Immer mehr bestätigt sich: Unsere Gesundheit beginnt im Darm

Gemeinsame Pressemitteilung des Exzellenzclusters
PMI an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Charité –
Universitätsmedizin


Alles im Gleichgewicht –
Wie unser Immunsystem eine gesunde Mikrobiota im Darm aufrechterhält

Forschende des Exzellenzclusters Präzisionsmedizin
für chronische Entzündungskrankheiten und der Charité – Universitätsmedizin
Berlin haben einen Mechanismus entschlüsselt, der die Immunreaktion gegen
Mikroorganismen im Darm steuert. Die Ergebnisse der internationalen Studie
können zur Entwicklung neuer Therapien bei chronisch entzündlichen
Darmerkrankungen beitragen. Sie wurden in der Fachzeitschrift Nature Immunology
veröffentlicht.

Das Immunsystem schützt davor, dass sich
krankmachende Keime im Darm ausbreiten. Gleichzeitig erlaubt es die Besiedelung
mit nützlichen Mikroorganismen. Die Zusammensetzung der Mikroorganismen im
Darm, der sogenannten Mikrobiota, hat umgekehrt aber auch einen Einfluss auf
die Qualität der Immunreaktion. Einen molekularen Mechanismus, der entscheidend
zu diesem Gleichgewicht beiträgt, hat eine internationale Forschungsgruppe
unter Leitung von Professor Alexander Scheffold von der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Exzellenzcluster
Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen nun im Tiermodell
aufgedeckt.

Das Team um Dr. Christian Neumann
(Charité-Universitätsmedizin Berlin), Dr. Sascha Rutz (Genentech, San
Francisco), Professor Axel Kallies (Universität Melbourne und Walter and Eliza
Hall Institute of Medical Research, Melbourne) und Professor Scheffold
erforschte molekulare Regulatoren der Immun-Mikrobiota-Interaktion bei Mäusen.
Das Team konzentrierte sich auf sogenannte regulatorische T-Zellen. Das sind
Immunzellen, die verhindern, dass harmlose oder gar nützliche Mikroorganismen
im Darm vom Immunsystem attackiert werden. „Wir haben ein Molekül
identifiziert, c-Maf, das für die Entwicklung und Funktion von spezifischen
regulatorischen T-Zellen im Darm essentiell ist“, erklärt der Kieler Immunologe
Scheffold. C-Maf hindert das Immunsystem daran, die Mikrobiota anzugreifen.
„Fehlt dieses Molekül, kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems im Darm
und in der Folge zu einer deutlich veränderten Zusammensetzung der Mikrobiota“,
ergänzt Erstautor Dr. Christian Neumann vom Institut für Mikrobiologie und
Infektionsimmunologie der Charité. Diese veränderte Zusammensetzung erwies sich
als bemerkenswert stabil: Als die Forschenden die veränderte Mikrobiota auf
Mäuse mit intaktem c-Maf-Regelkreis übertrugen, entwickelten diese ebenfalls
eine Überreaktion des Immunsystems im Darm.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass sowohl das
Immunsystem als auch die Mikrobiota wechselseitig dazu beitragen, das
Gleichgewicht im Darm herzustellen und aufrecht zu erhalten“, betont der Kieler
Immunologe Scheffold. „Dies könnte erklären, wie ein mikrobielles
Ungleichgewicht zu chronisch entzündlichen Darmkrankheiten beitragen kann und
warum die Behandlung häufig fehlschlägt.“. Die Erkenntnisse könnten den
Grundstein für die Entwicklung neuer Therapieansätze legen, die etwa bei
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen darauf abzielen, Immunantwort und
Mikrobiota gleichermaßen zu beeinflussen und wieder in Einklang zu bringen. In
Zukunft möchte das Forschungsteam daher untersuchen, wie ein etablierter
pathologischer Regelkreis zwischen Darmbakterien und dem Immunsystem bei
Patientinnen und Patienten gezielt destabilisiert und in den Ursprungszustand
zurückgesetzt werden kann.

Originalpublikation: 
Christian Neumann, …. Axel Kallies, Alexander
Scheffold, et al. c-Maf-dependent Treg cell control of intestinal TH17 cells
and IgA establishes host–microbiota homeostasis. Nature Immunology.
Published 18 February 2019.
https://doi.org/10.1038/s41590-019-0316-2