Kochsalz, Mikrobiom und Blutdruck – Joghurt gegen Hypertonie?

Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

Kochsalz, Mikrobiom und Blutdruck – Joghurt gegen Hypertonie?

Hannover, 9. Dezember 2017:

Zu kaum einem anderen ernährungsmedizinischen Thema gibt es so viele
Mythen wie über den Zusammenhang von Kochsalz und Bluthochdruck. Eine
neue Studie (1) könnte nun eine Erklärung liefern, warum der
Bluthochdruck bei manchen Menschen durch Salz ansteigt und bei anderen
nicht. Die kürzlich in der Zeitschrift NATURE publizierte Studie des
Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin in Zusammenarbeit mit der
Charité Berlin deutet auf einen Zusammenhang zwischen salzreicher
Ernährung, Darmmikrobiom, TH17-Immunzellen und Blutdruck hin.

Zunächst beobachteten die Wissenschaftler, dass sich bei Mäusen,
deren Futter eine um vier Prozent erhöhte Salzkonzentration aufwies,
das Darmmikrobiom veränderte. Besonders markant war dabei die
Verminderung des Milchsäurebakteriums Lactobacillus murinus (L.
murinus). Diese Verminderung ging Hand in Hand mit einer Vermehrung von
TH17-Immunzellen und einem Anstieg des Blutdrucks. TH17-Immunzellen
stehen im Verdacht, den Blutdruck zu erhöhen und Entzündungsprozesse zu
begünstigen (2). Im nächsten Schritt der Studie konnte dann gezeigt
werden, dass Zufuhr von L. murinus mit der Nahrung sowohl die durch
salzreiche Kost verursachte Vermehrung der TH17-Immunzellen als auch den
Blutdruckanstieg verhindert.

In einer kleinen Pilotstudie mit zwölf Probanden untersuchten
die Wissenschaftler anschließend, ob diese Ergebnisse auch auf den
Menschen übertragbar sind. Die Umstellung der Probanden auf eine sehr
salzreiche Ernährung mit 14 Gramm Kochsalz pro Tag (die WHO empfiehlt
eine Salzaufnahme von 5-6 Gramm pro Tag) führte sowohl zu einem
Blutdruckanstieg als auch zu einem Rückgang von L. murinus im
Darm. Jene Probanden, die zusätzlich zu der salzreichen Kost ein
Probiotikum mit Milchsäurebakterien erhielten, zeigten jedoch keinen
Blutdruckanstieg. Die Milchsäurebakterien scheinen also auch bei
Menschen zu verhindern, dass salzreiche Lebensmittel den Blutdruck
erhöhen.

Die individuelle Zusammensetzung des Darmmikrobioms könnte somit
darüber entscheiden, wie sich Kochsalz auf den Blutdruck auswirkt. Die
regelmäßige Aufnahme von Laktobazillus mit der Nahrung könnte vor diesen
unerwünschten Salzeffekten schützen. Laktobazillus wird auch für die
Herstellung fermentierter Milchprodukte wie zum Beispiel Joghurt
genutzt. Bereits seit einigen Jahren wird die Bedeutung der menschlichen
Darmbakterien für die Entstehung von Bluthochdruck diskutiert (3).

Zudem liefern die aktuellen Studienergebnisse eine mögliche Erklärung
dafür, weshalb der Blutdruck bei verschiedenen Menschen unterschiedlich
empfindlich auf die Kochsalzzufuhr mit der Nahrung reagiert. Die
Zusammensetzung des jeweiligen Darmmikrobioms könnte der Schlüssel dazu
sein.

 Kommentar: Joghurt gegen Bluthochdruck?

Die Ergebnisse könnten sich als wegweisend für die zukünftige
Forschung erweisen, mit möglicherweise gravierenden Konsequenzen für die
praktischen Ernährungsempfehlungen. Bevor nun aber der Rat gegeben
wird, die negativen Folgen einer salzreichen Ernährung durch einen
Joghurt zwischendurch zu kompensieren, müssen natürlich noch weitere,
große Studien folgen. Ein paar Mäuse und zwölf Probanden sind hier nicht
besonders viel. Doch die Ergebnisse sind derart schlüssig und werden
durch weitere immunologische Parameter bestätigt, sodass sich vermutlich
ein ganz neuer Ansatz zur Prävention der Hypertonie auftun wird.

Bei der Diskussion über den schädlichen Einfluss von zu viel Salz auf
das Herz-Kreislauf System sollte nicht vergessen werden, dass auch die
Aufnahme von zu wenig Salz Herzkreislauf-Ereignisse und Gesamttodesfälle
sowohl bei Menschen mit als auch bei Menschen ohne Bluthochdruck erhöht (4).

Klaus-D. Döhler, Hannover