700 bis 800
Tonnen Antibiotika pro Jahr wurden im Jahr 2014 laut dem Bundesamt für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Deutschland allein in
der Humanmedizin eingesetzt, in der Veterinärmedizin wurden im Jahr 2017 rund 730 Tonnen an Tierärzte abgegeben. Durch
den hohen Einsatz von Antibiotika bilden allerdings immer mehr
Bakterien Multiresistenzen, die eine medizinische Therapie bei einer
Erkrankung erschweren. Über Abwässer gelangen die resistenten Erreger in
die Umwelt und letztendlich zurück zum Menschen. Forscherinnen und
Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersuchen im
Verbundprojekt HyReKA die Verbreitung der Bakterien und bewerten
Maßnahmen wie die Ultrafiltration, um sie effektiv aus dem aufbereiteten
Abwasser zu entfernen.
Multiresistente Bakterien haben als
Überlebensstrategie gelernt, sich der Wirkung verschiedener Antibiotika
zu entziehen – sie haben Abwehrmechanismen gebildet. Nicht alle sind für
den Menschen gefährlich, doch können sie ihre Resistenzgene auch an
krankmachende Erreger weitergeben. So gibt es immer mehr
widerstandsfähige Keime in der Umwelt. „Wenn sich die Bakterien
verbreiten, kommt der Mensch auch immer häufiger mit ihnen in Kontakt.
Gehen wir nicht gegen die Verbreitung vor, gibt es am Ende immer weniger
Antibiotika oder sogar keine Wirkstoffe, mit denen wir eine Erkrankung
dieser Bakterien bekämpfen können“, sagt Professor Thomas Schwartz vom
Institut für Funktionelle Grenzflächen (IFG) des KIT.
Der Mikrobiologe und sein Team untersuchen in
Gewässern das Vorkommen und die Verbreitung klinisch relevanter
Antibiotikaresistenzen und Bakterien, die vor allem für Menschen mit
geschwächtem Immunsystem, Kleinkinder und alte Menschen eine Gefahr
darstellen können. „Resistente Bakterien gelangen über das Abwasser von
Kliniken und Pflegeheimen, häuslichen Bereichen, Schlachthöfen und
Landwirtschaft in Kläranlagen. Hier konnten wir die Bakterien nicht nur
in den Zuläufen, sondern auch in den Abläufen nachweisen“, so Schwartz.
Die derzeitige Abwasseraufbereitung filtere also nur einen Teil der
Bakterien heraus, der Rest werde mit dem aufbereiteten Wasser in Flüsse
und Bäche geleitet.
Deshalb testen und bewerten die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Methoden für
Kläranlagen, um gerade diese kritischen Erreger aus dem Wasser zu
entfernen: eine Ultrafiltrationsanlage, eine Ozon- sowie eine
UV-Behandlung, eine Kombination aus beiden und eine
Aktivkohlebehandlung. „Bei der Ultrafiltration, bei der das Wasser durch
extrem feine Membranstränge fließt, gelingt es uns, die
antibiotikaresistenten Bakterien so weit zu reduzieren, dass wir sie
kaum mehr nachweisen können. Mit der Ozonbehandlung – auch in
Kombination mit UV-Strahlen – ist eine geringere, aber auch
vielversprechende Reduktion der Keime möglich. Bei der Aktivkohle
konnten wir keine effektive Veränderung, das heißt keine Reduktion,
feststellen“, zeigt der Mikrobiologe die bisherigen Ergebnisse auf.
Innerhalb HyReKA wollen die Wissenschaftler
die Ultrafiltrationsanlage serienreif machen und die Ozon- und
UV-Behandlung weiter optimieren, um die Reduktionsleistung zu steigern.
Die Forscherinnen und Forscher des KIT erstellen außerdem ein
Bewertungskonzept für die einzelnen Verfahren, sodass die
Untersuchungsparameter auch auf andere Maßnahmen zur Abwasserbehandlung
anwendbar sind. „So könnten wir Kliniken, Pflegeheime oder auch
landwirtschaftliche Bereiche, die ebenfalls aufgrund des hohen Einsatzes
von Antibiotika ein hohes Risiko für resistente Bakterien vermuten
lassen, mit diesen Techniken ausstatten, um auch die
Belastungssituationen an kommunalen Kläranlagen zu reduzieren“, blickt
Schwartz in die Zukunft.
HyReKA
HyReKA steht kurz für „Biologische
beziehungsweise hygienisch-medizinische Relevanz und Kontrolle
Antibiotika-resistenter Krankheitserreger in klinischen,
landwirtschaftlichen und kommunalen Abwässern und deren Bedeutung in
Rohwässern“. Der Forschungsverbund will einen aktiven Beitrag zum
umweltbezogenen Gesundheitsschutz der Bevölkerung leisten. Zu seinen
Zielen gehört, den Eintrag antibiotikaresistenter Bakterien und
Antibiotikarückstände in die Umwelt zu untersuchen, deren
Verbreitungswege, Risikopotenziale und Übertragungsrisiken abzuschätzen,
technische Verfahren der Abwasseraufbereitung an Kläranlagen zu
entwickeln und Handlungsempfehlungen zu formulieren. Der Verbund setzt
sich aus Forschern verschiedener Fachrichtungen wie Medizin, Biologie,
Geografie, Ingenieurwesen, Agrarwissenschaft, Lebensmitteltechnologie
und Ernährungswissenschaft sowie Partnern aus kommunalen
Wasserwirtschaftsbetrieben und der Industrie zusammen.
Zu den Forschungspartnern des
Verbundprojektes HyReKA zählen neben dem KIT das Universitätsklinikum
Bonn, die Universität Bonn, die Technische Universität Dresden, die RWTH
Aachen, das Umweltbundesamt (UBA), das Technologiezentrum Wasser in
Karlsruhe (TZW) und kommunale Partner, wie der Erftverband Bergheim, der
Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV), der Zweckverband
Klärwerk Steinhäule und der Industriepartner XYLEM Services GmbH.