Ultrafeine
Partikel sind sowohl gesundheits- als auch klimarelevant. In urbanen
Gebieten gilt der Straßenverkehr als Hauptursache für die winzigen
Teilchen. Außerhalb von Städten konnten Forscher des Karlsruher
Instituts für Technologie (KIT) in einer Langzeitmesskampagne nun eine
Quelle identifizieren, die besonders auf das regionale Klima einwirkt:
moderne Kohlekraftwerke. Wie deren Emissionen die Bildung von
ultrafeinen Partikeln beeinflussen und welche Wirkung sie auf das Klima
haben, beschreiben sie im Magazin Bulletin of the American Meteorological Society (doi:10.1175/BAMS-D-18-0075.1).
Obwohl ultrafeine
Partikel (UFP) nur einen Durchmesser von weniger als 100 Nanometern
haben, nehmen sie gewaltigen Einfluss auf Umweltprozesse: „Sie bieten
Oberflächen für chemische Reaktionen in der Atmosphäre oder können als
Kondensationskerne die Eigenschaften von Wolken und Niederschlag
beeinflussen“, sagt Wolfgang Junkermann vom Institut für Meteorologie
und Klimaforschung (IMK) des KIT. Um Vorkommen und Verteilung von UFP zu
untersuchen, hat der Umweltphysiker gemeinsam mit australischen
Kollegen in den vergangenen 15 Jahren Messflüge rund um den Globus
gestartet. Dabei betrachteten sie auch die Atmosphäre außerhalb
städtischer Brennpunkte, insbesondere in Gegenden mit auffälligen
Niederschlagstrends: In der freien Natur erzeugen etwa Waldbrände,
Staubstürme oder Vulkanausbrüche feine Partikel, meist jedoch nicht im
Nanometerbereich. Die Klimaforscher stellten fest, dass deren
Konzentration auch in vielen abgelegenen Gebieten stetig ansteigt, die
neuen, zusätzlichen Partikel jedoch keinen natürlichen Ursprung haben.
Als Quelle konnte
Junkermann in seinen Messflügen vor allem Kohlekraftwerke und
Raffinerien identifizieren: „In der Abgasreinigung sind die Bedingungen
für die Partikelneubildung optimal. Den Abgasen wird Ammoniak
hinzugefügt, um Stickoxide in harmloses Wasser und Stickstoff
umzuwandeln.“ Dieses Ammoniak stehe im richtigen Mischungsverhältnis für
die Partikelbildung zur Verfügung, sodass im Abgas extrem hohe
Konzentrationen entstehen. Nach der Emission in 200 bis 300 Metern Höhe,
können die winzigen Teilchen mehrere hundert Kilometer zurücklegen, je
nach Wetterverhältnissen und Klimabedingungen in der Atmosphäre:
„Meteorologische Prozesse spielen eine große Rolle bei den zeitlichen
und örtlichen Mustern von UFP“, sagt Junkermann. Die Abluftfahnen können
sich bei Nacht in einer dünnen, hochkonzentrierten Schicht ausbreiten.
„Vom Boden her kühlt die unterste Schicht ab, darüber verbleibt wärmere
Luft.“ Diese stabile Schichtung (Inversion) kann erst am nächsten Morgen
mit einsetzender Erwärmung durch Sonneneinstrahlung aufgebrochen und
die Teilchen zum Boden hin vermischt werden. Dabei können dort die
Konzentrationen kurzzeitig um bis zu zwei Größenordnungen anwachsen.
„Dadurch entstehen regelrechte Explosionen, sogenannte Partikel-Events“,
erklärt der Forscher.
Geraten diese Partikel
als Kondensationskerne in Wolken, werden zunächst die einzelnen
Wolkentröpfchen kleiner und es dauert länger, bis sich Regentropfen
bilden können. Dadurch wird die räumliche und zeitliche Verteilung sowie
die Intensität von Niederschlägen beeinflusst. „Die Folge ist nicht
unbedingt, dass es weniger regnet, die Partikel können auch extreme
Regenereignisse verstärken. Wo das passiert ist wieder vom Wind
abhängig.“
Für die Messflüge
nutzten die Klimaforscher das am KIT entwickelte weltweit kleinste
bemannte Forschungsflugzeug. Das fliegende Labor ist mit hochsensiblen
Instrumenten und Sensoren ausgestattet, die Staubpartikel, Spurengase,
Temperatur, Feuchte, Wind und Energiebilanzen messen. Diese Daten
glichen Junkermann und Kollegen mit meteorologischen Beobachtungen sowie
Ausbreitungs- und Transportmodellen ab: „So konnten wir zeigen, dass
fossile Kraftwerke inzwischen zu den weltweit stärksten Einzelquellen
für ultrafeine Partikel geworden sind. Sie beeinflussen meteorologische
Prozesse massiv und können zu extremen Wetterereignissen führen.“
Originalpublikation
Wolfgang
Junkermann, Jörg M. Hacker: „Ultrafine particles in the lower
troposphere: major sources, invisible plumes and meteorological
transport processes”; in: Bulletin of the American Meteorological
Society