Haut als „Spiegel der Seele“
Jede dritte Hautkrankheit tritt gemeinsam mit psychischem Leiden auf
Berlin
– Nesselsucht als Folge unterdrückter Wut, Neurodermitis durch zu viel
Stress – eine Vielzahl von Hauterkrankungen hat seelische Ursachen. Eine
neue europäische Studie belegt nun, dass fast jeder dritte Hautkranke
auch unter psychischen Problemen leidet. In Anbetracht dieser Ergebnisse
fordert die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin (DGPM),
bei der Behandlung von Hautkrankheiten Diagnostik und Therapie
gleichzeitig auftretender seelischer Erkrankungen stärker als bisher zu
berücksichtigen.
In
den vergangenen Jahrzehnten haben Hauterkrankungen immer mehr
zugenommen. Neurodermitis oder Schuppenflechte etwa sind zu
Volkskrankheiten geworden. Meistens sind die Hautleiden genetisch
veranlagt. Doch darüber, ob und wann sie ausbrechen, entscheiden viele
Faktoren mit – vor allem auch die psychische Verfassung.
Dies
belegt eine neue europäische Studie, in der Wissenschaftler in dreizehn
Staaten insgesamt rund 3600 Menschen mit Hautkrankheiten befragt und
untersucht haben. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass 29 Prozent
der Hautkranken gleichzeitig auch an einer psychischen Erkrankung
litten. Zum Vergleich: In der Kontrollgruppe, die aus 1400 Menschen ohne
Hautkrankheiten bestand, lag dieser Anteil bei nur 16 Prozent. Die
Forscher stellten außerdem fest, dass der Anteil von Menschen mit
Depressionen unter den Hautkranken mehr als doppelt so hoch war, und
Angsterkrankungen oder Suizidgedanken anderthalbmal so häufig vorkamen
wie in der Kontrollgruppe.
„In
solch großem Umfang wurde der Zusammenhang von Haut- und psychischen
Krankheiten bisher nicht nachgewiesen“, sagt Professor Dr. med. Uwe
Gieler, der als kommissarischer Leiter der Universitäts-Hautklinik in
Gießen maßgeblich an der Studie beteiligt war und sich nun Fortschritte
bei der Behandlung Hautkranker verspricht. „Wenn eine Hauterkrankung auf
psychische Probleme zurückgeht, ist die Behandlung nur adäquat, wenn
die psychischen Probleme erkannt und mitbehandelt werden“, betont
Gieler. Vor allem bei allergischen Hauterkrankungen gebe es zunehmend
Hinweise auf seelische Ursachen. „Neurodermitis kann sich durch
belastenden Stress verschlimmern, unterdrückte Wut in Nesselsucht
äußern“, erläutert der DGPM-Experte. Ursache sind höchstwahrscheinlich
Neuropeptide – Botenstoffe, die der Körper in Stress-Situationen
ausschüttet. Diese könnten durch die Nervenbahnen bis zu den Organen
gelangen und dort Entzündungen verstärken.
„Gerade
die Haut reagiert häufig als Überdruckventil der Seele“, sagt Gieler.
In der deutschen „Leitlinie Allergieprävention“, an der Gieler als
Experte der DGPM mitarbeitete, findet sich seit diesem Jahr erstmals der
Bezug zu psychischen Leiden: Schwerwiegende Lebensereignisse, wie die
Trennung der Eltern oder der Tod eines Elternteils, in der
Schwangerschaft oder in der frühen Kindheit, erhöhen das Risiko für
spätere allergische Erkrankungen der Kinder. „Diese Leitlinie
verdeutlicht, wie wichtig es ist, beispielsweise im Fall frühkindlicher
Traumata gegebenenfalls frühzeitig eine psychische Behandlung in Angriff
zu nehmen, bevor das seelische Leid in einer Allergie oder
Hauterkrankung mündet “, sagt Professor Dr. med. Harald Gündel,
Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin
und Psychotherapie in Ulm und Mediensprecher der DGPM.