EU-Forschungspreis geht an Informatik-Professoren

Für ein besseres Internet: Höchster EU-Forschungspreis geht an Informatik-Professoren

Vier Informatik-Professoren der Universität des Saarlandes, des Max-Planck-Instituts für Informatik und des Max-Planck-Instituts für Softwaresysteme haben gemeinsam den höchst dotierten Forschungspreis der Europäischen Union gewonnen, den „ERC Synergy Grant“. Sie erhalten rund zehn Millionen Euro, um zu erforschen, wie man im Internet Anwender gegen Ausspähung und Betrug schützen und Täter entlarven kann, ohne dabei den Handel, die freie Meinungsäußerung sowie den Zugang zu Informationen im Internet einzuschränken. Die Informatiker setzten sich beim europaweiten Wettbewerb gegen rund 450 Anträge durch, um gemeinsam drängende, gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen.

Eine Pressekonferenz mit den beteiligten Wissenschaftlern sowie Uni-Präsident Volker Linneweber und Staatssekretär Jürgen Lennartz, Chef der Staatskanzlei, findet am Montag, den 9. Dezember, um 13:30 Uhr auf dem Uni-Campus im Senatssaal des Präsidialgebäudes A 2.3 statt.
 
Die hohe europäische Auszeichnung erhält in diesem Jahr nur eine Handvoll von Forschungsgruppen mit international herausragenden Wissenschaftlern. In dem preisgekrönten Forschungsprojekt „imPACT“ bezeichnen die vier Großbuchstaben die Ziele, denen sich die Professoren Michael Backes (Universität des Saarlandes), Peter Druschel, Rupak Majumdar (beide Max-Planck-Institut für Softwaresysteme) und Gerhard Weikum (Max-Planck-Institut für Informatik) gemeinsam verschrieben haben. Es sind der Schutz der Privatsphäre (Privacy), der Nachweis von Aktionen durch bestimmte Personen im Internet (Accountability), das Einhalten von Vereinbarungen vonseiten der Software und der Plattformen (Compliance) und das Vertrauen in die Korrektheit von Daten und Diensten (Trust). „Kein einziges dieser vier Themen, die ganz wesentlich die Internetnutzung von zwei Milliarden Menschen bestimmen, ist bis zum heutigen Tag zufriedenstellend gelöst“, sagt Michael Backes, Professor für Informationssicherheit und Kryptographie an der Universität des Saarlandes und koordinierender Sprecher des Projektes.
 
Das Internet, ursprünglich als Netzwerk für ein paar Millionen Nutzer aufgebaut, sei heute zu einer globalen Multimedia-Plattform geworden. Diese werde heute von Milliarden Menschen, der Unterhaltungsindustrie und dem Handel, aber auch von der Politik und dem Bildungssektor intensiv genutzt. „Für solch ein rasantes Wachstum waren die Strukturen des Internet aber niemals vorgesehen. Es wurde von seinem eigenen Erfolg überrollt und verwandelt sich derzeit in eine Riesenkrake, die Grundwerte unserer Demokratien außer Kraft setzen könnte. Daher droht eine Gefahr für unsere Privatsphäre, die Datensicherheit sowie unsere Informations- und Meinungsfreiheit“, warnt Michael Backes, der in Saarbrücken auch das vom Bundesforschungs¬ministerium geförderte Kompetenzzentrum für IT-Sicherheit (CISPA) leitet.
 
Mit den heutigen Technologien sei es kaum möglich, die eigene Privatsphäre im Internet zu schützen. Der Nutzer könne gar nicht überschauen, welche Konsequenzen sein eigenes Handeln im weltweiten Netz habe. Es sei auch für Profis fast unmöglich, sich anonym durch das Netz zu bewegen und dort vertrauliche Informationen auszutauschen. „Die NSA-Affäre hat allen vor Augen geführt, wie einfach es heute ist, riesige Datenbestände nach Detailinformationen zu durchforsten und persönliche Daten aus ganz unterschiedlichen Quellen miteinander zu verknüpfen. Da haben nicht nur Unternehmen ein leichtes Spiel, die Interessen und Wünsche ihrer Kundschaft herausfinden wollen. Auch Geheimdienste und kriminelle Banden spionieren mit“, erklärt Backes. Deswegen will er sich im neuen Forschungsprojekt vor allem dem Schutz der Privatsphäre widmen.
 
Sein Kollege Gerhard Weikum vom Max-Planck-Institut für Informatik erforscht, wie man Informationen im Internet verlässlich auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann. Denn Suchmaschinen folgen heute ganz eigenen, schwer durchschaubaren Mechanismen, die wenig darüber aussagen, wie vertrauenswürdig eine Quelle ist. „Das Beispiel der früheren Präsidenten-Gattin Bettina Wulff hat gezeigt, wie allein durch das Suchverhalten von Millionen Internetnutzern Aussagen nach oben gespült werden, die völlig falsch sind“, erläutert Gerhard Weikum. Den vertrauensvollen Umgang mit Daten und ihrem Wahrheitsgehalt können aber auch die Unternehmen heute kaum garantieren. Hier setzen die Arbeiten von Rupak Majumdar vom Max-Planck-Institut für Softwaresysteme an. Er will im Internet zwischen Programmen und Diensten klare Regeln und sichere Strukturen für den Datenaustausch etablieren (Compliance), deren korrekte Umsetzung mathematisch beweisbare Methoden garantieren.
 
„Das Internet krankt heute auch daran, dass kriminelle Nutzer und Anbieter nur schwer zur Rechenschaft gezogen werden können. Gleichzeitig muss aber auch das legitime Recht der Nutzer erhalten bleiben, sich frei zu informieren und ihre Meinung zu äußern, ohne Repressalien, Diskriminierung oder andere Nachteile fürchten zu müssen“, sagt Peter Druschel, wissenschaftlicher Direktor des Max-Planck-Instituts für Softwaresysteme. Er will daher nach Lösungen suchen, wie man die Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun im Internet klarer festschreiben kann, ohne dabei zum gläsernen Konsumenten und Bürger zu werden. „Wir werden in unserem gemeinsamen Forschungsprojekt nicht nur nach technischen Lösungen suchen, sondern gemeinsam mit Juristen, Sozialwissenschaftlern und Wirtschaftsexperten neue Wege erforschen, wie man die demokratischen Grundrechte im Internet sicherstellen kann“, so Druschel.
 
Jedes einzelne der vier zu behandelnden Forschungsthemen ist laut Michael Backes schon eine Mammutaufgabe, da ihre Ziele sich zum Teil gegenseitig behinderten. Der ERC Synergy Grant ziele aber gerade darauf ab, die Synergien zwischen einzelnen Forschungsfeldern auszuschöpfen und damit neue Wege zu beschreiten. „Es ist zum Beispiel sehr schwer, umfassend die  Privatsphäre und Anonymität im Netz zu ermöglichen und dennoch im Falle eines Fehlverhaltens die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Auch ist es schwierig herauszufinden, ob anonym veröffentlichte Daten wirklich vertrauenswürdig sind“, nennt Michael Backes als Beispiel. Hier seien noch viele Forschungsfragen ungelöst, die nun in den kommenden sechs Jahren mit europäischer Förderung angepackt werden sollen.