Krank durch Brot

Krank durch Brot

DGVS:
Zöliakie bleibt zu oft unerkannt

Berlin – Mindestens 4 von 1
000 Menschen in Deutschland haben eine Zöliakie. Bei der angeborenen
Autoimmunerkrankung kommt es – ausgelöst durch das Klebereiweiß Gluten
in Getreideprodukten – zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut.
Durchfall, Nährstoffmangel, aber auch Müdigkeit, Depressionen oder zum
Beispiel eine Migräne können die Folge sein. Allerdings zeigen sich
häufig auch keine klar umrissenen Symptome. Von „einer hohen Anzahl an
erkrankten, aber nicht diagnostizierten Personen“ gehen Experten der
Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in ihrer neuen Leitlinie „Zöliakie“ aus.
Insbesondere Personen mit einem erhöhten Risiko sollten einen
Zöliakie-Test durchführen lassen, so die Empfehlung.
 

„Es gibt eine
ganze Reihe von Erkrankungen, die mit einer Zöliakie einhergehen“, sagt
Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Detlef Schuppan, Leiter der
Zöliakie-Ambulanz am Universitätsklinikum Mainz, der gemeinsam mit
seinem Kollegen Professor Dr. med. Andreas Stallmach aus Jena die
Erstellung der Leitlinie koordiniert hat. Hierzu gehören vor allem
andere Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes oder autoimmune
Schilddrüsenentzündungen. Aber auch unklare Leberwerterhöhungen,
rheumatische Beschwerden, Migräne, Depressionen, eine leichte Blutarmut
oder Osteoporose sind nicht selten mit einer Zöliakie verbunden. „Bei
diesen Risikopersonen und nahen Verwandten von Betroffenen sollten Ärzte
einen Zöliakie-Test empfehlen“, meint Schuppan. Häufig merkten die so
entdeckten Zöliakie-Patienten erst mit der glutenfreien Diät, dass es
ihnen unter glutenhaltiger Ernährung deutlich schlechter gegangen
ist.

Beim Kleinkind zeigt sich
eine Zöliakie meist mit typischen Symptomen wie Durchfällen, einem
aufgeblähten Bauch sowie Mangelerscheinungen. Darüber hinaus wachsen und
gedeihen die Kinder nicht gut. Erwachsene klagen bei der erstmaligen
Diagnose häufig über lang bestehende Verdauungsbeschwerden, Erschöpfung
und psychische Beeinträchtigungen. Viele Patienten haben auch überhaupt
keine typischen Symptome. „Die Zöliakie kann in jedem Alter auftreten
und hat sehr viele Erscheinungsformen, wir nennen sie daher auch das
‚Chamäleon der Gastroenterologie‘ “, sagt Professor Dr. med. Andreas
Stallmach, Direktor Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum
Jena. So trete die Erkrankung auch in Zusammenhang mit einer
bläschenbildenden Hautkrankheit, der „Dermatitis herpetiformis Duhring“,
auf.

Um eine Zöliakie
nachzuweisen, untersuchen Mediziner das Blut auf die in der Regel
erhöhten Autoantikörper gegen das Enzym „Gewebetransglutaminase“. Wenn
die Patienten sich bis zuletzt glutenhaltig ernährt haben, können die
Ärzte damit die Erkrankung in der Regel von ähnlichen Leiden wie der
Weizenallergie oder einer Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität
unterscheiden. Ist das Ergebnis nicht eindeutig, können genetische
Risikomarker im Blut Aufschluss geben. Den Verdacht bestätigt dann die
Untersuchung von Gewebeproben aus dem Dünndarm.

Den Betroffenen hilft nur
der Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel aus Weizen, Dinkel, Gerste
oder Roggen – wie zum Beispiel Brot, Nudeln, Pizza oder Bier. Hierzu
gehören heutzutage auch die meisten verfeinerten Nahrungsmittel, die
häufig Glutenbeimengungen enthalten. „Ärzte und Patienten müssen wissen,
dass eine frühe Diagnose und die damit verbundene Empfehlung zur
glutenfreien Diät Mangelerscheinungen und Folgeerkrankungen verhindern
kann“, sagt Stallmach. „Hier kann die Deutsche Zöliakie Gesellschaft
wertvolle Tipps geben“, so der Mediziner. Bleibe die Krankheit
unentdeckt, erhöhe dies unter anderem das Risiko für weitere
Autoimmunerkrankungen wie etwa Typ-1-Diabetes. „Unser Anliegen ist es,
Ärzte darin zu trainieren, Zöliakie in ihren verschiedensten
Erscheinungsformen zu identifizieren“, sagt der DGVS-Experte. „Wir
hoffen, dass die neue Leitlinie, die wir auf der Grundlage der neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnisse erstellt haben, ihren Teil dazu
beiträgt“.

Die Deutsche Gesellschaft
für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als
wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane
gegründet. Heute vereint sie mehr als 5.000 Ärzte und Wissenschaftler
aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr
erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet
Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen
Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von
Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von
Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle des
Patienten.

Deutsche Zöliakie
Gesellschaft

www.dzg-online.de