Eisenreiche Scheibchen im Halbleiter
HZDR-Forscher erzeugen ungewöhnliche Kristallstruktur
Schaut man sich das Gitter von Kristallen
an, herrscht in vielen Fällen eine ausgesprochene Symmetrie: Egal wohin
man blickt – die Atome sind in jede Richtung gleich angeordnet. Dieses
Verhalten sollte eigentlich auch ein Kristall zeigen, den Physiker des
Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Warschau
und der Polnischen Akademie der Wissenschaften mit einem speziellen
Verfahren hergestellt hatten: eine Verbindung aus dem Halbleiter
Indiumarsenid, gespickt mit etwas Eisen. Doch das Material hielt sich
nicht an die perfekte Symmetrie. Das Eisen bildete im Kristall
zweidimensionale, scheibenförmige Strukturen aus, die dem Material eine
prägnante Eigenschaft verliehen: Es wurde magnetisch. Langfristig könnte
das Ergebnis für das Verständnis von Supraleitern wichtig sein.
„Wir haben in unserem Ionenstrahlzentrum schnelle
Eisen-Ionen auf einen Kristall aus Indiumarsenid geschossen, einem
Halbleiter aus Indium und Arsen“, erläutert Dr. Shengqiang Zhou,
Physiker am HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung.
„Dabei drang das Eisen etwa 100 Nanometer tief in die Kristalloberfläche
ein.“ Die Eisen-Ionen blieben dabei in der Minderheit – sie machten nur
wenige Prozent in der dünnen Oberflächenschicht aus. Mit einem Laser
feuerten die Forscher anschließend Lichtpulse auf den Kristall. Da die
Blitze ultrakurz waren, schmolz nur die Oberfläche auf. „Für viel
weniger als eine Mikrosekunde waren die obersten 100 Nanometer eine
heiße Suppe, wogegen der Kristall darunter kalt und schön geordnet
blieb“, beschreibt Zhou das Resultat.
Bereits einen Wimpernschlag nach dem Laserbeschuss
kühlte die Kristalloberfläche wieder ab. Dabei geschah das
Ungewöhnliche: Zwar nahm die Oberfläche grundsätzlich wieder die
Gitterstruktur von Indiumarsenid ein. Aber die Abkühlung verlief derart
rasant, dass den Eisenatomen nicht genügend Zeit blieb, um reguläre
Gitterplätze im Kristall zu finden und zu besetzen. Stattdessen taten
sich die Metall-Atome mit ihresgleichen zusammen und bildeten
bemerkenswerte Strukturen – zweidimensionale, parallel angeordnete
Scheibchen.
„Dass sich die Eisenatome in dieser Weise
angeordnet haben, war eine Überraschung“, sagt Shengqiang Zhou. „Wir
konnten somit erstmals weltweit solch eine lamellenartige Struktur
erzeugen.“ Als die Experten das neugeschaffene Material näher
untersuchten, stellten sie fest, dass es durch den Einfluss des Eisens
magnetisch geworden war. Außerdem gelang es den Forschern aus Polen und
Deutschland, den Prozess theoretisch zu erfassen und per Computer zu
simulieren. „Die Eisen-Atome ordneten sich deshalb zu einer
Scheibchenstruktur, weil dies der energetisch günstigste Zustand war,
den sie in der Kürze der Zeit einnehmen konnten“, fasst Prof. Tomasz
Dietl vom internationalen Forschungszentrum MagTop der Polnischen
Akademie der Wissenschaften das Resultat der Berechnungen zusammen.
Relevant könnte das Ergebnis zum Beispiel für das
Verständnis von Supraleitern sein – einer Stoffklasse, die elektrischen
Strom völlig verlustfrei leiten kann. „Lamellenartige Strukturen finden
sich auch in vielen supraleitenden Materialien“, erläutert Zhou. „Unsere
Materialverbindung könnte somit als Modellsystem dienen und dabei
helfen, das Verhalten von Supraleitern besser zu verstehen.“ Dadurch
lassen sich dann vielleicht auch deren Eigenschaften optimieren: Damit
Supraleiter funktionieren, muss man sie heute auf vergleichsweise tiefe
Temperaturen von beispielsweise minus 200 Grad Celsius kühlen. Das Ziel
vieler Fachleute ist, diese Temperaturen schrittweise zu erhöhen – bis
hin zu einem Traummaterial, das bereits bei gewöhnlichen
Umgebungstemperaturen seinen elektrischen Widerstand verliert.