HADES und die Suche nach der Dunklen Materie
Obwohl sie das Weltall dominieren, kennt niemand ihre genaue
Beschaffenheit: Dunkle Materie und Dunkle Energie. Im HADES-Experiment
fahnden Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR)
gemeinsam mit Physikern aus 17 europäischen Instituten nach „dem
Teilchen“, das die Dunkle Materie erklären soll. Wie kürzlich in der
Fachzeitschrift "Physics Letters B" berichtet, scheidet das Dunkle
Photon, auch U-Boson genannt, als möglicher Kandidat zunächst aus.
Die wohl größten Rätsel in der Astrophysik sind die Dunkle Energie und
die Dunkle Materie. Die Dunkle Energie macht 75 Prozent des Universums
und die Dunkle Materie etwa 20 Prozent aus; die uns bekannte Welt
beschränkt sich damit auf lediglich rund fünf Prozent der Materie. Ohne
Dunkle Energie und Materie können weder die Ausdehnung des Universums
noch dessen Dichteverteilung – und damit Strukturen wie Galaxien,
Sterne, Planeten und andere kompakte Objekte – erklärt werden. Dabei ist
die Existenz von Dunkler Energie und Dunkler Materie nur theoretisch;
einen direkten Nachweis gibt es bislang nicht. Antworten erhofften sich
Wissenschaftler durch das Aufspüren unbekannter Teilchen, die nicht in
das Standardmodell der Teilchenphysik passen.
„Das negative Resultat der aktuellen HADES-Experimente ist sehr wichtig,
denn es zeigt, dass wir die Dunkle Materie auch in minimalen
Abweichungen innerhalb des Standardmodells suchen müssen“, erläutert
Professor Burkhard Kämpfer, Leiter der Hadronenphysik-Gruppe am Dresdner
Helmholtz-Zentrum. Eine neue heiße Spur liefern etwa die magnetischen
Momente der Myonen – das sind Elementarteilchen, die den Elektronen
ähneln. Professor Kämpfer: „Bei hochpräzisen Experimenten wurden
Hinweise auf Diskrepanzen des Standardmodelles entdeckt, womit sich die
Grenzen der Physik, wie wir sie heute kennen, verschieben würden.“
Das Standardmodell führt den Aufbau der Materie auf einige wenige
Bausteine zurück. Aus den Materieteilchen (Quarks, Elektronen und
Neutrinos) setzen sich die Atomkerne und Atome zusammen, aus denen auch
wir alle bestehen. Den Kleber, der die Welt zusammenhält, bilden die
Kraft- oder Wechselwirkungsteilchen (z.B. die Photonen bzw.
Lichtteilchen). Dazu gehört etwa auch das Higgs-Teilchen, dessen
Vorhersage im Jahr 2013 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Nur
durch die Interaktion mit dem Higgs-Boson ist erklärlich, wie einige der
Teilchen zu ihrer Masse kommen. Das Standardmodell kann damit eigentlich
als komplett gelten.
Bausteine der Dunklen Materie
Als Dunkle-Materie-Teilchen scheint keiner der bekannten Kandidaten in
Frage zu kommen. So ist die Suche nach diesen Teilchen wie die berühmte
Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Wir kennen weder die Nadel, also das
Teilchen, noch den Heuhaufen, d.h. seinen Aufenthaltsort in der
Unendlichkeit des Universums; vermutet wird aber eine Konzentration in
Galaxien “, so Professor Kämpfer. „Unsere Detektoren, die wir eigens für
das riesige HADES-Spektrometer am GSI Helmholtzzentrum für
Schwerionenforschung in Darmstadt entwickelt und gebaut haben, helfen
bei dieser Suche. Sie können einzelne Spuren, die aus dem Zusammenprall
von Teilchen herrühren, sehr genau detektieren.“
Für die Physiker, die sich in der europäischen HADES-Kollaboration
(High-Acceptance Di-Electron Spectrometer) zusammengeschlossen haben,
galt das Dunkle Photon als vielversprechender Kandidat für ein
Dunkle-Materie-Teilchen. Dieses wird auch U-Boson genannt, was mit der
sogenannten „U"-Symmetrie zusammenhängt. Sie macht das Dunkle Photon
einerseits zu einem Doppelgänger „normaler“ Lichtteilchen, ermöglicht
ihm andererseits aber auch, in eine sehr schwache Wechselwirkung mit
normaler Materie zu treten. Daher gehen die Wissenschaftler davon aus,
dass das Dunkle Photon genau wie ein gewöhnliches Photon in ein
Elektron-Positron-Paar zerfallen muss. Mit dem Dunklen Photon war die
Nadel also vorerst theoretisch identifiziert, als Heuhaufen entpuppten
sich spezifische Verteilungen von Elektron-Positron-Paaren, die bei der
Kollision von Teilchen an einem großen Beschleuniger entstehen.
Messsignale am HADES-Detektor im Ergebnis aktueller Experimente
enttäuschten nun aber die Erwartung der Physiker. Es fand sich nicht die
allerkleinste Spur eines Dunklen Photons.
Das HADES-Experiment
Ein bewährtes Mittel zur Erzeugung von Elektron-Positron-Paaren ist es,
verschiedene Teilchen zu beschleunigen und mit sehr hoher
Geschwindigkeit aufeinanderprallen zu lassen. In den Experimenten kommen
Strahlen aus Protonen, Deuteronen (diese setzen sich aus einem Neutron
und einem Proton zusammen) oder Atomkernen zum Einsatz, die auf
Ziel-Protonen oder -Kerne treffen. Tritt das seltene Ereignis ein und
ein Elektron-Positron-Paar entsteht, können Wissenschaftler dies als
messbares Signal detektieren, etwa mit dem einmaligen Detektorsystem
HADES. Die im HZDR gebauten Detektoren für HADES bestehen aus sechs
Ebenen mit einem dichten Netz aus Drähten zum Aufspüren von geladenen
Teilchen. Diese Drähte besitzen eine Positionsgenauigkeit von 25
Mikrometern (ein Mikrometer entspricht einem Tausendstel Millimeter),
und das bei einer Dicke, die dem Durchmesser eines menschlichen Haares
entspricht. Das HADES-System hat bislang etwa zehn Milliarden
analysierbare Ereignisse gesammelt.
Internationale Beschleunigerkonferenz in Dresden
Vom 15. bis zum 20. Juni 2014 findet in Dresden die „International
Particle Accelerator Conference (IPAC)“ statt. Etwa 1.500
Beschleunigerphysiker und Detektorexperten aus Europa, Amerika und Asien
werden erwartet, wobei Vertreter aller großen Beschleunigerzentren
zugegen sein werden. Für die Ausrichtung vor Ort ist das
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) zuständig. An der
Organisation beteiligen sich zudem das Helmholtz-Zentrum Berlin, das
Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY und natürlich das Helmholtzzentrum
für Schwerionenforschung GSI aus Darmstadt.
_Publikation: G. Agakishiev u.a. (HADES Collaboration), Phys. Lett. B
731, 265 (2014), DOI-Link: