Lösungsansätze auch für Parkinson und Alzheimer möglich
Göttingen (pte, 11. Feb 2005 15:15) – Einem internationalen
Wissenschaftsteam ist es gelungen nachzuweisen, dass auch die
Immunzellen im Gehirn entscheidend für den Verlauf der Krankheit
Multiple Sklerose (MS) sein können. Bisher galten vor allem die
Immunzellen des im Körper zirkulierenden Blutes als wichtig für die
Entstehung der Entzündung im Hirn. Über die Ergebnisse berichten
Forscher der Universität Göttingen http://www.med.uni-goettingen.de,
die an der Studie teilgenommen haben, in der jüngsten Ausgabe von
Nature Medicine http://www.nature.com .
Die Forscher aus Göttingen, Zürich, Köln und Berlin konnten im
Tiermodell erstmalig nachweisen, dass die Hirnimmunzellen wesentlich
für den Verlauf von MS sind. Bei den hirneigenen immunkompetenten
Zellen handelt es sich um Fresszellen, so genannte Makrophagen. Diese
hochsensiblen „Polizisten der Immunabwehr“ sind im ruhenden Zustand im
Gehirn diffus verteilt und können dort jegliche Veränderungen bei
verschiedenen Hirnerkrankungen erkennen. Wie diese Zellen reagieren und
welche Funktion sie haben, konnten die Wissenschaftler sogar erstmals
am lebenden Organismus zeigen.
Für die Versuche haben die Forscher ein Tiermodell der MS verwendet.
Bei der experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) kann die
Erkrankung durch die zusätzliche Gabe von Hirneiweißen hervorgerufen
werden. In den Versuchen konnten die Wissenschaftler Makrophagen
genetisch so verändern, dass es möglich wurde, sie gezielt
„abzuschalten“. Das Ergebnis war verblüffend, da die Tiere weitaus
weniger erkrankten und kaum Entzündungsherde zeigten. Daraus zogen die
Wissenschaftler den Schluss, dass die hirneigenen Immunzellen eine
wesentlich größere Rolle für den Verlauf der MS haben könnten als
bisher angenommen. „Damit ergeben sich neue Ansätze für die
Behandlungsmöglichkeiten der MS“, so der Göttinger Neuropathologe Marco
Prinz. Da diese Fresszellen auch bei anderen Hirnerkrankungen wie
Alzheimer und Parkinson sowie allen entzündlichen Erkrankungen des
Zentralnervensystems vermehrt auftreten, wird es nun möglich sein,
deren Rolle bei diesen Erkrankungen aufzuklären.
MS ist eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des
Zentralnervensystems. Die Erkrankung kann chronisch oder schubförmig
verlaufen, die Ursache ist nicht geklärt. Frauen im Alter zwischen 20
und 40 Jahren sind häufiger als Männer betroffen. Allein in Deutschland
gibt es etwa 120.000 MS-Patienten. In den fortgeschrittenen Stadien der
Erkrankung werden viele von ihnen rollstuhlpflichtig. Die Forscher
nehmen an, dass die MS eine Autoimmunerkrankung ist, bei der Blutzellen
irrtümlicherweise Strukturen des Zentralnervensystems angreifen und
dadurch die Entzündung hervorrufen.