Industrie-Stromverbrauch in Deutschland nur überlebensfähig mit hohen Staats-Subventionen

Energiewende Industrie spart acht Milliarden Euro an Stromkosten

Von Stefan Schultz

Die größten Stromschlucker
Deutschlands wurden nach SPIEGEL-Informationen 2017 in Milliardenhöhe
subventioniert – auf Kosten einfacher Verbraucher. Der Kohleausstieg
könnte dieses Ungleichgewicht noch vergrößern.

Die deutsche Industrie hat 2017 rund acht Milliarden Euro Entlastung auf
ihre Stromrechnung erhalten. Das geht aus der Antwort der
Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die dem SPIEGEL vorliegt.

Gleich acht verschiedene Privilegien helfen den Unternehmen demnach,
ihre Energiekosten zu drücken. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende
der Grünen, Oliver Krischer, spricht von einem "Subventionsdschungel".

Zu den privilegierten Firmen gehören neben vielen mittelständischen
Unternehmen unter anderem Konzerne wie ThyssenKrupp, ExxonMobil, Knauf,
HeidelbergCement und die Deutsche Bahn.

Die begünstigten Firmen leisten unter anderem einen geringeren Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zahlen geringere Gebühren für den Erhalt und Neubau von
Stromnetzen. Haushalte und nicht privilegierte Unternehmen müssen dies
mit höheren Aufschlägen auf ihre Stromrechnung gegenfinanzieren.

Die Bundesregierung rechtfertigt das verschachtelte System der
Privilegien. Besonders für die stromintensive Industrie, die oft die
Grundstoffe für lange Wertschöpfungsketten produziert, "sind
wettbewerbsfähige Strompreise ein entscheidender Standortfaktor", teilt
sie mit.

Energie- und klimapolitische Maßnahmen dürften für die Industrie
nicht zu Nachteilen gegenüber ausländischen Konkurrenten führen, fährt
die Regierung fort. Deshalb habe man im Einklang mit der EU
entsprechende Entlastungen geschaffen, die teils sogar restriktiver
seien, als der europäische Rahmen es zuließe.

Fragwürdige Privilegien

Unter den Privilegierten finden sich nach Angaben der Grünen
allerdings auch Firmen, bei denen kaum ersichtlich ist, warum sie
günstiger Strom beziehen. Schlachtereien und Rechenzentren von Banken sind demnach
ebenso privilegiert wie Hersteller von Plastik oder Lederbekleidung. "Im
Laufe der Jahre hat sich ein gehöriger Unsinn an Privilegien
angesammelt", moniert Krischer.

Die Regierung solle daher davon absehen, der Industrie beim geplanten Kohleausstieg noch weitere Privilegien zu gewähren, fordert der Grünen-Abgeordnete.
"Dass die Industrie schon wieder nach neuen milliardenschweren
Subventionen schreit, ist ein Schlag ins Gesicht der Stromkunden", sagt
Krischer.

Tatsächlich fordert nicht nur die Industrie selbst weitere
Entlastungen. Auch eine von der Regierung eingesetzte Kommission, die
einen möglichen Plan für den Kohleausstieg erarbeitet hat, empfiehlt sie.

Ihrer Meinung nach soll die energieintensive Industrie unter
anderem dauerhaft von Kosten entlastet werden, die durch den Preis der
CO2-Verschmutzungsrechte entstehen. Zusätzlich soll sich die
Bundesregierung dafür einsetzen, ein neues "beihilferechtliches
Instrument" zu entwickeln, um bestimmte energieintensive Unternehmen
zusätzlich zu entlasten.