Geschichte der Solarluftfahrt
"Flieger, grüß mir die Sonne!"
Der Traum vom Fliegen, den Menschen so lange
geträumt haben, hat sich auch schon früh als Traum vom solarbetriebenen
Flug manifestiert. Cyrano de Bergerac lässt Mitte des 17. Jahrhunderts
in seinem Romanwerk „Reise zum Mond und zur Sonne“ seinen Romanhelden
Dyrcona sich zum Himmel erheben, indem er den morgendlichen Tau in
Fläschchen auffängt, und da die Sonne ja den Tau „anzieht“, dienen ihm
die Fläschchen sodann als Auftriebskörper. Eineinhalb Jahrhunderte vor
der Erfindung des Heißluftballons durch die Brüder Montgolfier zeugt
dies immerhin von einer beeindruckenden literarischen Imagination.
Später im Roman gelangt Dyrcona zum Mond übrigens in einer mehrstufigen
Rakete.
Die Geschichte der praktischen Solarluftfahrt hat die Entdeckung des photoelektrischen Effekts im
Jahre 1839 durch den französischen Physiker Alexandre Edmond Becquerel
zur Voraussetzung; und sie ist direkt mit der Kostenreduzierung bei
PV-Modulen verknüpft. Die ersten Anfänge reichen daher nicht weiter
zurück als bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts.
Unbemannte Solarflugzeuge
Der
erste solarbetriebene Flug gelang dem unbemannten Flugzeug „Sunrise“
von AstroFlight, das 1974 von dem ausgetrockneten Bicycle Lake auf dem
Militärgelände von Fort Irwin (Kalifornien) startete. Hinter diesem
Projekt standen Wünsche des US-Militärs, in großer Höhe preisgünstig
Überwachungsmissionen durchführen zu können. Das Flugzeug wurde nach 28
solargetriebenen Testflügen durch Turbulenzen zerstört. 1975 flog als
verbesserte Version die „Sunrise II“, die bereits mit einem Akku-Pack
für Nachtflüge ausgestattet war.
Konstrukteur Roland Boucher prüft Spannung und Stromstärke am ersten
Solarflugzeugs der Geschichte, AstroFlight Sunrise, 1974. Quelle:
www.projectsunrise.info
Unbemannte
Modellflugzeuge spielten auch in der weiteren Entwicklung der
Solarfliegerei eine wichtige Rolle, weil es bis heute darum geht,
Gewicht zu sparen, welches dann für das Antriebssystem zur Verfügung
steht. In diese Sparte gehört u.a. das chinesische Solarflugzeug
„Soaring“, das 1992 von Danny H. Y. Li und Zhao Yong konstruiert wurde.
Mit einer Spannweite von 1,88 Meter konnte es bis zu acht Stunden in der
Luft bleiben.
Im neuen Jahrhundert
beschäftigen sich Li und seine Mitarbeiter mit so unkonventionellen
Entwürfen wie der „Green Pioneer I“, ein Doppeldecker-Nurflügler-Konzept
mit zwei hinter- und übereinander gestaffelten Tragflächen.
Zu
den unbemannten Solarflugzeugen zählt auch die Reihe von der NASA
beauftragter und durch die Firma AeroVironment entwickelter
Nurflügel-Flugzeuge mit einem Antriebssystem aus Photovoltaik und
Brennstoffzellen. Hinter der Firma AeroVironment steckte der Ingenieur
Paul MacCready, der gleichzeitig auch bemannte Solarflugzeuge
entwickelte (s.u.). Diese Reihe von großen Solardrohnen führte von den
Modellen „Pathfinder“, "Pathfinder Plus“, über die „Centurion“ zur
„Helios“, einem Nurflügler mit 14 Elektromotoren und einer Spannweite
von über 78 Metern (also noch mehr als die „Solar Impulse 2“). Die
Helios stellte im Jahre 2001 mit knapp 30.000 Metern einen Höhenrekord
für propellergetriebene Flugzeuge auf. Zwei Jahre später wurde sie bei
einem Flug über dem Pazifik durch Turbulenzen zerstört. Dieses
Entwicklungsprogramm wurde daraufhin nach zwanzig Jahren beendet.
Das
Problem, mit Solarflugzeugen die sonnenlosen Nächte zu überwinden,
wurde ebenfalls zuerst mit unbemannten Maschinen gemeistert. Im Jahre
2005 gelang dem Gründer der AC Propulsion, Alan Cocconi, ein 48stündiger
Non-Stop-Flug mit reinem Solarantrieb. Das Flugzeug mit dem Namen „So
Long“ wies eine Spannweite von fünf Metern auf. Für die nächtlichen
Flugabschnitte wurde überschüssiger Strom aus den Solarzellen in
Lithium-Ionen-Batterien gespeichert.
Im Juli
2010 erreichte der unbemannte „Zephyr“ des britischen
Rüstungsunternehmens QuinetiQ sogar eine Non-Stop-Flugzeit von mehr als
14 Tagen. Das Flugzeug wog bei einer Spannweite von 22,5 Metern nur 50
Kilogramm (die Angaben variieren). Dieses geringe spezifische Gewicht
wurde durch eine Konstruktion aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff
ermöglicht. Die Energie für die Nachtflug-Abschnitte wurde in
Lithium-Schwefel-Akkumulatoren gespeichert, die eine für Akkus hohe
Energiedichte aufweisen.
Bemannte Solarflugzeuge
Die
ersten Solarflüge mit Menschen an Bord fanden 1979 statt und waren
Graswurzel-Aktionen einzelner Enthusiasten. Eine davon geschah wiederum
im sonnigen Kalifornien. Larry Mauro hatte seinen Hängegleiter, den
Doppeldecker „Easy Riser“, zum „Solar Riser“ umgebaut, indem er ihn mit
Solarzellen auf der oberen Tragfläche ausstattete. Diese leisteten 350
Watt und luden eine Starter-Batterie für Hubschrauber. Nach einer
Ladezeit von anderthalb Stunden konnte diese Batterie einen
3-PS-Elektromotor veranlassen, drei bis fünf Minuten lang das nun mit
einem Fahrwerk ausgestattete Flugzeug in eine Höhe zu tragen, von der
aus es dann Gleitflüge unternehmen konnte. Erstflug war der 29. April
1979.
Im
gleichen Sommer hob in England die “Solar One” der Gesellschaft
„Solar-Powered Aircraft Developments“ ab, hinter der der Konstrukteur
David Williams stand. Das Zusammenspiel von Solarzellen, Batterie und
Elektromotor war im Prinzip so wie bei der „Solar Riser“, d.h. die
PV-Zellen luden die Batterie vor dem Start auf. Erstflug war am 13. Juni
1979. Die „Solar One“ war aus einem Projekt eines Muskelkraft-Flugzeugs
zum elektrischen Motorsegler weiterentwickelt worden. Der Zwang zur
Gewichtsminimierung stellt dem Konzept eines Antriebes mit menschlicher
Körperkraft ähnliche Aufgaben wie dem eines elektrischen Antriebs, weil
die gewichtsbezogene Energiedichte bei beiden Antriebsarten relativ
gering ist.
Ein – allerdings sehr viel
erfolgreicheres – Pedalkraft-Flugzeug stand etwas später der „Gossamer
Penguin“ Pate. Das Team um Paul MacCready entwickelte dieses Flugzeug
mit reinem Solarantrieb aus dem legendären muskelgetriebenen „Gossamer
Abatross“, dem 1979 die erste Überquerung des Ärmelkanals mit reiner
Muskelkraft gelungen war. Mit dem dabei gewonnenen Preisgeld (der
"Kremer-Preis" für die erste Überquerung des Kanals mit Muskelkraft
betrug 100.000 US-$) widmete man sich der Frage solarer Antriebe.
Zunächst wurden dem "Albatros" die PV-Zellen aus dem bereits erwähnten
unbemannten "Sunrise II" appliziert. Einem Nachfolger des "Penguin", der
„Solar Challenger“, gelang 1981 seinerseits die symbolträchtige
Überquerung des Kanals zwischen Frankreich und Großbritannien. Bei Paris
gestartet und nahe London landend, überbrückte dieser Flug 262
Kilometer. Die mehr als 16.000 Solarzellen des "Solar Challenger"
lieferten 3,8 kW Peakleistung, mit denen zwei Elektromotoren gespeist
wurden: Eine Vervielfachung der gut 0,5 kWp des "Penguin". In weiteren
mehrstündigen Flügen bewältigte die „Solar Challenger“ Distanzen von
mehreren hundert Kilometern.
In
Deutschland flog 1983 die „Solair I“, die von Günther Rochelt
entwickelt worden war. Das Flugzeug wies eine Enten-Konfiguration auf;
die hintenliegende Tragfläche und das vorne angebrachte Höhenleitwerk
waren mit 2499 Solarzellen bestückt, die eine Leistung zwischen 1,8 und
2,2 Kilowatt lieferten. Bei dem Flug am 21. August 1983 blieb die
„Solair I“ 5 Stunden und 41 Minuten in der Luft, wobei der Solarantrieb
von Thermik unterstützt wurde. Das Flugzeug kann heute im Deutschen
Museum in München besichtigt werden. Die Neuentwicklung „Solair II“
wurde nach dem Tod Rochelts im Jahre 1998 gestoppt. Sie war noch
eleganter als die "Solair I", das hintenliegende V-förmige Leitwerk trug
an den oberen Enden die Elektromotoren mit Schub-Faltpropellern.
Streckenleistungen
häuften sich nun. 1990 überquerte Eric Raymond mit der „Sunseeker“ die
Vereinigten Staaten in 21 Etappen. Die 121 Flugstunden verteilten sich
auf einen Zeitraum von etwa zwei Monaten. Die längste Etappendistanz
betrug 400 km. Die Sunseeker war ein Solar-Motor-Segelflugzeug mit einer
Gleitzahl von 30 bei einem Leergewicht von 89 kg. Auch sie verfügte
über eine kleine Batterieeinheit (NiCd-Akku) für den Start, die von den
polykristallinen Folien-Solarzellen auf Tragflächen und Höhenleitwerk
geladen wurde. Im eigentlichen Flug wurde die Sonnenenergie unmittelbar
genutzt.
Solar Flight Sunseeker über einem kalifornischen Gebirgsrelief. Quelle:
CC BY-SA 3.0, Ccoonnrraadd – Solar-Flight.com (via Wikipedia)
2002
wurde die „Sunseeker II“ gebaut, die einige Jahre später noch einmal
modernisiert wurde (u.a. mit Lithium-Akkus) und zeitweise das weltweit
einzige flugfähige Solarflugzeug war. 2009 überquerte sie als erstes
solargetriebenes Flugzeug die Alpen. Ein zweisitziges Modell, die
"Sunseeker Duo", hatte seinen solargetriebenen Erstflug im April 2014;
es wird zur Zeit intensiv in Norditalien geflogen. Seine 1510
Solarzellen haben einen Wirkungsgrad con 23%. Raymonds Firma "Solar
Flight" plant, für einen solchen Zweisitzer die Zulassungen für eine
Serienproduktion zu erlangen.
An der
Universität Stuttgart wurde 1996 die „Icaré 2“ gebaut, die im selben
Jahr den „Berblinger-Preis“ (und im Jahr darauf eine Reihe weiterer
Preise) gewann. Der Berblinger-Preis war für das erste Flugzeug
ausgelobt worden, das ausschließlich mit der in Batterien gespeicherten
Energie eine Flughöhe von 450 Metern erreichte und dann bei einer
Sonneneinstrahlung von 500 W/m2 einen solargetriebenen
Horizontalflug absolvieren konnte. Der Tragflächenentwurf der "Icaré 2"
findet auch bei der "Sunseeker Duo" Anwendung.
Als
neuester Player auf diesem Feld ist schließlich noch die Firma
"PC-Aero" aus Nesselwang im Allgäu zu nennen, die 2013 das
Ultraleicht-Flugzeug "Elektra One Solar" vorstellte. Mit 6 m2 Solarzellen und einem Lithium-Ionen-Akkupack mit 9 kWh Kapazität soll
dieser kleine Tiefdecker konventioneller Konfiguration eine Reichweite
von 1000 Kilometer erzielen. Er gilt als "seriennah", auch größere
Zweisitzer werden von PC-Aero entwickelt Zu dem Konzept gehören auch
Autoanhänger für den Transport des Flugzeugs sowie Hangars, die jeweils
mit PV-Zellen zur Ladung der Akkus ausgestattet sind.
Weltumrundung
Die
französische Firma Lisa Airplanes entwickelt aus ihren leichten und
eleganten „Akoya“-Amphibienflugzeugen (die sowohl Wasserflächen als auch
gewöhnliche Flugplätze zum Starten und Landen verwenden können) eine
elektromotorische Abwandlung: den „Hy-Bird“, dessen Antrieb aus
photovoltaisch erzeugter elektrischer Energie sowie aus Brennstoffzellen
besteht. Hy-Bird soll, wie es auf der Internetseite „solarflugzeuge.de“
heißt, „in mehreren Etappen die Erde umrunden und dabei nur
regenerative Energien einsetzen. Jede Etappe wird etwa 1500 km lang sein
und von einem Piloten geflogen, der am jeweils nächsten Zielort
beheimatet ist. Bei den Zwischenstopps sollen nicht nur das Flugzeug und
die Möglichkeiten nachhaltiger Technologien präsentiert werden, sondern
auch ein kulturelles Rahmenprogramm (Ausstellungen, Konzerte …) des
jeweiligen Gastlandes stattfinden.“
Das
Solar-Impulse-Projekt ist jedoch schon erheblich weiter; der
Weltumrundungsflug ist am 9. März gestartet. Seit 2009 sind mit dem
Prototyp HB-SIA Erprobungsflüge durchgeführt worden. Der erste Nachtflug
gelang im Juli 2010. Am Steuer saß André Borschberg, der sich auch beim
Weltumrundungsflug mit Bertrand Piccard abwechselt. Der erste
Interkontinentalflug führte 2012 von der Schweiz aus mit einem
Zwischenstopp in Madrid nach dem marokkanischen Rabat, wobei eine
Entfernung von 2500 Kilometer überwunden wurde. 2013 schloss sich eine
Überquerung der USA von der Pazifik- bis zur Atlantikküste an. Aufgrund
der Erfahrungen mit der HB-SIA wurde die noch größere HB-SIB
konstruiert, die als „Solar Impulse 2“ nun den Flug um die Welt
absolviert – mit der SFV-Zelle Nr. 7222 an Bord.
Quellen
- Klaus L. Schulte: Elektroflug. Technologie, Geschichte, Zukunft. Köln 2014. S.129-158.
- www.solarimpulse.com/de/the-adventure/solarluftfahrt/
- de.wikipedia.org/wiki/Solarflugzeug
- en.wikipedia.org/wiki/Electric_aircraft
- www.solarflugzeuge.de
- James McCullagh (Hg.): Pedalkraft. Menschen, Muskeln und Maschinen. Reinbek 1988.
- Aeroplane monthly, 7/1979.
- Sowie die Internet-Präsentationen der erwähnten Flugzeuge und Firmen.
Das
Entwicklungsfeld des Solarflugs ist äußerst lebendig, und die hier
wiedergegebene Momentaufnahme kann schon bald überholt sein. Einen
Einblick in neue Projekte und Entwicklungen kann man regelmäßig z.B. in
der Rubrik "E-Flight" gewinnen, die in der Monatszeitschrift "Flügel"
veröffentlicht wird.