Mücken und Zecken verbreiten hierzulande neue Krankheiten

Mücken und Zecken verbreiten infolge des Klimawandels hierzulande neue Krankheiten

fzm, Stuttgart, November 2018 – Chikungunya,
Leishmaniose, West-Nil- und Krim-Kongo-Fieber: Das sind Krankheiten, von
denen Menschen hierzulande bisher nur bei Reisen in ferne Länder
bedroht waren. Tropenmediziner rechnen damit, dass sie infolge des
Klimawandels in Zukunft auch in Deutschland vermehrt auftreten werden.
In der Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg
Thieme Verlag, Stuttgart. 2018) geben Experten der Universität Rostock
einen Überblick über neue Krankheitsbilder und potenzielle Überträger.

Der Anstieg der Temperaturen in Deutschland erhöht die
Überlebenschancen zahlreicher heimischer und bisher exotischer Mücken –
zum Beispiel der Gattungen Aedes, Anopheles, Culex und Phlebotomus. Auch
die Ausbreitungsgebiete von bisher hier nicht heimischen Zecken werden
sich vergrößern, warnt Privatdozent Dr. med. habil. Christoph Hemmer,
Tropenmediziner an der Abteilung für Tropenmedizin und
Infektionskrankheiten der Universität Rostock.

Im Gepäck haben die Insekten und Spinnentiere häufig Viren,
Bakterien oder Parasiten. Steigende Temperaturen verkürzen die
extrinsische Inkubationszeit. So bezeichnen Biologen den Zeitraum
zwischen der Aufnahme der Erreger durch die Mücken bis zur Weitergabe an
ihren Wirt. Bei Außentemperaturen von 20 Grad benötigen
Chikungunya-Viren sieben Tage bis sie im Speichel von Mücken der Gattung
von Aedes nachweisbar sind. Bei 28 Grad ist dies bereits nach drei
Tagen der Fall, so Dr. Hemmer.

Das Chikungunya-Fieber ist nach Ansicht von Professor Dr.
med. univ. Emil C. Reisinger eine weitere exotische Erkrankung, die sich
in Deutschland ausbreiten könnte. Der Leiter der Abteilung für
Tropenmedizin an der Uni Rostock prüft bereits mögliche Impfstoffe*.
Plötzlich einsetzendes Fieber und Gelenkbeschwerden sind erste Symptome
einer Infektion. Kopfschmerzen, Übelkeit und Hautausschlag können
hinzukommen. Auch wenn schwere Verlaufsformen selten sind, können ältere
Menschen an einem Chikungunya-Fieber sterben. Die Gelenkbeschwerden
können viele Monate anhalten.

In Zukunft könnte auch Krim-Kongo-Fieber in Deutschland
auftreten: Die mit hohem Fieber einhergehende Erkrankung, kann zu
tödlichen inneren Blutungen führen und ist bereits in der Türkei
verbreitet. In Europa hat es bisher nur einen Fall in Spanien gegeben.
Die tropische Zecke der Gattung Hyalomma, die als Überträger der
Krankheit gilt, kann mit Zugvögeln nach Deutschland kommen. Steigende
Temperaturen führen dazu, dass sie auch hier länger überlebt und nach
neuen Wirten sucht, so Professor Reisinger

Eine gravierende Ausbreitung von Dengue- und Zika-Fieber, wie
zuletzt in Lateinamerika, befürchtet Dr. Hemmer in Deutschland derzeit
hingegen nicht. Auch die Malaria werde sich in Deutschland nicht wieder
festsetzen, obwohl es hierzulande sechs Arten der Anopheles-Mücke gibt,
die die Parasiten übertragen können. Noch bis in die frühen 1950er-Jahre
kamen im Südwesten und Norden Deutschlands Malariafälle vor. Die
Trockenlegung von Sümpfen und kleineren Gewässern und die räumliche
Trennung von Vieh und Mensch verhindere heute eine Ausbreitung der
Erkrankung, so der Experte.

Das Risiko, dass sich das Westnil-Fieber auch in Deutschland
ausbreitet, steigt nach Einschätzung von Dr. Hemmer jedoch. Auch hier
verweist der Experte auf eine verkürzte extrinsische Inkubationszeit.
Bei einem Anstieg der Außentemperatur von 14 auf 18 Grad benötigen die
Viren nur 22 statt 36 Tage, bis die Mücke die Erreger übertragen kann.
Bei 30 Grad sind dies nur noch fünf Tage. Das West-Nil-Virus hat sich
bereits in Südost-Europa ausgebreitet. Infizierte Zugvögel könnten es
jederzeit nach Deutschland bringen. Eine Infektion beim Menschen geht
mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit und Erbrechen einher.
Manchmal tritt auch ein Hautausschlag am Rumpf sowie eine Schwellung der
Lymphknoten auf. Bei einem von 150 Patienten kommt es zu einem schweren
Krankheitsverlauf. Gefährdet sind vor allem Menschen über 50 Jahre,
ferner Patienten, die Kortisonpräparate oder andere Medikamente
einnehmen, die die Immunabwehr schwächen. In diesen Fällen kann die
Infektion eine Hirnhautentzündung auslösen.

Auch Patienten, die sich Leishmanien infizieren, könnten in
Zukunft in Klinik und Praxis eine Rolle spielen. Die Parasiten, die Haut
und innere Organe befallen können, werden durch Phlebotominae
(Sandmücken) übertragen. Die ersten Exemplare dieser Insekten wurden
bereits 1999 im Südwesten Deutschlands nachgewiesen, wahrscheinlich gibt
es sie jedoch dort schon länger. Zwischen 1991 und 2007 gab es
mindestens elf Fälle eines in Deutschland erworbenen Leishmaniose bei
Mensch und Tier. Wenn die inneren Organe befallen sind, verläuft die
Leishmaniose ohne Therapie fast immer tödlich.

Der Klimawandel begünstigt nach Einschätzung der Experten
aber auch die Ausbreitung von heimischen Zecken. In Deutschland sind sie
bereits heute Überträger der Lyme-Borreliose und der
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Die FSME, die lange nur in
Süddeutschland verbreitet war, hat inzwischen auch den Norden erreicht.

C. J. Hemmer et al.:
Mücken und Zecken als Krankheitsvektoren: der Einfluss der Klimaerwärmung.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2018; 143 (23); S. 1714–1722