Hormontherapie häufig nicht gerechtfertigt

Aktuelle Studienergebnisse beim Psychosomatik-Kongress

Wechseljahre: Hormontherapie häufig nicht gerechtfertigt

Berlin
– Die Wechseljahre der Frau gelten als Ursache zahlreicher körperlicher
und psychischer Beschwerden, gegen die in vielen Fällen eine
Hormontherapie verschrieben wird. Wissenschaftler haben nun jedoch
herausgefunden, dass lediglich Hitzewallungen typisch für die
hormonellen Umstellungen vor und nach der Menopause sind. Sie fordern
deshalb, den Einsatz der Hormontherapie kritischer und individualisiert
zu gestalten. Detaillierte Ergebnisse stellen Experten auf der
Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Kongresses für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie vor, die am 26. März 2015 in Berlin
stattfindet.

Die
Liste der körperlichen und psychischen Beschwerden, die mit den
Wechseljahren in Verbindung gebracht werden, ist lang. Sie reicht von
Hitzewallungen, Muskel- und Gelenkschmerzen über Schlafstörungen,
Stimmungsschwankungen, Ängstlich- und Vergesslichkeit bis hin zu
Trockenheit der Scheide und dem Nachlassen sexueller Lust. „Diese
Symptome werden mit dem sinkenden Östrogenspiegel erklärt und deshalb
häufig mit einer Hormontherapie behandelt, die aber zu unerwünschten
Nebenwirkungen, etwa einem höheren Brustkrebsrisiko, führen kann“, sagt
Professor Dr. med. Kerstin Weidner, Direktorin der Klinik und Poliklinik
für Psychotherapie und Psychosomatik der Uniklinik Dresden. Ein
Forscherteam unter ihrer Leitung hat in einer umfangreichen Studie
untersucht, welche Beschwerden tatsächlich auf die hormonellen
Veränderungen in den Jahren vor und nach der Menopause zurückzuführen
sind.

Das
Team hat dazu im vergangenen Jahr rund 1400 Frauen im Alter von 14 bis
95 Jahren und rund 1200 Männer befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass
körperliche Beschwerden sowohl unter den Frauen als auch unter den
Männern mit steigendem Alter zunehmen. Typisch für die Wechseljahre sind
bei den Frauen lediglich Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Keine
alterstypischen Zusammenhänge fanden die Forscher bei den psychischen
Symptomen. Deren Auftreten hänge vielmehr mit Faktoren wie
Selbstwirksamkeit, Bildungsabschluss, Einkommen, Partnerschaft und
Berufstätigkeit zusammen.

„Die
Wechseljahre sind immer mit zahlreichen Beschwerden in Verbindung
gebracht worden, was durch unsere Ergebnisse in Frage gestellt werden
muss“, sagt Weidner. „Eine allgemeine Deutung dieser Phase als krankhaft
und eine vorschnelle Zuschreibung der Symptome muss in jedem Fall
unterbleiben.“ Nur bei schweren Beeinträchtigungen, gegen die
Verhaltensänderungen nicht helfen – zum Beispiel das Tragen von
Schichtenkleidung bei Hitzewallungen – sei eine zeitlich begrenzte
Hormontherapie gerechtfertigt. „Letztendlich handelt es sich bei den
Wechseljahren im psychosomatischen Sinne um eine typische
Schwellensituation mit körperlichen, psychischen und sozialen
Veränderungen“, so Weidner.

„Einmal
mehr zeigen uns diese Ergebnisse, das medikamentöse Therapien als
Monotherapie leider häufig nicht Teil eines Gesamtbehandlungsplans sind
und häufig vorschnell zum Einsatz kommen“, ergänzt Kongresspräsident
Professor Dr. med. Stephan Zipfel, Ärztlicher Direktor der Abteilung
Innere Medizin VI, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am
Universitätsklinikum Tübingen. Körperliche Beschwerden resultierten
häufig aus zahlreichen Einflüssen, denen Patienten alternativ auch mit
integrativen, psychosomatischen Behandlungsansätzen begegnen könnten.

Die
detaillierten Ergebnisse der Studie stellt Weidner auf der
Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Kongresses für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie am 26. März 2015 in Berlin vor.