Europäisches Team entwickelt universelle „Sprache“ für Weltraumforschung

FP7 PROJEKT IMPEX:

Europäisches Team entwickelt universelle "Sprache" für Weltraumforschung

Graz,
8. April 2015 � Einem Konsortium aus europäischen Wissenschaftlern ist
es gelungen, eine gemeinsame Informationsdrehscheibe zu entwickeln, um
Daten aus verschiedenen Weltraummissionen vergleichbar zu machen. Eine
Aufgabe, die bislang durch unterschiedliche Datenverarbeitungsstandards
einzelner Missionen erheblich erschwert wurde. So ist es nun möglich,
Messdaten mit Daten, die aus theoretischen Modellen gewonnen wurden, zu
vergleichen � unabhängig von den verwendeten Datenprotokollen. Das neu
entwickelte System mit dem Namen IMPEx (Integrated Medium for Planetary
Exploration) hilft Wissenschaftlern, komplexe Messdaten besser zu
verstehen, Lücken in den Messungen mit Simulationsdaten aufzufüllen und
Simulationen besser mit tatsächlichen Beobachtungen zu vergleichen.
Erste Anwendungen erlauben detaillierte Vergleiche von Daten der
Weltraummissionen Venus Express (ESA) und Messenger (NASA) mit bereits
existierenden Modellen. Auch für die berühmte Rosetta-Mission werden in
naher Zukunft Vergleiche zwischen Simulations- und Messdaten möglich
sein.

Weltraummissionen sind ein bisschen wie smart phones;
es existiert eine Vielzahl an Standards für die Datenverarbeitung.
Aufgrund der enormen Komplexität von Weltraummissionen kommen bei deren
Instrumenten und Geräten meist Einzelanfertigungen zum Einsatz. Auch die
Datenerfassung und Auswertung folgt in der Regel den proprietären
Standards der jeweiligen Mission. Der Nachteil: Austausch und Vergleich
von Messdaten zwischen verschiedenen Missionen und den meist von
Dritt-Instituten entwickelten theoretischen Modellen sind praktisch
unmöglich. Doch es gibt bereits eine Anzahl an Initiativen, die
versuchen, diese Diversität zu überbrücken, indem sie Standards für
bestimmte Bereiche der Physik definieren. Das EU-Konsortium IMPEx
leistet hier einen signifikanten Beitrag im Hinblick auf modellierte
Daten durch die Erweiterung des Datenmodells SPASE (Space Physics
Archive Search and Extract). Das Projektteam konnte durch die Einführung
des IMPEx-Portals, dem Benutzer-front-end des IMPEx-Protokolls, einen
gebündelten Zugang zu einer beeindruckenden Sammlung an Funktionalitäten
und Werkzeugen bereitstellen, um die Arbeit mit verschiedensten Mess-
und Modellierungsdaten aus dem Bereich der Plasmaphysik zu ermöglichen.

WERKZEUGKISTE FÜR WELTRAUMFORSCHER

Projekt-Koordinator
und Senior-Wissenschaftler Dr. Maxim Khodachenko vom Institut für
Weltraumforschung (IWF, Graz) der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften kommentiert diesen Erfolg folgendermaßen: "Das
IMPEx-Portal bietet Werkzeuge für die Visualisierung und Analyse von
Datensätzen verschiedener Weltraummissionen. Zusätzlich sind mehrere
Simulations-Datenbanken in das System integriert." Und in der Tat, die
Möglichkeiten des IMPEx-Portals sind beeindruckend. So bietet es Zugriff
auf eine Vielzahl an Messdaten sowie Simulationsläufen des Magnetfeldes
und der Plasmaumgebung verschiedener Monde und Kometen des
Sonnensystems, die auch Ziele mehrerer vergangener, aktueller und
zukünftiger europäischer und internationaler Weltraummissionen waren und
sind. Internetdienste (engl. web services), die vom Modellierungssektor
von IMPEx unterstützt werden, erlauben die Reproduktion der
Magnetfelder sowie der Plasmaumgebungen verschiedener Planeten.
Jederzeit abrufbar und zum Teil sogar in Echtzeit.

Ausgangspunkt
für die Datenverarbeitung im IMPEx-Portal ist das Tool CDPP-AMDA
(Automated Multi-Dataset Analysis). AMDA ermöglicht eine effektive
Verarbeitung von Daten durch Zugriff auf einfach zu benutzende
Funktionen zur Datenauswertung. Die web-basierte Applikation ist auf die
Analyse und Visualisierung von Mess- und Simulationsdaten spezialisiert
� der Schwerpunkt liegt dabei auf Weltraumplasmaphysik. Ein weiteres
Werkzeug mit Zugriff auf IMPEx ist CDPP 3DView. Mit seinen umfangreichen
Funktionen im Bereich der 3D-Visualisierung erlaubt es die Darstellung
von Raumschiff-Trajektorien und Planetenbewegungen sowie die
wissenschaftliche Repräsentation von Mess- und Simulationsdaten.
Tatsächlich sind alle IMPEx-Datenbanken auch direkt in 3DView verfügbar,
wodurch eine interaktive Kombination aus Raumschiff-Orbits und
entsprechender Messungen vor Ort möglich wird.

VENUS & MERKUR

Unlängst
lieferte 3DView bereits beeindruckende Ergebnisse, als
Observationsdaten des Magnetfeldes, gemessen im Rahmen der Venus Express
Mission, mit einem speziellen Simulationsmodell für Magnetosphären
verglichen wurden. Und in der Tat zeigt dieser Vergleich die
weitreichenden Möglichkeiten des IMPEx-Protokolls auf. Der
Projekt-Partner FMI (Finnish Meteorological Institute) entwickelte eine
Datenbank für hybride Modelle, die Simulationen der Magnetfeldumgebung
der Venus erlaubt. Einige davon wurden mithilfe des IMPEx-Portals und
seiner Tools weiter verarbeitet. So wurde ein Simulationslauf entlang
der Trajektorie des Venus Express Orbiters interpoliert, um die
Messdaten mit der Modellierung zu vergleichen. Letztlich konnten beide
Datensätze � die Messungen und die Simulation � direkt am Orbit von
Venus Express visualisiert werden. Ein ähnlicher Vergleich wurde auch
mit von Messenger gemessenen Magnetfelddaten des Merkur durchgeführt.
Mithilfe von IMPEx web services wurde eine Simulation entlang der
Trajektorie des Orbiters interpoliert und in 3DView dargestellt.

Grafische Impressionen der Funktionalität und Visualisierungsvielfalt der IMPEx Umgebung finden sich unter:
http://tinyurl.com/impex-images

Vincent
Génot, hauptverantwortlicher Wissenschaftler des IMPEx-Projekts von
CNRS/IRAP dazu: "Die Möglichkeit, komplexe Simulationen mit Messungen
direkt vor Ort in einem einzigen Analysewerkzeug zu kombinieren, ist
eine der größten Errungenschaften von IMPEx. Bald wird das System auch
Vergleiche von Messdaten der bekannten Rosetta-Mission mit Simulationen
der Umgebung des Kometen erlauben. Das wird einen großen Beitrag dazu
leisten, die Bausteine des jungen Sonnensystems besser zu verstehen. Das
leistungsfähige IMPEx-System wird die Forschung auf dem Gebiet der
Plasma- und Magnetfeldumgebungen erleichtern und weiter verbreiten, und
zwar nicht nur von "Tschury", Venus und Merkur, sondern auch von
weiteren Objekten im Sonnensystem. Von Mars zum Beispiel, von Jupiter,
Saturn und schließlich auch der Erde selbst."

Das erfolgreiche
Konsortium, das neben dem IWF und FMI auch aus den französischen
Partnern CNRS/IRAP und CNRS/LATMOS sowie dem russischen Partner SINP-MSU
besteht, ruht sich indes aber keinesfalls auf den wissenschaftlichen
Lorbeeren aus, sondern schmiedet bereits Pläne, IMPEx in die Wolken zu
heben. Tarek Al-Ubaidi, Projektmanager und technischer Experte erklärt
dazu: "Wir würden die Idee von IMPEx sehr gerne durch cloud-Ressourcen
und big-data-Dienstleistungen weiterentwickeln bzw. komplettieren. Vor
allem die Durchführung von Modellrechnungen in der cloud wäre für die
wissenschaftliche Gemeinde von großem Vorteil. Wir würden das Konzept
gerne mit einer noch flexibleren Architektur, umfassendem Zugriff auf
Archive für Messdaten und ausgefeilten Technologien zur
Datenverarbeitung und Analyse kombinieren. Wir haben diesbezüglich
bereits mehrere Projektvorschläge unterbreitet und hoffen, dass wir die
Möglichkeit erhalten, diese umzusetzen � Daumen halten!"

Weitere Informationen finden Sie auf der IMPEx-Website: http://impex-fp7.oeaw.ac.at

The
FP7-Project IMPEx (Integrated Medium for Planetary Exploration) is
supported by the European Union Grant agreement number 262863.

IMPEx core team:
Maxim Khodachenko (Coordinator), IWF, Austria
Esa Kallio (Deputy Coordinator), FMI, Finland
Vincent Génot (Project Scientist), CNRS/IRAP, France
Igor Alexeev (Work Package Leader), SINP-MSU, Russia
Tarek Al-Ubaidi (Project Manager and IT Expert) , IWF, Austria
Michel Gangloff (Work Package Leader), CNRS/IRAP, France
Walter Schmidt (Work Package Leader), FMI, Finland
Ronan Modolo (Task Leader), CNRS/LATMOS, France
Manuel Scherf (Scientific user support and validation), IWF, Austria