06.04.2012 Plädoyer für eine vernunftbasierte Politik

Zeitlebens habe ich mir die Frage gestellt, warum ein zivilisiertes Volk wie die Deutschen einem Verbrecher und Psychopaten wie Hitler überhaupt die kleinste Chance eingeräumt hat. Das ist einer der Gründe, weshalb ich neben meinen naturwissenschaftlich-technischen Studien ein Studium der Soziologie angehängt habe.

Eines der Ergebnisse ist, dass das Verhalten der Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft in ähnlichen Gesetzmäßigkeiten abläuft wie in der Naturwissenschaft, allerdings unter statistischen Kriterien. Auch in der Physik gibt es solche Gesetze, zum Beispiel die der Thermodynamik. So kann man zwar mit einem einfachen Thermometer die Temperatur messen, aber nie das Verhalten von einzelnen Atomen oder Molekülen, das heißt ihre individuelle Wärme-Bewegung voraussagen.

Auf den Menschen bezogen bedeutet das, dass das Individuum einen großen Entscheidungsspielraum behält,  obwohl die große Masse vorhersagbare Verhaltensweisen entwickelt, damit hat sich die Soziologie von Anfang an beschäftigt. Das gilt ganz besonders für wirtschliche  Gesetzmäßigkeiten, die nicht ohne großen Schaden beliebig manipuliert werden können. Leider ist das den wenigsten Politikern bewusst, und deshalb sind beispielsweise die ehemals kommunistischen und faschistischen und andere diktatorisch regierten Staaten wirtschaftlich und humanitär  total gescheitert. Die größte Entdeckung in diesem Bereich ist für mich die soziale Marktwirtschaft. Ich habe noch bei Professor Müller-Armack Vorlesungen besucht, und war fasziniert von seiner Weitsicht. Professor Müller-Armack war immerhin der Wissenschaftler, der Ludwig Erhard zu seiner segensreichen Politik veranlasste. Dadurch konnte das von den Alliierten nach dem zweiten Weltkrieg geschaffene Gebilde Bundesrepublik lange Zeit einen Aufschwung erleben, wie er in der Geschichte niemals zu beobachtet wurde.

Zu den Visionären, die die Soziale Marktwirtschaft erfunden haben, gehörten selbstverständlich auch andere kluge Männer und Frauen, ich möchte da nur Walter Eucken und den Jesuiten Oswald von Nell Breuning nennen. Ohne Markwirtschaft gerät eine Gesellschaft ohne weiteres in die Zwangsbewirtschaftung und einer Gängelung der Bürger, wie sie in sämtlichen kommunistischen und diktatorischen Staaten üblich war und ist. Ich würde sogar sagen notwendigerweise, denn wenn Preise willkürlich festgelegt werden, erhält das wirtschaftliche Handeln der Menschen eine Zwangsjacke, verbunden mit Korruption, schwarzem Markt und extremer Kontrolle des Einzelnen.
Gleiches gilt für die Finanzwirtschaft, Geld ist nur solange etwas Wert, wie entsprechende Güter dagegen stehen. Genau das ist es, was dem Euro hoffentlich nicht den Garaus machen wird. Das Problem Griechenland ist ja nur entstanden, weil dessen Politiker auf Grund extrem niedriger Zinsen in ihrem Land sich Wähler kaufen konnten, und das am laufenden Band. Es wird immer wieder von der Unfähigkeit der Griechen gesprochen, den Sparappellen Folge zu leisten, aber das eigentliche Problem liegt darin, dass es der Finanz-Administration  nie gelungen ist, die ausstehen Steuern einzutreiben. Ich verstehe nicht, warum die Euro-Gewaltigen nicht auf dieses Thema gekommen sind, und ich verstehe auch nicht, warum die griechische Regierung die hunderte von Milliarden, die die Bürger ihres Landes in der Schweiz deponiert haben, nicht zurückholt, obwohl Abkommen mit der Schweiz existieren.

Wenn Deutschland jetzt im Grundgesetz eine Schuldenbremse eingebaut hat, dann ist dies ein erster Schritt zu einer Vernunft bezogenen Finanzwirtschaft. Denn auch unsere Politiker sind bisher immer der Versuchung erlegen, auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder Schulden in extremer Weise aufzubauen, um das Wählervolk zu beschwichtigen. Die Theorie von John Maynard Keynes und seinem Defizit-Spending ist in schlechten Zeiten sicherlich ein sehr gutes Mittel, die Konjunktur wieder anzukurbeln, aber dieses Geld muss in guten Zeiten wieder zurück geführt werden, und das haben die Politiker bisher vermieden. In der Vergangenheit – wenn die Schulden über den Kopf gewachsen sind, ist den Staaten meist eine Währungsreform eingefallen, wie nach der Hyperinflation in den 20er und 30er Jahren oder nach dem zweiten Weltkrieg. Aber das ist ein extremer Betrug an den Bürgern, die guten Willens waren.
Wenn ich eingangs die soziale Marktwirtschaft erwähnt habe, dann möchte ich das noch etwas präzisieren:  Sozial heißt, dass auf keinen Fall eine völlig freie Marktwirtschaft  Raum greifen darf, sondern dass die Randbedingungen der Marktwirtschaft in sozialer  und natürlich auch in ökologischer Weise eng abgesteckt werden müssen (Stichwort: soziale und ökologische Marktwirtschaft), überwacht durch Kartellamt, durch Verfassungsgericht und andere politische Instanzen. Nur innerhalb dieser Grenzen läuft der freie Handel ab, das heißt – und das beweist auch die volkswirtschaftliche Theorie, dass dann optimale Preise durch Angebot und Nachfrage und Konkurrenz entstehen, so dass Mangel-erscheinungen nur ganz selten auftreten. Gleiches gilt auch für den Arbeitsmarkt, auf dem Gewerkschaften und Arbeitgeber die Preise frei aushandeln sollten. Wobei meines Erachtens ein Mindestlohn durchaus Sinn macht, und der Marktwirtschaft nicht widersprich. Er gehört dann in die Kategorie der Randbedingungen.

Ob Deutschland in dieser Hinsicht jemals wieder zu einer rationalen Politik zurückfindet, ist eine andere Frage, denn wer erinnert sich schon an die Anfänge unserer Republik, an die großen Frauen und Männer wie  Ludwig Erhard, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Thomas Dehler, Hildegard Hamm-Brücher und viele andere, die der sozialen Marktwirtschaft ein Gesicht gegeben haben.
Wir sind satt, und ich möchte folgende Tatsache zur Diskussion stellen, dabei gehe ich von zwei Kategorien menschlichen Verhaltens aus, die natürlich untereinander fliessende Übergänge haben:
Die eine Gruppe der Menschen nenne ich „Analysten“, die haben sich in voller Überzeugung dem Prinzip von Ursache und Wirkung verschrieben. Die sind es in der Regel, denen wir unseren extremen Wohlstand verdanken, und die in Zukunft auch ein verantwortungsvolles nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen werden.
Die zweite Gruppe nenne ich „Emotionalisten“. Das sind die Menschen, die sich fast ausschließlich von ihrem Bauch, von Ängsten, Vorurteilen oder  geschickten Einflüsterungen inkl. Propaganda  leiten lassen. In den Anfängen unserer Republik schätze ich, hielten sich  beide Gruppen die Waage, heutzutage haben die „Emotionalisten“ bei weitem die Ober-hand gewonnen.  Das gilt besonders auch für die Energie- und Um-weltpolitik, ganz nach dem Motto: Wir brauchen keine Kraftwerke, bei uns kommt der Strom aus der Steckdose. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber meine Einschätzung läuft darauf hinaus, dass wir heutzutage nur noch über 20% „Analysten“ und 80% „Emotionalisten“ verfügen. Und da ist es außerordentlich schwierig, die Menschen mit Argumenten von einer rationalen Politik zu überzeugen.
Zum Schluss noch den Linken mit ihrer Vorliebe für extrem staatlich gelenkte Volkswirtschaft ins Gästebuch:
Ich bin genauso wie sie entschiedener Gegner des extremen Kapitalis-mus. Besonders in der heutigen Zeit des weltweiten Neoliberalismus feiert er durch gewissenlose Börsenspekulanten verhängnisvolle Auferstehung. Wenn dies die Ergebnisse des Neoliberalismus sind, dann gehöre ich mit zu seinen größten Kritikern. Eins allerdings sollte man stets bedenken, beim Begriff Kapital handelt es sich nicht nur um Geld, das sicherlich nicht gerecht unter den Menschen verteilt ist. Hinter Kapital stehen auch Produktionsmittel, die Arbeitsplätze und Arbeits-erleichterung schaffen. So war das auch schon in den Anfängen der menschlichen Kultur, als wir noch Jäger und Sammler waren. Ein Netz zum Fische fangen herzustellen oder einen Speer, um wilde Tiere zu erbeuten, bedeuteten zunächst Konsumverzicht. Diese aus der heutigen Sicht primitiven Geräte verstärkten danach die Effizienz menschlicher Arbeit.

Ihr Jean Pütz