Meisterzauberer: Katalysatoren – biologische Voraussetzung für umweltfreundliche Kunststoffe geschaffen

Die Industrie
verbraucht große Mengen Erdöl, um daraus Ausgangsstoffe für Medikamente,
Kosmetik, Kunststoffe oder Lebensmittel herzustellen. Diese Prozesse
kosten jedoch viel Energie und erzeugen Abfall. Nachhaltiger sind
biologische Verfahren mit Enzymen. Die Eiweißmoleküle können
unterschiedlichste chemische Reaktionen katalysieren, ohne Hilfsstoffe
oder Lösungsmittel zu verbrauchen. Jedoch sind sie teuer und daher
bislang ökonomisch unattraktiv. Forscherinnen und Forscher des
Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben nun ein neues
Biomaterial entwickelt, das den Einsatz der Enzyme stark vereinfacht.
Die Ergebnisse stellen sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie vor
(DOI: 201810331).

Katalysatoren sorgen
dafür, dass Ausgangsstoffe schnell und energiesparend miteinander
reagieren und dabei das gewünschte Endprodukt entsteht. In der
chemischen Industrie sind sie daher von enormer Bedeutung: In rund 90
Prozent aller chemischen Prozesse werden Katalysatoren eingesetzt. Das
von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des KIT entwickelte
Biomaterial soll hier eine umweltfreundliche und energiesparende
Alternative bieten. „Langfristig erhoffen wir uns, dass solche
biokatalytischen Materialien in automatisierten Verfahren eingesetzt
werden, um ohne aufwendige Synthese- und Reinigungsschritte und mit
möglichst wenig Abfallstoffen wertvolle Ausgangsverbindungen zu
produzieren“, so Professor Christof Niemeyer vom Institut für
Biologische Grenzflächen.

Um dies zu erreichen,
haben die Wissenschaftler natürliche Enzyme so verändert, dass sie sich
von selbst zu einem stabilen Biokatalysator zusammenfügen. Ähnlich wie
ein Zweikomponentenkleber bilden die Enzyme, wenn man sie zusammengibt,
ein gelartiges Material. Es wird auf Kunststoffchips mit rillenförmigen
Vertiefungen aufgebracht. Beim Trocknen wird es konzentriert, wobei das
Hydrogel entsteht. Der Chip wird dann mit einer Kunststofffolie
abgedeckt. Durch die Rillen können nun Ausgangsstoffe gepumpt werden,
die von den Biokatalysatoren zu den gewünschten Endprodukten umgesetzt
werden. Das Biokatalysatorgel selbst bleibt zurück. Für die Reaktion
werden keine Lösungsmittel benötigt, auch hohe Temperaturen oder Drücke
sind nicht erforderlich, was den Prozess sehr umweltfreundlich und
nachhaltig macht.

Da auf kleinstem Raum
sehr viel Reaktionsfläche vorhanden ist, sind die Umsatzraten in solchen
miniaturisierten Flussreaktoren, also stark verkleinerten
Reaktionsgefäßen, hoch. Ihr Einsatz in biokatalytischen Prozessen steckt
jedoch noch in den Kinderschuhen, da sich Enzyme bisher nur mithilfe
von Stützmaterialien im Reaktor fixieren ließen. Diese verbrauchen
wertvollen Reaktorraum, der dann nicht mehr für den Biokatalysator zur
Verfügung steht. Das neue Material haftet dagegen am Träger, sodass der
Reaktor maximal mit aktivem Biokatalysator befüllt werden kann. Darüber
hinaus lässt es sich vollständig recyceln, ist biologisch abbaubar, sehr
stabil und erzielt außerordentlich hohe Ausbeuten bei Reaktionen, für
die teure Hilfsstoffe benötigt werden.

Biokatalytische
Materialien haben außerdem gegenüber chemischen einen erheblichen
Vorteil, wenn in einem Prozess sogenannte Enantiomere entstehen können –
also Verbindungen, die sich wie Bild und Spiegelbild gleichen. In der
Regel wird davon nur eine Verbindung benötigt, die zweite kann sogar
unerwünschte Wirkungen haben. Mithilfe von Biokatalysatoren lässt sich
gezielt eine der beiden Varianten herstellen, während bei chemischen
Verfahren häufig teure Zusatzstoffe benötigt werden oder die
unerwünschte Verbindung aufwendig abgetrennt werden muss.

Die Arbeit entstand im
Rahmen des Helmholtz-Programms „BioInterfaces in Technology and
Medicine“ (BIFTM). „Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten waren nur
aufgrund der hervorragenden Ausstattung und Infrastruktur dieses
Programms möglich“, so Christof Niemeyer. In diesem Programm arbeiten
Wissenschaftler des KIT interdisziplinär an der Erforschung und Nutzung
biologischer Systeme, um sie in der industriellen und medizinischen
Biotechnologie anzuwenden. Die starke Interdisziplinarität erfordert
eine breite methodische Expertise, die neben der Materialherstellung und
-charakterisierung auch datenbasierte Simulationsmethoden umfasst und
am KIT hervorragend abgebildet wird.

Publikation (early view):

T. Peschke, P.
Bitterwolf, S. Gallus, Y. Hu, C. Oelschlaeger, N. Willenbacher, K. S.
Rabe, C. M. Niemeyer: Self-assembling all-enzyme hydrogels for flow
biocatalysis.