Energiesicherheit nur im Gesamtsystem
EU tritt für finanziellen Ausgleich für Osteuropa ein
(Berlin, 31.10.2012) Die Europäische Kommission sieht die derzeitigen Verhandlungen mit Ministerrat und Europäischem Parlament über erleichterte Investitionen im Energiebereich auf gutem Weg. Das sagte der Generaldirektor für Energie, Philip Lowe, auf dem �17. Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit� beim Bundestag in Berlin. Thema des Expertentreffens war die künftige Sicherstellung der europäischen Energieversorgung. In einer neuen EU-Richtlinie sollen staatliche Regulierung und Genehmigungsverfahren deutlich vereinfacht werden. Lowe hält außerdem �eine Art finanziellen Ausgleich� zugunsten polnischer und tschechischer Netzbetreiber für erforderlich, solange die deutschen Übertragungsnetze auch infolge der Energiewende überlastet seien.
Der Ausbau der transeuropäischen Netze habe für die Europäische Kommission im Energiebereich höchste Priorität, so EU-Kommissar Günther Oettingers höchster Beamter. In der EU dauerten Genehmigungsverfahren für große Infrastrukturvorhaben im Energiesektor durchschnittlich zehn bis zwölf Jahre, erläuterte Philip Lowe. Diese Frist solle auf drei Jahre gesenkt werden. Künftig solle es auf jeder Ebene nur noch eine Genehmigungsbehörde geben. Klagen gegen Projekte sollten auch nur noch in einer Gerichtsinstanz möglich sein. Zudem müssten die nationalen Regulierungsbehörden enger zusammenarbeiten.
Vor Bundestagsabgeordneten und über 50 Sicherheitsfachleuten aus allen Bereichen kündigte Lowe noch für 2012 einen grundsätzlichen Beschluss des Ministerrats zur Entwicklung der Energieinfrastruktur an. Dies schließe strategische Entscheidungen für europäische Stromverbindungen in Nord-Süd-Richtung ein. Auch Kriterien für förderungswürdige Projekte würden aufgestellt. Von den Nordseeanrainern mit hohem Anteil an Windenergie forderte Lowe dazu gemeinsame Vorschläge bis zum März 2013. Die EU-Kommission werde allerdings keine Empfehlungen zur konkreten Trassenführung geben.
Aus Sicht des Vertreters des Bundesumweltministeriums hat die Energiewende allerdings im vergangenen Winter ihren ersten Belastungstest bestanden. Bis 2018 gebe es keinen Bedarf an zusätzlichen Kraftwerken über geplante oder im Bau befindliche hinaus, erklärte Berthold Goeke, Unterabteilungsleiter Klimaschutz. Die Kältewelle im Februar 2012 sei zwar �insgesamt klar beherrschbar� gewesen, erwiderte Dr. Ingo Luge. Dennoch habe es auf lokaler Ebene Probleme gegeben, so der Vorsitzende der Geschäftsführung von EON Deutschland. Er warnte vor einer Überregulierung des Marktes. Auch die großen Energieerzeuger müssten sich auf Rechts- und Planungssicherheit verlassen können.
Den wissenschaftlichen Hintergrund der Debatte lieferte Prof. Dr. Jürgen Schmid. Dank des technischen Fortschritts gebe es inzwischen auch in Süddeutschland enorme Potenziale für Windenergie, so der Experte vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Systemtechnik. Dies müsse bei der Gestaltung einer neuen Netzstruktur berücksichtigt werden. Schmid verteidigte das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Dessen zusätzliche Kosten würden niemals mehr als acht Prozent der gesamten Energiekosten betragen. Ab 2025 werde sich die Energiewende finanziell sogar positiv auswirken.
Prof. Dr. Hermann J. Thomann, Vorstandsvorsitzender des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit e.V., unterstrich, dass das Gelingen der Energiewende nicht zuletzt von der konkreten Prozessgestaltung, der europäischen Zusammenarbeit und der Akzeptanz bei der Bevölkerung abhänge. Beiratsvorsitzender des Forums ist 2012 der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Dr. Konstantin von Notz.
Der gemeinnützige Verein �Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit� (www.zukunftsforum-oeffentliche-sicherheit.de) geht auf eine Parlamentsinitiative vom März 2007 zurück und wird von allen fünf Bundestagsfraktionen getragen. Im September 2008 erschien das Grünbuch mit Leitfragen zu unterschiedlichen Herausforderungen an Sicherheit in einer sich wandelnden Gesellschaft. Es wurde erarbeitet von Experten aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. In den dreimal im Jahr stattfindenden Foren werden die Leitfragen praxisnah bearbeitet. Auf wissenschaftlicher Ebene finden zweitägige Workshops statt, für das das �Forschungsforum Öffentliche Sicherheit� verantwortlich ist (www.sicherheit-forschung.de).