iDiv Pressemitteilung, 21.11.2016
Pilz hilft Pflanze: Tomatenpflanzen, die von einem Pilz besiedelt sind, können sich besser gegen gefräßige Würmer wehren
Leipzig/Jena.
Für Pflanzen sind hungrige Tiere und infektiöse Mikroben eine ständige
Bedrohung. Tomatenpflanzen zum Beispiel werden häufig von kleinen
Würmern befallen, die an ihren Wurzeln fressen. Ein Pilz kann den
Pflanzen helfen, sich gegen solche Angriffe besser zu verteidigen, wie
Forscher in der Fachzeitschrift New Phytologist berichten. Die neuen Erkenntnisse kommen künftig vielleicht Landwirten
und Gärtnern zugute: Möglicherweise können diese einmal ihre
Tomatenpflanzen mit einer Art Pilz-Impfung gegen einen Wurm-Befall
wappnen.
Nematoden der Art Meloidogyne incognita sind bedeutende Feinde der Tomate. Diese
kleinen Würmer induzieren Gallen in den Wurzeln, die sie dann
besiedeln, während sie sich von Pflanzengewebe ernähren. Das Problem der
Pflanzen ist: Sie können vor ihren Angreifern nicht davonlaufen. Aber
sie haben andere Möglichkeiten, sich zu wehren, nämlich mithilfe
chemischer Substanzen, die giftig oder abschreckend für Parasiten sind.
Die Produktion dieser Verbindungen wird von kleinen Hormonen wie Salicyl– und Jasmonsäure organisiert.
Jedoch ist nicht
jedes Zusammentreffen mit anderen Organismen für Pflanzen schädlich.
Manchmal kann es auch Vorteile bringen, wenn zwei sich zusammenzutun,
zum Beispiel im Fall von bestimmten Mikroben und Pflanzenwurzeln.
Ähnlich wie Mikroben im menschlichen Verdauungstrakt stellen auch die
wurzelbewohnenden Mikroorganismen ihrem Wirt wichtige Funktionen zur
Verfügung, die im Zusammenhang mit der Aufnahme von Nährstoffen und dem
Schutz gegen Infektionen stehen. Über ein Beispiel für eine solche
Gemeinschaft hat nun ein internationales Forscherteam in der
Fachzeitschrift New Phytologist berichtet: Ein Pilz aus dem Genus Trichoderma lebt im Gewebe von Tomatenpflanzen (endophytisch)
und hilft seinem Wirt, sich gegen den Befall mit Nematoden zu
verteidigen. „Der Pilz fördert die Immunabwehr der Pflanze indem er die
Produktion giftiger Substanzen bei einen Nematodenangriff ankurbelt. Dies führt dazu, dass weniger Nematoden in die Wurzeln
eindringen, die Fruchtbarkeit der Nematoden abnimmt und sich weniger
Wurzelgallen bilden“, erklärt Dr. Ainhoa Martinez-Medina, Erstautorin
der Studie vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung
(iDiv) sowie der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). Die
Experimente hatte Martinez-Medina an der Universität Utrecht
(Niederlande) durchgeführt, wo sie gearbeitet hatte, bevor sie nach
Leipzig kam.
Um das komplexe
Zusammenspiel zwischen den Tomatenpflanzen, dem Pilz und den Nematoden
zu untersuchen, hatten sich die Forscher ein ausgeklügeltes
Studiendesign ausgedacht. Jeweils die Hälfte der Wurzeln ihrer
Versuchspflanzen wuchs in einem Blumentopf, die andere Hälfte in einem
anderen. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler verschiedene
Kombinationen ihrer Versuchsgruppen testen: Befall mit Nematoden versus
keine Nematoden sowie Besiedelung mit Pilz versus kein Pilz. Im
Anschluss wurden Markergene untersucht, die an den chemischen Abläufen beteiligt sind, die durch Salicyl– und Jasmonsäure gesteuert werden. Die Resultate zeigen, dass der Trichoderma-Pilz
die Pflanzen „präpariert“, sodass diese sich anschließend schneller
gegen einen Nematoden-Befall verteidigen können. „Diese Präparation ist
vergleichbar mit einer Schutzimpfung bei uns Menschen, durch die unser
Immunsystem lernt und so später effektiver auf eine Infektion reagieren
kann“, erklärt Martínez-Medina. In Zukunft könnte das Wissen über
die Vorteile der Pilz-Besiedelung für Pflanzen helfen, nachhaltige
Lösungen für die Landwirtschaft zu entwickelt, sagt die
Wissenschaftlerin: „Pflanzen-Impfungen auf Basis derhilfreichen
Mikroben könnten helfen, die Pflanzen gegen Krankheitserreger und
Schädlinge zu ‚immunisieren‘ und so auf nachhaltige Weise Ernteausfälle
durch Infektionen einzudämmen.“
Interessant ist,
dass die pilzinduzierte Resistenz ein plastisches Phänomen ist. Das
bedeutet, dass sie sich an die jeweilige Phase des Nematoden-Befalls
anpasst: Zu Beginn fördert der Pilz die durch Salicylsäure gesteuerte Verteidigung in den Wurzeln, was zu einer höheren
Widerstandsfähigkeit gegen das Eindringen der Nematoden führt. Später,
wenn die Nematoden in den Wurzeln fressen, erhöht der Pilz die
Widerstandsfähigkeit der Pflanze über die Jasmonat-Konzentrationen, wodurch die Entwicklung und Reproduktion der Nematoden gehemmt wird. Tabea Turrini