Ohne Verbrauchssenkung kein Atomstrom-Abschied

Alternative Szenarien nach Emissionen und Finanzierbarkeit verglichen

Der Endkunde bestimmt, welche Energiestrategie Zukunft hat (Foto: pixelio.de/Liebisch) 
 
Berlin (pte/19.06.2009/13:40) – Die Klimaziele der deutschen Bundesregierung für 2020, den Kohlendioxid(CO2)-Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken, sind mit den derzeit verfolgten Strategien nicht zu erreichen. Zu diesem Schluss kommt der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) http://www.vde.com/ in einer soeben in Berlin präsentierten Studie. Das Regierungsszenario gehe von sinkendem Stromverbrauch aus, was geringere Stromproduktion erfordern und die CO2-Bilanz aufbessern würde. "Die Entwicklung der letzten beiden Jahren hat jedoch gezeigt, dass Verbrauch um bis zu 0,6 Prozent pro Jahr steigen oder zumindest konstant bleiben wird", so der VDE-Energieexperte Wolfgang Schröppel im pressetext-Interview.

Die VDE-Berechnung kommt auf mehrere alternative Strategien für das Jahr 2020, durch die der Staat sowohl Geldmittel als auch Emissionen einsparen könnte. Der "umweltoptimale Mix" sieht jeweils ein Viertel der Stromerzeugung aus Kernkraft und erneuerbaren Energien vor, die Hälfte weiterhin aus den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Öl. Diese Strategie würde die CO2-Emissionen gegenüber dem Regierungsszenario um ein Drittel senken und 163 Mrd. Euro kosten, 30 Mrd. weniger als veranschlagt. Ein "kostenoptimaler Mix" komme ohne nennenswerte Emissionsreduktion mit Investitionen von 120 Mrd. Euro aus. Er setzt auf 62 Prozent Fossilbrennstoffe, 18 Prozent aus erneuerbaren Energien und 15 Prozent Kernkraft. Beide Varianten nehmen allerdings den gleichen Anstieg des Stromverbrauchs wie bisher als Vorbedingung.

Als deutlichsten Gegensatz zum Regierungsvorhaben, Deutschland atomstromfrei zu machen, setzen beide vom VDE bevorzugten Varianten auf die Verlängerung der Laufzeit bestehender Atomkraftwerke. Der in der Studie ebenfalls untersuchte Abschied vom Atomstrom gewinnt immerhin den Vergleich als emissionsärmste Variante. Dennoch sei sie bei steigendem Stromverbrauch nicht realistisch, betont Schröppel. "Um die gesamte Flotte nicht nur der alten fossilen Kraftwerke, sondern auch der Kernkraftwerke zu ersetzen, müsste eine Leistung von 50 Gigawatt durch erneuerbare Energien aufgebracht werden. Das ist bis 2020 absolut nicht realisierbar, zumal wären die Kosten dafür dreimal höher."

Als "wichtigsten Stellhebel für die Nachhaltigkeit der Stromversorgung" sieht Schröppel alle Maßnahmen, die den steigenden Verbrauch senken. Der Staat habe seine Möglichkeiten dazu bisher grob vernachlässigt und nur Signale gesetzt, die nicht zur Verhaltensänderung des Endkonsumenten beitragen. "Die Abwrackprämie für Autos nützt statt der Umwelt nur der Autolobby, denn dadurch wurden bloß die aktuellen Modelle begünstigt, nicht jedoch emissionslose Fahrzeuge. Mit den gleichen fünf Mrd. Euro hätte man eine Abwrackprämie für energiefressende Geräte und Systeme schaffen können, die wesentlich mehr Signalwirkung gehabt hätte", kritisiert der Energieexperte. Der Strompreis sei noch zu billig, um ein Umdenken und eine Verhaltensänderung bei Endkunden zu bewirken. "Kaum jemand weiß überhaupt, wie viel er für Strom bezahlt. Eine monatliche Zusendung der Stromrechnung würde das Bewusstsein steigern." (Ende)