderen Markt. Dieses würde dazu führen, dass Strom zu unterschiedlichen Kosten produziert werde. Der Preis im Wettbewerb sei schließlich gleich dem Preis der zusätzlichen Kosten der am teuersten produzierten Einheit. Es könne nicht gelingen, den Preis unter die zusätzlichen Kosten der teuersten produzierten Einheit zu drücken, da zum einen Strom ein homogenes Gut sei, für dass es nur einen Preis geben kann und zum anderen kein rationaler Energieerzeuger Strom unter den zusätzlichen Kosten anbieten würde, denn andernfalls würde er Verluste machen.
Ockenfels führte weiter aus, dass der Preis zuweilen über den (zusätzlichen) Kosten der letzten Einheit liegen müsse, um auch Investitionskosten zu decken. Würde dieses nicht geschehen, bestünde die Gefahr, dass der Markt langfristig "gegen die Wand gefahren würde". Er kritisierte, dass aktuelle Studien dieses nicht genügend berücksichtigten.
Hohe Gewinne der EVU werden häufig als Zeichen mangelnden Wettbewerbs interpretiert. Lt. Ockenfels sind sie jedoch kein geeigneter Indikator für die Wettbewerbsintensität, weil die Brennstoff-, Zertifikats- und Strompreise kurzfristig volatil, die Kraftwerkskapazitäten jedoch sehr träge seien.
Auch die häufig genannte Sorge, dass ein Markt mit nur 4 großen Teilnehmern nicht funktionieren könne, teilt Ockefels nicht; sie sei noch nie in Studien belegt worden. Wenn Kapazitäten knapp seien, hätten auch kleine Anbieter ein Marktmachtpotenzial. Die entscheidende Größe sei, wie viel Kapazität am Markt sei, d.h. wie viel investiert worden sei.
Ausgehend von diesen Thesen bezweifelt Ockenfels die Wirkung der diskutierten Maßnahmen Zerschlagung, Unbundling, Preiskontrolle und der Stärkung der Liquidität des Spotmarktes durch Andienungspflicht. Stattdessen plädierte er dafür, Märkte zu verknüpfen, Übertragungskapazitäten zu erhöhen und Investitionsanreize zu entwickeln. Entscheidend sei, ob vernünftig investiert wird.
Dr. Florian C. Haus (Freshfields Bruckhaus Deringer) bewertete die vorgeschlagenen Maßnahmen, wie die GWB-Novelle und die strukturellen Forderungen der EU unter gesellschaftsrelevanten und rechtlichen Aspekten.
Nach der GWB-Novelle liegt die Beweislast für die sachliche Rechtfertigung einer beanstandeten Preisgestaltung im Verwaltungsverfahren nunmehr bei dem marktbeherrschenden Unternehmen. Haus gab zu Bedenken, dass das nicht zu leisten sei, da es den Unternehmen oft nicht bekannt sei, weshalb sie schlechter dastehen als die Wettbewerber.
Gem. der Novelle dürfen die EVU keine Entgelte fordern, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten – die Gewinne werden also begrenzt. Problematisch sei in diesem Zusammenhang, so Haus, dass der Kostenbegriff nicht genügend definiert sei und sich die Frage stellen würde, was ein zulässiger Gewinn sei.
Zur Unternehmensstruktur werden das Ownership-Unbundling. der ISO (Independent System Operator) und das Aktiensplitting von der Kommission vorgeschlagen. Rechtlich betrachtet, gebe es jedoch Kompetenzschranken für die EU und unabhängig davon, ergebe sich die Frage der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme sowohl im europäischen als auch im deutschen Recht.
Ebenso kritisch sah Haus Vorstöße aus dem politischen Raum in Deutschland, die in Märkten mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung, in denen auf absehbare Zeit kein Wettbewerb zu erwarten ist, Zwangsverkäufe von Kraftwerksbeteiligungen und/oder Stadtwerkebeteiligungen zum Ziel haben.
Insgesamt könne man feststellen, dass es wünschenswert wäre, wenn man die Geduld aufbringen würde, die bestehenden Instrumentarien zu erproben und ihre Wirkung festzustellen.
In der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Leitung von Niels Lau (Bundesverband der Deutschen Industrie) verdeutlichte Maik Neubauer (Mitglied des Vorstandes, EEX), dass es bereits einen europäischen und internationalen Markt geben würde. Die EEX sei eine funktionierende Institution und stehe unter hinreichender Kontrolle, so dass es keine Manipulationen geben würde.
Dr. Hans-Jürgen Witschke (Vorsitzender der Geschäftsführung, DB Energie GmbH) schloss sich den bereits vorher formulierten Forderungen nach Investitionen an. Er plädierte für eine Ausweitung der Anbieter, z.B. aus dem Ausland. Allerdings zeige seine Erfahrung, dass diese z.B. durch die GWG-Novelle abgeschreckt werden. Die Novelle sei deshalb kontraproduktiv. Er empfahl der Politik, ausreichende Rahmenbedingungen für den Wettbewerb zu setzen, sich aber nicht zu sehr einzumischen.
Dr. Werner Brinker (Vorstandsvorsitzender, EWE AG sowie Vorstandsvorsitzender, Forum für Zukunftsenergien) stimmte mit ihm in der Beurteilung der Investitionsbereitschaft überein. Langwierige rechtliche Planverfahren wirkten ebenfalls abschreckend. Er bemängelte außerdem, dass in der politischen Debatte ökonomische und juristische Gesichtspunkte außer Acht gelassen würden nur noch die Wahltaktik zähle.
Leider konnte MinDirig Dr. Fridhelm Marx (Leiter der Unterabteilung Wettbewerbs- und Preispolitik im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) krankheitsbedingt nicht wie geplant an der Diskussion teilnehmen und die Standpunkte seines Hauses vertreten.
Die Präsentation von Dr. Haus sowie einen Verweis auf Veröffentlichungen von Prof. Dr. Ockenfels finden Sie auf der Website des Forum für Zukunftsenergien.
Über das Forum für Zukunftsenergien e.V.
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