Nationalakademie Leopoldina plädiert für Neuregelungen in der Transplantationsmedizin und bei der Verteilung von Spenderorganen
Das
Vertrauen in das derzeitige System der Organverteilung in der deutschen
Transplantationsmedizin ist stark gesunken. Auslöser waren
Richtlinienverstöße an mehreren Kliniken. Wie kann die Frage nach der
Verteilung von Spenderorganen künftig besser gelöst werden? Wie kann
Vertrauen zurückgewonnen werden? Um diese Fragen zu diskutieren, hat die
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina am 20. Februar
(Transplantations-)Mediziner, Juristen und Ethiker
sowie Vertreter der zuständigen Gremien der Bundesärztekammer und
Eurotransplant in einem Symposium zusammengebracht. Im Anschluss an die
Diskussion veröffentlicht die Leopoldina nun Vorschläge für mögliche
Neuregelungen in der Transplantationsmedizin und
bei der Verteilung von Spenderorganen. Ergänzend erscheint eine
Dokumentation des Symposiums, um transparent zu machen, entlang welcher
Konfliktlinien die Diskussionen verliefen.
Im Mittelpunkt des Symposiums standen Fragen nach Kriterien der
Organverteilung, der Durchführung von Transplantationen, dem
Rechtsschutz für Patienten und der Kontrolle von Abläufen und ihrer
Qualität in der Transplantationsmedizin. Auf der Grundlage der
Fachdiskussion
wurde ein Papier der Reihe „Leopoldina-Diskussion“ erstellt. Dieses
analysiert einige der zentralen Problemfelder des jetzigen Systems und
nimmt die verschiedenen Anregungen des Symposiums zu Neuregelungen auf.
Das Diskussionspapier empfiehlt einen effektiven Rechtsschutz für
Patienten. Dieser soll Möglichkeiten eröffnen, gegen die Entscheidung,
nicht in Wartelisten aufgenommen zu werden beziehungsweise von diesen
gestrichen zu werden, zu klagen. Hierfür bedarf es
klarer rechtlicher Zuständigkeiten und Strukturen, die zeitnahe
Entscheidungen ermöglichen.
Hinsichtlich der Verteilungskriterien empfehlen die Autoren, stärker als
bisher zu berücksichtigen, dass medizinische Expertise zwar eine
zentrale Rolle spielt, die Verteilungskriterien jedoch auch eine starke
normative Dimension haben. Diesbezügliche Regelungen
können deshalb nur vom demokratisch legitimierten Parlament vorgenommen
werden.
Zudem schlagen die Experten Änderungen in der Organisationsstruktur der
Transplantationsmedizin vor: Bislang wird die Kontrolle der Abläufe und
ihrer Qualität von der Bundesärztekammer mit ehrenamtlichen Experten
versehen. Es sollte darüber nachgedacht werden,
stattdessen eine unabhängige Institution mit hauptamtlichen
Mitarbeitern einzurichten. Diese wäre gehalten, mittels transparenter
Struktur und Arbeitsweise das Vertrauen in die Transplantationsmedizin
nachhaltig zu sichern.
Schließlich enthält das Diskussionspapier ein Plädoyer dafür, die Anzahl
der Kliniken zu reduzieren, an denen Transplantationen durchgeführt
werden. An diesen Transplantationszentren sollte dabei neben dem
chirurgischen Eingriff auch die Vor- und Nachsorge
sowie eine entsprechende Forschungstätigkeit angesiedelt sein.
Teilnehmer des Symposiums am 20. Februar in Berlin waren Wissenschaftler
aus den Fachgebieten Medizin, Rechtswissenschaften, Philosophie und
Ethik, darunter Vertreter der Ständigen Kommission Organtransplantation
der Bundesärztekammer, der Vertrauensstelle
Transplantationsmedizin der Bundesärztekammer, der Stiftung
Eurotransplant sowie der Ethikkommission der Deutschen
Transplantationsgesellschaft. Initiator des Fachgesprächs waren die
beiden Wissenschaftlichen Kommissionen „Gesundheit“ und
„Wissenschaftsethik“
der Leopoldina unter der wissenschaftlichen Leitung von Professor
Rüdiger Siewert, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Freiburg,
und Mitglied der Leopoldina.
Das Diskussionspapier und die Dokumentation des Symposiums sind frei zugänglich unter:
www.leopoldina.org/de/transplantation
Transplantationsmedizin und Organallokation in Deutschland: Probleme und
Perspektiven, Leopoldina-Diskussion Nr. 5, ISBN: 978-3-8047-3444-9